Einmal links, einmal rechts

Mehr Freiheit und einen grösseren Handlungsspielraum: Das will man im SVP-Dorf Buus genau gleich wie im roten Birsfelden. Und nach der Wahl vom 3. März könnte sich tatsächlich was tun im Baselbiet.

Ein währschafter Start: Unsere kleine Baselbieter Wahltour führte uns in der ersten Woche in die Arbeitergemeinde Birsfelden, den linksten Ort im Kanton, und das rechteste Dorf Buus. (Bild: Nils Fisch)

Mehr Freiheit und einen grösseren Handlungsspielraum: Das will man im SVP-Dorf Buus genau gleich wie im roten Birsfelden. Und nach der Wahl vom 3. März könnte sich tatsächlich was tun im Baselbiet.

In Birsfelden geht die Stadt fliessend ins Land über. Wäre die Birs nicht, kaum einer würde merken, dass er Basel überhaupt verlassen hat, wenn er in «Blätzbums» einfährt. Das Tram ist gleich grün, der Verkehr ebenso dicht, links und rechts der Hauptstrasse thronen dieselben Bausünden aus den 70er-Jahren. Ein Ortsbild, geprägt von seiner Geschichte: Früher lebten hier die Bundesangestellten von SBB, PTT und Zoll, später die Fabrikarbeiter, und noch heute lassen sich hier jene nieder, die günstigen Wohnraum suchen. Birsfelden, das ist ein klassischer Arbeitervorort und darum ein Hoheitsgebiet der SP. Die Partei holte bei den vergangenen Landratswahlen doppelt so viele Stimmen wie die zweitstärkste Kraft, die SVP. Das macht Birsfelden zur linksten Gemeinde im Baselbiet.

Buus dagegen ist noch immer ganz Dorf, 960 Einwohner, viele schöne, alte Häuser. Darunter die über 20 Bauernhöfe, die noch immer betrieben werden. Ein Idyll ist auch die Umgebung, sanfte Hügel, mit Reben verziert. Und oben scheint immer das Sünneli, zumindest das der SVP. Buus ist die rechteste Gemeinde im Baselbiet. Bei den letzten kantonalen Wahlen holte die SVP hier vier Mal mehr Stimmen als die nächststärkste Partei, die Grünen.

Macht und Ohnmacht

Birsfelden war immer schon in linker Hand, auch wenn über dem jahrzehntelang SP-dominierten Gemeinderat häufig ein Bürgerlicher thronte. Hier in Birsfelden machen unter dem Einfluss der Gewerkschaften nämlich auch die Rechten fast schon eine linke Politik. Ideologische Auseinandersetzungen werden in Birsfelden nicht geführt. Stattdessen konzentriert man sich auf persönliche Animositäten. Gross ist die Aufregung auch jetzt wieder vor der Wahl des Gemeindepräsidenten vom Wochenende. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass der umstrittene «Presi» Claudio Botti von Christof Hiltmann (FDP) abgelöst wird. Danach soll dann endlich Ruhe einkehren – hofft man wieder einmal.

Eine andere ewige Hoffnung ist, endlich auch mal ein paar Reiche für sich gewinnen zu können. Obwohl Birsfelden eigentlich alles hat, was eine attraktive Gemeinde benötigt (Sporthalle, Schule, Geschäfte, Restaurants, Tram, Bus) und direkt an Birs und Rhein liegt, lassen sich die Gutbetuchten lieber am Sonnenhang von Arlesheim oder in Pfeffingen nieder.Entsprechend gross sind die finanziellen Nöte Birsfeldens – und die Abhängigkeit vom Finanzausgleich (als einzige Gemeinde im Unterbaselbiet). Ansonsten fühlt man sich vom Kanton recht alleine gelassen. Umgekehrt ist einem Liestal auch ziemlich egal. Oder wie ein alter Birsfelder es ausdrückt: «Der Blick einer Hafenstadt geht immer flussabwärts.»

Einfacher sind die Verhältnisse in Buus. Dieses Dorf ist ganz einfach SVP, durch und durch. Aber nicht diese aggressive SVP und schon gar nicht diese staatsfeindliche SVP, die immer gross in den Medien ist. In Buus fühlen sich auch Leute wohl, die von sich sagen, sie seien eher «links orientiert», wie Gabriel Steinmann (32), Präsident des Turnvereins. Und hier denkt der Gemeinderat unter Führung der SVP nicht nur ans Sparen, sondern auch ans Investieren. Darum hat das Dorf alles, was es braucht – oder vielleicht sogar fast etwas mehr: Schwimmbad, Mehrzweckhalle, Schule, Feuerwehrmagazin, Gemeindeverwaltung, Turnhalle.

Gut läuft auch die Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden, mit den Fricktalern zum Beispiel im Bereich der Abfallentsorgung. Und den Hemmikern führen die Buusner die Verwaltung. «Im Gegensatz zu anderen schnuuren wir nicht gross über irgendwelche Fusionen», sagt Gemeindeverwalter Beat Sägesser: «Wir machen einfach das, was wirklich sinnvoll ist.» (Mehr dazu in unserem Bericht über «Die schlauen Menschen von Buus».)

