Verkehr, Personenfreizügigkeit und Finanzausgleich: Das sind drei Themen, die für Basel auf Bundesebene eine enorme Bedeutung haben. Deshalb braucht die Stadt eine Vertretung in den eidgenössischen Räten, welche die Aussenseiterposition des personell nicht gerade reichhaltig bestückten urbanen Kantons mit viel Profil wettmachen kann.
Diese Woche begann in Bern die letzte Session vor den Wahlen. Die Politiker wuseln wieder durchs Bundeshaus, drücken rote oder grüne Knöpfe und bestimmen damit, welche Gesetze wir in diesem Land erhalten.
Aktuell ist die Bundespolitik von drei happigen Dossiers geprägt, die zugleich drei der meistdiskutierten Wahlkampfthemen sind: die Asylpolitik, die Energiewende und die Altersvorsorge, während die Unternehmenssteuerreform III als viertes schwergewichtiges Thema vom Programm gestrichen wurde.
Diese Auflistung macht klar, dass es für den Stand Basel ausgesprochen wichtig ist, was im Bundeshaus entschieden wird, von dem man sich am Rheinknie oftmals so weit entfernt wähnt. In der Asyldebatte geht es um einen weltoffenen Gegenpol zur Abschottungsmentalität, in der Energiedebatte um die Vorreiterrolle des Anti-Atom-Kantons, und die Altersvorsorge hat für den überalterten Stadtkanton ohnehin viel Gewicht.
Es geht um sehr viel Geld
Von grosser Bedeutung für Basel sind auch die Themen Verkehr – namentlich der Ausbau des Rheinhafens, der Rheintunnel auf der Osttangente und das S-Bahn-Herzstück –, das Verhältnis zur EU und der Finanzausgleich. Hier geht es um hohe dreistellige Millionenbeträge und um nichts weniger als die Prosperität des international vernetzten Wirtschaftsstandorts Basel.
Gewiss: Die nationale Politik dreht sich nicht nur um kantonale Eigeninteressen. Trotzdem fällt auf, dass im Basler Wahlkampf diese für die Stadt so wichtigen Themen zumindest bis jetzt eine untergeordnete Rolle spielen. Die Kandidatinnen und Kandidaten halten sich hier auffällig zurück oder beschränken sich mehr oder weniger auf Gemeinplätze, wie die realpolitisch wenig aussagekräftige Bemerkung, dass es sich um eine Richtungswahl handle.
Eine Ausnahme bildet die SP-Ständerätin Anita Fetz, die mangels valabler Gegenkandidaten eigentlich gar keinen Wahlkampf führen muss, sich aber vielleicht gerade deswegen prononciert als Gewissen der fortschrittlich-urbanen Schweiz im ländlich geprägten Stöckli profilieren möchte.
Gefährdete Grossprojekte
Die Medien spekulieren derweil ausführlich, wer von den Bisherigen von Listenverbindungen profitieren oder wer zu deren Opfer werden könnte. Besonders im Fokus steht die Frage, welcher der bürgerlichen Kandidaten allenfalls vom Polit-Schwergewicht Christoph Eymann verdrängt werden könnte, oder ob das links-grüne Bündnis den Sitz wieder wettmachen könnte, welcher vor vier Jahren verloren ging.
Dabei setzte die «Basler Zeitung» ein Thema auf die Traktandenliste, das für die Stadt von grosser Bedeutung ist und gleichzeitig offenbart, wie sich die Grenzregion in Bern immer wieder ins Abseits manövriert. Es geht um den Ausbau des Kleinhüninger Rheinhafens (Basel Nord). Gerade gaben die eidgenlössischen Räte grünes Licht für die Unterstützung des Baus eines gigantischen Hafenterminals. Und schon liegen sich die Protagonisten in Basel in den Haaren.
