Der Polizeieinsatz von vergangenem Montag an der Uni wirft weiterhin Fragen auf. Die Kantonspolizei versucht den Einsatz zu rechtfertigen und schreckt dabei vor Unwahrheiten nicht zurück.
Die Basler Kantonspolizei rechtfertigt derzeit auf sämtlichen Kanälen den Polizeieinsatz vom vergangenen Montag. Die Polizei führte in und vor der Universität mit einem Grossaufgebot «Eingangs- und Effektenkontrollen» durch, weil sie eine Störaktion gegen ein Referat des Nestlé-CEOs Paul Bulcke zum Thema «Rolle der globalen Nahrungsindustrie in der Gesellschaft» befürchtete.
Den Vortrag hatte die Statistisch-Volkswirtschaftliche Gesellschaft Basel (SVG) organisiert. Politiker, Studenten und Medien stellen nun alle die selbe Frage: Auf welcher rechtlichen Grundlage hat die Polizei innerhalb der Universität einen Einsatz durchgeführt, ohne die Universität im Vorfeld zu informieren? Denn, wie Universitätssprecher Matthias Geering bestätigt, wusste die Universitätsleitung nichts von diesem Einsatz.
«Das Vorgehen der Polizei war fragwürdig.»
Ein Vorgehen, welches rechtlich fragwürdig ist, wie Markus Schefer, Staatsrechtler an der Universität Basel sagt. Ohne Einverständnis der Universität wäre ein solcher Einsatz nur dann rechtens, wenn eine akute Bedrohungslage bestanden hätte.
Die Polizei schreibt von einer «drohenden Gefahr» und begründet den Einsatz folgendermassen: «Bei der Kantonspolizei ist ein ernstzunehmender Hinweis eingegangen, wonach die Veranstaltung hätte gestört werden sollen.» Man habe gezielte Personenkontrollen durchgeführt, um die Sicherheit zu gewährleisten.
Gestern Mittwoch hat zwischen der Leitung von Universität und Polizei ein erstes Gespräch stattgefunden, um den Vorfall zu klären und das Vorgehen für ähnliche Situationen in der Zukunft zu besprechen. Man sei vom Vorgehen der Polizei überrascht, sagt Geering, schliesslich sei es jedoch auf ein Kommunikationsproblem zurückzuführen.
Widersprüchliche Aussagen der Polizei
Für den Staatsrechtsprofessor Schefer ist jedoch eine andere Frage von grösserer Bedeutung: «Entscheidend ist für mich, ob die Konfiskation von Flyern durch die Polizei mit dem Grundrecht der Meinungsfreiheit vereinbar ist.» Einige Studenten und Jungsozialisten wollten am Montagabend mit Flugblättern auf die umstrittene Geschäftspolitik von Nestlé aufmerksam machen. Anwesende Jungsozialisten hatten danach gegenüber Medien berichtet, Beamte hätten mitgeführte Flyer beschlagnahmt.
Die Polizei bestreitet den Sachverhalt. «Die Kantonspolizei Basel-Stadt hat keine Flyer sichergestellt», schreibt sie auf Anfrage der TagesWoche. Verbreiten die Jungsozialisten etwa Lügengeschichten, um die Polizei anzuschwärzen?
Die Hinweise, die der TagesWoche vorliegen, deuten vielmehr darauf hin, dass die Polizei nicht die Wahrheit sagt. Eine Polizeiquittung bestätigt den Sachverhalt, wie ihn die Betroffenen schildern. Es handelt sich dabei um die «Bestätigung einer Sicherstellung von Flyern», als Begründung ist das «Verteilen vor Hörsaal, Veranstaltung» notiert, ausgestellt am 18. November 2013, von einem Beamten unterzeichnet. Eine Kopie dieser Quittung liegt der TagesWoche vor.
Die Polizei hielt Studenten vom Flyer-Verteilen ab
Der betroffene Student berichtet, wie er zusammen mit einem Kollegen von Polizisten während einer halben Stunde in einem Raum festgehalten worden sei. Danach seien ihre Flyer beschlagnahmt und sie selbst weggewiesen worden.
Auf Nachfrage bei den Beamten, so die Aussage des Betroffenen, erklärten diese, sie hätten den Auftrag, die Studenten vom Flyer-Verteilen abzuhalten. Dabei erlaubt das Universitätsreglement den Studierenden explizit «Veröffentlichungen anzubringen, aufzulegen und zu verteilen».
In diesem Zusammenhang brisant ist: In der Woche zuvor beschlagnahmten Beamte Flyer mit Nestlé-kritischen Parolen von SP-Grossrat Pascal Pfister, der diese mit weiteren Personen vor dem Nestlé-Shop verteilte. Auf der Verfügung, von der der TagesWoche ebenfalls eine Kopie vorliegt, steht als Begründung für die Beschlagnahmung ebenfalls «Verteilen von Flyern».
«Es war ein guter und richtiger Einsatz.»
Auf Anfrage begründet die Polizei diese «Sicherstellung» jedoch mit «einer vorsorglichen Beweissicherung». Die Betroffenen seien des illegalen Plakatierens verdächtigt worden.
Für Staatsrechtsprofessor Schefer lassen sich die Zwischenfälle allerdings nicht so rasch beiseite schieben, er fordert eine gründliche Aufklärung der Geschehnisse: «Sollte die Polizei regelmässig solche Einziehungen vornehmen, müsste sich wohl die Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates damit befassen.»
Beim Einsatz von Montagabend war auch Sicherheitsdirektor Baschi Dürr anwesend. Gegenüber dem Regionaljournal beurteilte er den Einsatz als Erfolg. «Es war ein guter und richtiger Einsatz.» Ziel sei gewesen, die Meinungsfreiheit zu schützen. Diese sah die Polizei durch die möglichen Störaktionen während des Vortrags von Nestlé-CEO Paul Bulcke in Gefahr. Bei der Kommunikation mit der Universität, so Dürr, gebe es allerdings noch Bedarf zur Verbesserung.