Eine Quelle der Inspiration hinter der Grenze

Das Kesselhaus ist in Weil am Rhein eine Institution: Seit zwanzig Jahren beleben Künstler und Kulturschaffende das alte Industrieareal. Für Basler ist das soziokulturelle Zentrum bald nur noch eine Tramfahrt entfernt.

Auf den ersten Blick wirkt das Kesselhaus eher unscheinbar. Doch das täuscht. (Bild: J.Schraner)

Das Kesselhaus ist in Weil am Rhein eine Institution: Seit zwanzig Jahren beleben Künstler und Kulturschaffende das alte Industrieareal. Für Basler ist das soziokulturelle Zentrum bald nur noch eine Tramfahrt entfernt.

Ende der 1980er-Jahre lagen im Weiler Stadtteil Friedlingen drei grosse Industrieareale brach. Ein Investor kaufte das erste auf: Heute steht an seiner Stelle das Rheincenter. Einen zweiten Gebäudekomplex liess die Stadt abreissen und überbaute das Land mit Sozialwohnungen. Ganz anders lautete hingegen das Schicksal der ehemaligen Seidenstoffweberei Schwarzenbach: Sie wurde denkmalgeschützt. 1991 fand in den Fabrikräumen die erste Theateraufführung statt. «Flametti – oder vom Dandysmus der Armen» war der Startschuss für das Kulturzentrum Kesselhaus.

Der Weiler Kulturamtsleiter Tonio Passlick hat das Kesselhaus damals mit aufgebaut und leitet es noch heute. «Urbane Räume können auch ausserhalb des Basler Stadtzentrums entstehen. Das beweist das Kesselhaus», sagt Passlick.

Die Grösse des Kulturzentrums sorge bei vielen Baslern für Erstaunen, wenn sie zum ersten Mal das Areal betreten. «Die Grenze war für Weil in dieser Hinsicht auch eine Chance: Die Stadt konnte so ein eigenes kulturelles Profil entwickeln.» Das sei aber nicht ganz ohne Schweizer Mitwirken passiert, Kulturschaffende des Nachbarlandes seien seit Beginn involviert gewesen. 

Ein Kulturverein organisiert das Programm im Veranstaltungsraum. Dort finden unter anderem Konzerte, Theateraufführungen und Märkte statt. Das alte Fabrikareal beheimatet aber auch Bandräume, das Museum zur Weiler Textilgeschichte, ein Kulturcafé und 21 Künstlerateliers.

Die Künstler in der alten Weberei

Im Atelier von Gabriele Moll dominiert die Farbe Rot. Die Malerin aus Haltingen arbeitet konzentriert, während ihre zwei Hunde sie vom Obergeschoss aus beobachten. Seit elf Jahren hat Moll ihren Werkplatz im Kesselhaus. «Die Atmosphäre in der alten Fabrik ist inspirierend für die Kreativität.» Sie schätzt aber auch im Besonderen die Anwesenheit der anderen Künstler: «Ich bin nie alleine und kann trotzdem die Türe schliessen, wenn ich das Bedürfnis danach habe.» 

Mehrmals im Jahr organisieren die 25 Künstler gemeinsame Anlässe; einmal im Jahr öffnen sie ihre Ateliers für die interessierte Öffentlichkeit. Dann bietet sich auch für die Künstler eine gute Gelegenheit, den Kontakt untereinander zu pflegen.

Schräg gegenüber von Molls Atelier, arbeitet Niels Tofahrn. Der Bildhauer entwickelt mobile Skulpturen aus Stoff. Trotz den unterschiedlichsten Kunst-Positionen verstehe man sich untereinander sehr gut, schon mehrmals habe er mit Ateliernachbarn gemeinsame Ausstellungen gemacht. «Hier ist immer mal was los», sagt er lächelnd. Auch Tofahrn ist schon viele Jahre im Kesselhaus: «Ich geniesse es, hier drin bleiben zu können. Früher war ich oft in Zwischennutzungen eingemietet und musste ständig umziehen.» Die hohen Räume und der Lichteinfall seien für seien Arbeit zudem perfekt geeignet.

Mittagessen am knisternden Feuer

Eingerahmt von den Ateliers befindet sich das «Kulturcafé». Seit seiner Gründung 1995 ist das Lokal ein wichtiger Bestandteil des Kesselhauses. Hier treffen die Künstler in ihrer Mittagspause auf die Arbeiter des benachbarten Gewerbes. Dann ist oftmals volles Haus: Das täglich wechselnde Menu ist beliebt und ein Cheminée sorgt für eine gemütliche Atmosphäre.

Ab und zu hört man hier auch Schweizerdeutsch oder Französisch. «Wir haben ein sehr gemischtes Publikum», sagt die junge Kellnerin. Und trotzdem sei das Kulturcafé noch immer so etwas wie ein Geheimtipp bei ausländischen Besuchern. «Viele kennen Friedlingen nur vom Rheincenter. Wir sind hier ein bisschen versteckt», sagt sie. 

Das könnte sich schon bald ändern. Die Kulturschaffenden im Kesselhaus sind gespannt, ob mit der erweiterten Tramlinie 8 in Zukunft mehr Schweizer das Kulturzentrum besuchen. Es ist durchaus möglich, dass die Haltestelle «Kesselhaus» bei vielen Baslern die Neugierde auf das weckt, was im gleichnamigen Kulturzentrum passiert.

Und wer weiss, vielleicht wird das Kesselhaus irgendwann in einem Zug mit der «Kaserne» oder dem «Warteck» genannt. Zumindest verliert die Landesgrenze dazwischen ein bisschen von ihrem trennenden Charakter. 

Zur Tram 8-Feier ins Kesselhaus
Diesen Sonntag können Interessierte das Kesselhaus im Gesamtpaket erleben. Auf dem Areal findet ein Teil der Feierlichkeiten zur Eröffnung der Tramlinie 8-Erweiterung statt. Neben dem Museum und Kulturcafé sind an diesem Tag auch die Künstlerateliers geöffnet. In der Töpferwerkstatt dürfen sich die Besucher gar selbst kreativ ausleben, für Kinder findet ein weihnachtliches Basteln statt. Das Kesselhaus ist in zwei Minuten zu Fuss ab der neuen Haltestelle Kesselhaus/Riedlistrasse erreichbar. (siehe Karte)

Programm:
11.30-13.00 Uhr Film «Tram 8» von Dieter Zöbelin
13.00-14.00 Uhr Vernissage Buch «Tram 8 grenzenlos»
14.00-15.30 Uhr Film «Tram 8» von Dieter Zöbelin
15.30-16.30 Uhr Weiler Erzähler – Adventsgeschichten
17.00-19.00 Uhr Groove’n joy-Konzert der Saxofon-Bigband (Leitung Christian Leitherer)

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