Für den abtretenden FDP-Ständerat Rolf Büttiker (SO) gibt es nur einen gangbaren Weg bei den Bundesratswahlen: Die Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf und das Versprechen an die SVP, der Partei bei der nächsten Vakanz einen Sitz zu gewähren.
Herr Büttiker, sind Sie froh, bei diesen Bundesratswahlen nicht mehr dabei sein zu müssen?
Nein, das hätte mir nichts ausgemacht. Die Diskussionen vor der Wahl gehören zum Ritual.
Die Diskussionen drehen sich bei dieser Wahl hauptsächlich um die FDP. Für Ihre Partei sind diese Wahlen speziell schwierig.
Das ist nicht gesagt. Schon bei den Wahlen von Herrn Burkhalter und Herrn Schneider-Ammann hat es nicht gut ausgesehen für die FDP.
Es besteht die realistische Möglichkeit, dass die SVP auf Kosten der FDP einen zweiten Sitz erhält.
Das ist noch nicht gesagt. Bei Bundesratswahlen wählt die Bundesversammlung Köpfe und nicht Parteien. Solange es keine Köpfe gibt, die man beurteilen kann, ist die Situation schwierig abzuschätzen. Was man heute schon sagen kann: Bei der SVP haben schon einige Cracks abgesagt. Das deutet nicht unbedingt darauf hin, dass sie den Sitz unter allen Umständen holen will.
Sie denken, die SVP will gar nicht?
Sie werden es probieren, aber es wird schwierig werden. Nach den neuesten Verlautbarungen will man ja anscheinend vor allem auf den Sitz von Eveline Widmer-Schlumpf los. Aber wie chancenreich das ist, kann man erst sagen, wenn die Partei einen Kandidaten präsentiert.
Ein Angriff auf die FDP ist durchaus möglich. Sie müssen ein Päckli schnüren – entweder mit der SVP oder der Mitte – sonst ist einer der beiden Sitze weg.
Ich frage mich ganz grundsätzlich, ob die Bevölkerung die Abwahl eines Bundesrats versteht. In den vergangenen Jahren gab es Bundesrats-Abschüsse unterschiedlichster Art. Ich frage mich: Hat sich das gelohnt? War es gescheit? Hat es unsere politische Kultur gefördert? Hat es die Schweiz weiter gebracht? Waren die Abwahlen, die wir fabrizierten, zukunftsgerichtet? Ich glaube nicht.
Dennoch wird es für Ihren Bundesrat Johann Schneider-Ammann eng. Eine Abwahl liegt im Bereich des Möglichen.
Man muss in diesem Fall immer auch das persönliche Schicksal berücksichtigen. Eine Abwahl trifft nicht nur den Menschen, sie trifft die Partei, die Region, das Umfeld, alles! Und eine Abwahl beinhaltet immer auch eine menschliche Tragik.
Seit Ruth Metzlers Abwahl 2003 muss doch jedem Bundesrat bewusst sein, dass er sein Amt nicht auf Lebzeiten erhält.
Das ist schon so. Für eine Abwahl muss es aber immer auch einen trifftigen Grund geben. Bei Didier Burkhalter gibt es keinen objektiven Grund. Johann Schneider-Ammann hat ein schweres Jahr hinter sich mit der ganzen Franken-Problematik. Aber ich bin überzeugt: Die Leute würden einen Abschuss von Schneider-Ammann nicht goutieren.
Im Ernst? Eine wirklich gute Figur macht Schneider-Ammann nicht.
Dennoch würden es die Menschen nicht verstehen, wenn man ihn angreifen und vernichten würde. Wenn wir dazu übergehen, jede Periode zwei Bundesräte abzuschiessen, dann wird es problematisch.
Wenn ich Sie richtig verstehe, soll alles beim Alten bleiben – und die SVP weiterhin nur einen Sitz behalten. Das widerspricht dem FDP-Verständnis der Konkordanz.
Für mich bedeutet Konkordanz, dass die drei grössten Parteien zwei Sitze im Bundesrat halten, die viertgrösste einen. Die Wahl von Frau Widmer-Schlumpf war ein Spezialfall. Sie war SVP-Regierungsrätin, sie wurde als SVP-Bundesrätin gewählt, aus der Partei geworfen und sitzt heute aber als Vertreterin der BDP in der Regierung. Das macht die Konkordanz-Frage schwierig. Ich würde die Sache nun so laufen lassen, aber nicht für ewig. Spätestens bei einer Vakanz müsste das korrigiert werden – aber noch nicht jetzt. Am besten wäre es, der SVP heute verbindliche Versprechungen auf einen zweiten Sitz zu machen. Ewig können wir sie nicht aus dem Bundesrat heraushalten. Aber solange amtierende Bundesräte im Amt sind, solange sollten wir die Konkordanz-Frage nicht korrigieren.
Auch mit zwei Bundesräten hat die FDP einen schweren Stand. Was muss die Partei unternehmen, um eine Zukunft zu haben?
Sie muss griffiger politisieren, sie muss klarer darstellen, für was sie steht. Sie muss sich nach links und rechts abgrenzen. Sie muss wieder einen eigenständigen Stil finden, eigenständige Positionen erarbeiten und diese konsequent durchziehen. Und sie muss ihre Positionen so darstellen, dass das Volk diese versteht. Ohne Populismus zu betreiben, muss die FDP näher zum Volk! Und es gibt durchaus Hoffnungsträger – ich denke besonders an Karin Keller-Sutter, die neugewählte Ständerätin in St. Gallen.
Was für eine Rolle werden Sie künftig einnehmen?
Keine mehr! Der Hahn ist vom Miststock und wieder ein ganz normaler Bürger.
Quellen
Der «Bruderkampf» in der Solothurner FDP in einem Text des Bieler Tagblatts.
Rolf Büttiker auf der offiziellen Parlamentsseite.
Rolf Büttiker bei Wikipedia.