Die Gemeinsamkeiten

Liestal ist weit weg – auch für die Buusner im östlichsten Teil des Kantons, im Fricktal schon fast. Eine Gemeinsamkeit, über die man in beiden Dörfern gerne spricht; die besondere Lage macht auch einen selbst speziell. Sehr viel weniger gerne redet man dagegen über eine andere Gemeinsamkeit: die Abhängigkeit von den Finanzhilfen aus den reicheren Gemeinden. Birsfelden bezog 2012 rund sechs Millionen Franken, Buus 850 000 Franken. Das sind stolze Zahlen, die vor allem den stolzen Buusnern gerne vorgehalten werden. Die SVP würde so was sonst «Schmarotzertum» nennen, schrieb uns ein Leser (mehr dazu in unserem Arikel «Die netten SVPler – auch nur Schmarotzer?») Doch davon will man in Buus nichts wissen. Bei Kritik wird auf die vielen Standortvorteile des Unterbaselbiets verwiesen. Schulen, Kulturhäuser, ÖV. «Die Unter­baselbieter können alle drei Minuten aufs Tram springen. Das ist natürlich auch nicht gratis», sagt der Buusner Gemeindeverwalter Beat Sägesser.

In Birsfelden sind dagegen weniger die angesprochenen Standortvorteile das Thema, sondern die vielen Nachteile, die gerade diese Gemeinde hat. «Wir tragen die Lasten für den gesamten Kanton», sagt der ehemalige Gemeindepräsident Peter Meschberger (SP). Das Abwasser des gesamten Bezirks Arlesheim wird in der Anlage an der Freulerstrasse gereinigt, das Wasserkraftwerk und auch der Hafen stehen auf Birsfelder Boden – vom Gewinn sieht die Gemeinde aber nichts. Entsprechend gross ist der Ärger bei den Birsfeldern, wenn sie wieder mal als Bettler hingestellt werden.

Die Gegensätze

Unterschiedliches gibt es zuhauf. Darum hier nur eine kleine Auswahl. In Buus kennnen sich alle, im halbgrossen Birsfelden ein paar. Buus ist eine kleine Welt für sich, Birsfelden, na ja, nicht Stadt, aber auch nicht wirklich Agglo, zunehmend anonym jedenfalls. Ein Grund, warum einige Vereine Nachwuchsprobleme haben. Ganz anders in Buus. Dort hat der Turnverein rund 200 Mitglieder – darunter viele Kinder und Jugendliche. Dabei stimmen auch die Leistungen; im Kanton rennen nur noch die Bottminger den Buusnern davon. Dafür sind die früher überlegenen Turner aus dem Nachbardorf Maisprach heute in den meisten Belangen unterlegen; das ist das Wichtigste.

Dann gäbe es noch einen anderen interessanten Gegensatz zwischen der linksten und der rechtesten Baselbieter Gemeinde: In Birsfelden trinkt man Bier, in Buus trinkt und produziert man Wein, was ganz offensichtlich zu interessanten Gedanken anregt. «Ein guter Wein braucht Charakter, ein guter Politiker eine Persönlichkeit», sagte uns der Buusner Winzer Fredy Löw. Beim Baselbieter Wein stimme die Qualität seit ein paar Jahren, bei der Politik dagegen, na ja.

Die Probleme

Während Buus laufend ein bisschen etwas in seine Infrastruktur investieren kann, ist Birsfeldens Entwicklung blockiert – und das ausgerechnet an der besten Lage, direkt am Rhein. Für das Hafengelände gäbe es viele grossartige Ideen und Projekte, doch der Kanton verhindert die Umsetzung, weil der Hafen nur für Lagerzwecke da sein soll. Knapp ein Drittel der ohne­hin schon knappen Gemeindefläche liegt so mehr oder weniger brach – logisch, hätten die Birsfeldener gerne mehr Handlungsspielraum. Genauso wie die Buusner übrigens, sie aber aus einem ganz anderen Grund. Gemeindeverwalter Sägesser ärgert sich über den amtlich vorgegeben Leerlauf, über die vielen Reformen, denen, kaum umgesetzt, jeweils schon die nächsten Neuerungen folgen.

Die Lösung

Probleme gibt es also mehr als genug. Umso besser, dass das Baselbiet nun vor einer wegweisenden Wahl zu stehen scheint – und vor einer glücklichen auch. Denn die von Weinbauer Fredy Löw geforderte Persönlichkeit versprechen alle drei Kandidaten zu sein. Und selbstverständlich sind Eric Nussbaumer (SP), Gerhard Schafroth (GLP) und Thomas Weber (SVP) auch alle von ihrer Kompetenz gerade in finanziellen Fragen überzeugt. Doch was haben sie konkret vor, um die Probleme des Baselbiets zu lösen? Das haben wir sie nach unseren Besuchen in Birsfelden und Buus gefragt.


In den Antworten machen alle drei deutlich, dass sie Reformen wollen und keine Denkverbote akzeptieren. Selbst Weber, der SVPler, spricht völlig unverkrampft über Gemeindefusionen und mögliche Anreize, die der Kanton dafür setzen könnte – zumindest bis vor Kurzem war beides noch ein Tabu für viele Baselbieter Bürgerliche. Für den SPler Nussbaumer ist es dagegen schon eher eine Selbstverständlichkeit «neue Lösungen» zu fordern, um die Zusammenarbeit unter den Gemeinden zu fördern und sie so zu stärken. Noch deutlicher wird der Grün­liberale Schafroth: Er verlangt eine grundsätzliche Reform des Finanzausgleichs, weg vom «Giesskannenprinzip», wie er es nennt, hin zu mehr Effizienz in den Gemeinden. Das sind schon fast revolutionäre Ideen fürs Baselbiet, dieses kleine Frankreich, das noch so zentralistisch ist wie kaum ein anderer Kanton in der Schweiz.

Die TagesWoche reist durchs Baselbiet Der Wahlkampf für die Regierungsratswahl am 3. März hat begonnen. Was braucht das Baselbiet wirklich? Wir nähern uns auf einer Tour durch den Kanton der Antwort an. Seien Sie mit dabei und besuchen Sie unseren Wahl-Blog.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 01.02.13

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