Die Bibelverteiler haben es explizit auf Schülerinnen und Schüler abgesehen. Einige Basler Schulen versuchten, die Aktionen zu unterbinden. Doch vergeblich: Es gibt keine gesetzliche Handhabe gegen die Missionare auf der Allmend.
«Unentgeltliche Bibelverteilungsaktion durch die Gideons-Gruppe Basel»: Dieser Brief an die Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsmittelschule und Wirtschaftsgymnasium kursierte erst am Dienstag. Und er sorgte für rote Köpfe, enthielt er doch einigen Zündstoff: Die Gideons-Gruppe Basel wolle Bibeln verteilen – und zwar «in der Nähe des Schulhauses», am Mittwoch und am Donnerstag.
Der Bund aus vorwiegend evangelikalen Christen wurde 1898 in den USA gegründet und hat seit seiner Gründung schon über zwei Milliarden Gratis-Bibeln verteilt.
Die Bibel könne «gerade in der heutigen Zeit in unserer zum Teil orientierungslosen und hektischen Welt für uns Menschen sehr hilfreich sein», schrieb der Verfasser des Schreibens, Urs Ackermann von Gideons Basel. Ackermann fügte an: «Wir sind überzeugt, dass viele Schülerinnen und Schüler Ihrer Schule unser Angebot gerne annehmen werden. Wiederholt haben wir dies bei ähnlichen Verteilungen erfahren.»
Irritationen und Verunsicherung
Tatsächlich sind die Bibelverteiler nicht nur beim Wirtschaftsgymnasium und der WMS aktiv – so wie am Mittwoch, als um die Mittagszeit laut Augenzeugen ein älterer Herr mit einem Sack voller Bücher «direkt auf dem Trottoir vor dem Schulhaus» auftauchte.
Peter Wittwer, Sprecher des Erziehungsdepartements (ED), sagt: «Wir hatten im Zusammenhang mit den aktuellen Verteilaktivitäten der Gideons im Umfeld der Basler Schulen diverse Anfragen von Schulen.» Und diese Verteilaktionen direkt vor den Eingängen hätten «vor dem Hintergrund der intensiven medialen Berichterstattung im Zusammenhang mit Verteilaktionen von religiösen Schriften in der Schweiz und in Deutschland», so Wittwer, «verständlicherweise eine gewisse Verunsicherung» ausgelöst.
Kathrin Urscheler, Lehrerin an der Wirtschaftsmittelschule (WMS) und am Wirtschaftsgymnasium Basel-Stadt, sagt, die Ankündigung der Aktion hätte einige Lehrpersonen «irritiert». Sie findet, eine Bibel-Verteilung habe an einer laizistischen Schule «mit Konfessionslosen, mit Christinnen und Christen, mit Musliminnen, Muslimen und vielen tamilischen, christlich-orthodoxen und jüdischen Jugendlichen nichts verloren». Deshalb habe sie bei der Schulleitung auch angeregt, dass wenigstens versucht werde, etwas gegen die Aktionen vom Mittwoch und Donnerstag zu unternehmen. Doch das sei nicht geschehen.
«Man stelle sich vor, was es für einen Aufschrei geben würde, wenn es sich nicht um die Bibel handeln würde, sondern um den Koran.»
Auch eine Intervention der Schulleitung hätte nichts gebracht. Am Gymnasium Leonhard habe man es versucht, sagt Lehrer Georg Geiger – aber weil die Aktion auf der Allmend stattfinde, könne man nichts tun. Geiger: «Mich befremdet diese Aktion. Ich finde es in Ordnung, wenn religiöse Schriften auf der Allmend verteilt werden, aber nicht vor Schulen. Man stelle sich vor, was es für einen Aufschrei geben würde, wenn es sich nicht um die Bibel handeln würde, sondern um den Koran.»
Die Beschwerde des Rektorats blieb erfolglos: Man habe ihm erklärt, es gebe keine Möglichkeit, die Verteilaktion zu verbieten. Tatsächlich ist Missionieren – auf der Allmend – Teil der Religionsfreiheit: Es ist erlaubt, Menschen anzusprechen, Flyer zu verteilen oder religiöse Schriften zu verbreiten – unter Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Verboten ist etwa das Abschneiden des Weges oder das Bedrängen.
«Wir geben die Bibeln ja nur ab»
«Wir haben den Schulen mitgeteilt, dass die Verteilung von religiösen Schriften auf dem Allmendareal zulässig ist, Verteilungen in den Schulen selbst nicht erlaubt sind», sagt ED-Sprecher Wittwer. «Das ED wird den Dialog mit den Verantwortlichen von Gideons suchen und auf die in der Kantonsverfassung verankerte konfessionelle Neutralität der Schulen hinweisen, mit dem Ziel keine weitere Verunsicherung auszulösen.»
Urs Ackermann von den Gideons Basel sieht «kein Problem» mit der Präsenz vor den Schulen. «Wir wollen ja an die Schüler herankommen», sagt er. Man sei «nicht aufdringlich» und halte sich strikt an alle gesetzlichen Regeln, versichert Ackermann, und es gehe nur um Schüler, die älter als 13 Jahre alt seien.
«Wir geben die Bibeln ja nur ab», sagt Ackermann. Für die Forderungen, dies vor Schulen nicht zu tun, hat er nichts übrig: «Es gibt immer Stimmen, die dagegen sind. Das gehört zu unseren menschlichen Problemen, die wir uns selber machen», sagt er. Er beklagt, es werde «immer schwieriger, das Wort zu verteilen», doch er werde nicht aufhören: «Wir machen weiter, und vorläufig sind wir noch ein christliches Land.»