Wegen «Baselworld» hat es für die Chelsea-Fans keine freien Hotelzimmer mehr nach dem Europa-League-Halbfinal. Darum fragt man sich in Basel jetzt, ob man den englischen Fans privat Betten zur Verfügung stellen sollte. Keinesfalls!, warnt der englische Fussballkenner Hamed Ovaisi.
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Hamed Ovaisi (32) ist selbst Fussballfan, er arbeitet im Fussballbusiness und er gilt – als Landlord – als sehr gastfreundlicher Mensch. Umso verstörender sind seine Aussagen über die englischen Fans und die Idee, sie bei sich daheim schlafen zu lassen.
Mister Ovaisi, was raten Sie: Soll man grosszügig sein und einem Chelsea-Fan ein Bett anbieten?
Keinesfalls. So viel Grosszügigkeit empfiehlt sich in absolut gar keiner Situation. Die englischen Gäste würden Ihnen alles wegessen, Ihre Kinder zum Weinen bringen und Ihr Bad für Stunden, vielleicht sogar Tage besetzen.
Sie selbst würden einen englischen Fan in dem Fall auch nicht beherbergen?
Niemals. Englische Fans sind bekannt für ihre Fähigkeit, in kürzester Zeit alles durcheinander zu bringen. Das kann in deinem Esszimmer anfangen – und schon öffnen sich die Tore zur Hölle, die das ganze Haus verschlingen werden. Da gibt es höchstens eine Ausnahme: die weiblichen Fans. Sie aufzunehmen, kann noch ganz nett sein.
Übertreiben Sie jetzt nicht ein wenig mit dem Vergleich zur Hölle?
Absolut nicht, nein, obwohl es bei uns auch sehr gut erzogene und zurückhaltende Fans gibt – eigentlich. Wenn sie einen Anhänger eines anderen Teams oder eines anderen Landes erblicken, ist es aber auch um sie geschehen. Dann werden sie leidenschaftlich. Das wäre in Basel genau gleich. Da müsste der englische Gast nur Sie und Ihre netten Kinder sehen oder auch den freundlichen Nachbarn – und schon ist es passiert. Es wird einen Aufruhr geben und niemand wird sich dem entziehen können, weder Sie, noch die Kinder oder der Nachbar. Sehr bald werden Sie auch die Polizei auf der Matte haben. Nein, einen englischen Fan einzuladen, ist wirklich keine gute Idee.
Wenn man also trotz Ihren Warnungen einen Chelsea-Fan beherbergen möchte, muss man ihm also vor allem viel Bier bereit stellen – und was sonst noch? Kopfwehtabletten?
Es braucht: Alkohol, Zigaretten und Kebabs. Irgendwelche Tabletten nimmt ein richtiger Fan nicht. Niemals!
Nach dem Spiel Basel-Chelsea gibt es noch zwei Nachtflüge nach London. Ein sinnvolles Angebot für den Fan – oder braucht der nach dem Spiel erst einmal paar Bier in einem Pub?
Der englische Fan braucht nach dem Spiel immer noch mehr Bier, egal ob sein Team gewonnen oder verloren hat. Nach einem Sieg trinkst du, weil du glücklich bist. Nach einer Niederlage, trinkst du, um deinen Frust hinunter zu spülen. Eine unselige Angelegenheit! Sie führt dazu, dass 72 Prozent der Fussballfans Alkoholiker oder in dieser Beziehung zumindest gefährdet sind.
Schockierend! Darum nochmals die Frage: Steht es wirklich so schlimm um den englischen Fan? Oder übertreiben Sie nicht doch vielleicht ein ganz klein wenig?
Also, gut, ich muss zugeben, dass ich bis jetzt auch ein klein wenig Ihre Klischees bedient habe, ich wollte ja nicht unhöflich sein. Aber um ehrlich zu sein: Meiner Ansicht nach müssten die englischen Fans international vor allem für ihre ausgezeichneten Sinn für Haute Cuisine und für die feinen Künste sowie für ihr Sprachenverständnis bekannt sein. Die meisten von ihnen beherrschen nämlich mindestens drei Fremdsprachen derart perfekt, dass sie sich problemlos über Renaissance-Kunst, klassische Geschichte und alle anderen wichtigen Themen unterhalten können – feingeistig und zusammenhängend, egal, wie viel sie getrunken haben. Und selbstverständlich können sie auch sehr, sehr gut singen.
Gibt es eigentlich Unterschiede zwischen den Fans, zum Beispiel jenen von Chelsea und jenen von Liverpool?
Keine gute Frage. Als Liverpool-Fan bin ich natürlich befangen. Aber klar ist, dass Liverpool ein schlafender Gigant ist. Und bei Chelsea alles nur auf russischem Öl gründet. Darum ist dieses Team auch international so erfolgreich – als einzige englische Mannschaft in dieser Saison. Und darum wird Chelsea jetzt auch von allen Engländern unterstützt. Oh – und was ich bei diesem Thema unbedingt auch noch erwähnen muss: Liverpool hat fünf Meistercup- und Champions-League-Titel!
Hat man nach den wiederholten Niederlagen englischer Teams gegen Basel bei Ihnen zu Hause eigentlich schon ein wenig Angst?
Basel? Angst? Offen gesagt, habe ich von Basel noch nie etwas gehört, bis ich von Ihnen gehört habe. Nein, im Ernst: Ich werde selbstverständlich dieses Spiel vor zehn Jahren nie vergessen, Basel-Liverpool, 3:3, und wir waren raus aus der Champions-League. Dieser Match war ein Klassiker und Basel ist ein grosser Club. Chelsea wird vorsichtig sein, da bin ich sicher.
Aber Basel wird trotzdem gewinnen?
Da kann ich euch leider nichts vormachen: Chelsea wird am Schluss zwei Längen vorn sein. 5:3 im Gesamtskore.
Und wenn es doch zu einem Penaltyschiessen kommen sollte?
Dann wird es ein 16:15 geben, für wen weiss ich allerdings nicht.
Warum versagen englische Mannschaften so häufig im Elfmeterschiessen?
Das ist jetzt wirklich mal eine gute Frage. Wir diskutieren in England sehr häufig darüber. Und trotzdem weiss ich bis jetzt noch keine Antwort. Vielleicht liegt das Problem darin, dass das ganze Land immer überzeugt ist, innerhalb von 90 Minuten alles klar machen zu können. Wenn wir dann auch nach 120 Minuten noch immer nicht gewonnen haben, wird der Druck möglicherweise plötzlich zu gross. Und damit auch die Angst vor dem Versagen und die Angst vor dem, was die Zeitungen sagen werden. Vielleicht ist es das, ich weiss es nicht, niemand weiss es genau in England. Leider.
Das Bild oben ist wahrscheinlich nicht das beste, das von ihm erhältlich ist. Trotzdem mag er es ganz besonders, weil es den kulturellen Hintergrund deutlich zeigt, der ihm wie allen anderen englischen Fans wichtig ist, wie er auch im Interview sagt. Mindestens so zutreffend scheinen allerdings auch seine Aussagen über die andere, etwas weniger seriöse Seite des englischen Fantums zu sein.
Diesen Eindruck hat jedenfalls auch Simone Renz, die Co-Autorin dieses Interviews. Und sie redet aus Erfahrung: Während eines Sprachaufenthalts in Eastbourne hatte sie während drei Wochen ein nettes, aber nicht immer sehr ruhiges Zimmer in der WG von Fussballfan Ovaisi.