Die BaZ schildert seit Tagen, weshalb der Bau des 180-Millionen-Terminals vielleicht doch keine so gute Idee sei. Sekundiert von der Lastwagenlobby und von Logistikbetrieben, die ihre Felle im Rhein davonschwimmen sehen, lässt die BaZ grundsätzliche Bedenken gegen den Hafenausbau vortragen. Und in den beiden Basler Kantonsparlamenten springen bürgerliche Politiker mit Interpellationen auf den Kampagnenzug auf, während die SP mit demselben Mittel versucht, dem verantwortlichen Regierungsrat Christoph Brutschin Stichworte zur Verteidigung zu liefern. Der Ausbau von Basel Nord war ein gemeinsames Projekt aller politischen Kräfte. Nun entwickelt sich das Projekt zum Grabenkampf zwischen Bürgerlichen und Gewerbe auf der einen, Rot-Grün auf der anderen Seite.
Wo bleiben die nationalen Politiker?
Der Grundsatzstreit in Basel wird im Bundeshaus widerhallen. Um Projekte dieser Grössenordnung in Bern voranzubringen, bräuchte es ein geschlossenes Auftreten der Basler Parlamentarier. Sonst entwickeln sich weitere wichtige Projekte, die auf Unterstützung durch den Bund angewiesen sind, wie der Ausbau der Osttangente oder das S-Bahn-Herzstück, zum Desaster. Denn mit Uneinigkeit und Streitigkeiten lassen sich die Schleusen, aus denen Bundessubventionen fliessen sollen, nur sehr schwer öffnen.
Genauso verhält es sich bei der Gestaltung des Nationalen Finanzausgleichs (NFA). Das Parlament einigte sich im Sommer auf einen Kompromiss, der die Geberkantone – wozu Basel-Stadt gehört – leicht entlastet. Der weitergehende Vorschlag des Bundesrats scheiterte im Nationalrat ausgerechnet an der Stimme des Basler CVP-Vertreters Markus Lehmann.
Doch der Kompromiss steht noch nicht auf solidem Fundament: In Nidwalden und Zug formiert sich Protest gegen den Entscheid. Gut möglich, dass die Stimmbevölkerung das letzte Wort über den NFA haben wird. Dann müsste das Parlament nochmals über die Bücher, und die Einigkeit der Basler Politiker wäre dringend gefordert.
Anwaltschaft für eine urbane und fortschrittliche Schweiz
Das kriselnde Verhältnis zur EU stellt die Region vor eine weitere Herausforderung. Was wäre die Region ohne die 65’000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die täglich in Basel-Stadt und Baselland arbeiten? Nichts, so sind sich regionale Wirtschaftsverbände und für einmal auch die Gewerkschaften einig.
Die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative könnte der Wirtschaft in der Region massiven Schaden zufügen. Ein Wegfall der bilateralen Verträge käme für die Nordwestschweiz wohl einem Super-GAU gleich. Umso wichtiger sind die Basler Parlamentarier in Bern, die die Interessen der Region glaubwürdig und mit Vehemenz vertreten.
Dies auch im Interesse des ganzen Landes. Abschottungspolitiker gibt es in Bern genug. Die Basler Parlamentarier müssten ihren Schwyzer und Glarner Kollegen zeigen, was es heisst, mit Grenzen zu leben. Sie müssten – je nach Parteizugehörigkeit vielleicht etwas weniger oder mehr – Anwälte sein für eine urbane und fortschrittliche Schweiz, also eine Aussenseiterrolle einnehmen und diese aber klar und deutlich zu Gehör bringen.
Profiliertes Auftreten
Nationalräte, die sich wie der SVP-Vertreter Sebastian Frehner als Kämpfer gegen den «Sex-Koffer» in der Schule in Szene setzen, werden in Bern nicht als Polit-Schwergewichte wahrgenommen. Ebenso wenig wie Bundesparlamentarier, die wie CVP-Nationalrat Markus Lehmann einen Kleinkrieg gegen Velo-Rowdys nach Bern tragen.
Gerade weil die Basler Delegation in Bern mit nur gerade fünf Nationalräten und einer Ständerätin in der vereinigten Bundesversammlung mit 246 Mitgliedern eine krasse Minderheit darstellt, müssen Köpfe nach Bern, die diese zahlenmässige Unterlegenheit mit möglichst viel Nachdruck, Kompetenz und einem profilierten Auftreten wettmachen. Das kleine Basel kann sich keine Steigbügelhalter für die grossen nationalen Fraktionen leisten. Daran sollte man denken, wenn man die Wahlzettel ausfüllt.