Fatime Aliti (19) ist hier geboren und aufgewachsen, fühlt sich jedoch der albanischen Kultur viel näher als der schweizerischen. Einen Schweizer zu heiraten, kommt für sie nicht in Frage.
Fatime Aliti wohnt zusammen mit ihren Eltern und drei jüngeren Brüdern in Münchenstein. Die 21-jährige Schwester ist bereits verheiratet und vor sieben Monaten Mutter geworden. Fatime und ihre Geschwister sind hier geboren und aufgewachsen.
Ihre Eltern kamen vor rund 22 Jahren in die Schweiz. Der Vater arbeitet als Gärtner, die Mutter steuert als Reinigungskraft noch etwas zum Familieneinkommen bei; ansonsten ist sie zu Hause, macht den Haushalt, schaut zu den Kindern. Fatime macht eine Lehre als Detailhandelsangestellte, im Sommer ist sie fertig damit. Wie es dann beruflich weitergeht, weiss sie noch nicht genau. Am liebsten würde sie mit Kindern arbeiten, das habe ihr immer schon gefallen. Mal sehen.
Klar ist jedoch, dass sie wie ihre Schwester eines Tages heiraten und Kinder haben wird. Und zwar mit einem albanischen Mann, «alles andere wäre eine Schande», sagt Fatime. Das sei nun mal so in ihrer Kultur, die sei halt strenger als die schweizerische. Denn: Auch wenn sie hier geboren und aufgewachsen ist, «ich fühle mich als Albanerin».
Und Heimat ist der Kosovo? «Heimat», sagt Fatime, «ist da, wo man sich wohlfühlt.» Sie fühle sich schon wohl hier, also sei die Schweiz auch ein bisschen ihre Heimat. «Aber wenn ich im Kosovo bin, ich weiss nicht genau weshalb, dann fühle ich mich richtig zu Hause.»
Unumstössliche Regeln
Dort, im Kreis ihrer Verwandten – Tanten, Onkel, Grossmutter – ist ihr nichts fremd. Die herrschenden Regeln sind dieselben, die ihre Eltern aufstellen und die für Fatime unumstösslich sind. Sich in einen Schweizer verlieben? «Geht gar nicht», sagt sie. Das müsse man halt ein bisschen steuern. Nicht etwa, dass ihre Eltern ihr einen Mann aussuchen würden, nein, nein. Ihr Vater habe gesagt, sie solle selber ihren Zukünftigen kennenlernen.
So verkehrt Fatime halt, wenn sie in den Ausgang geht, hauptsächlich an Orten, wo andere Albaner sind. Zum Beispiel im «Rinora 4» in Zürich, einer Albanerdisco. Fatime lacht – wenn sie dort sei, machten sich ihre Eltern viel weniger Sorgen, als wenn sie irgendwo in Basel im Ausgang sei. «Obwohl Zürich doch viel weiter weg ist.»
Ja, manchmal versteht sie ihre Eltern nicht so ganz, aber das ist ja normal. «Das geht allen Jungen so.» Deswegen von zu Hause auszuziehen, käme für Fatime jedoch nicht infrage. Niemals. Zum einen «zieht man bei uns erst aus, wenn man heiratet», aber vor allem ist «die Familie das Wichtigste für uns». Sich gegen sie zu stellen, ist für Fatime kein Thema.
Einen Mann, der mithilft
Weshalb manche junge Albaner Ärger machen, kann sie nicht verstehen. Vielleicht, meint sie, weil sie als Kinder zu oft sich selber überlassen seien, wenn beide Elternteile arbeiten. «Manche werden aber auch einfach verwöhnt.» Die Generation ihrer Eltern hätte für alles kämpfen müssen, hart erarbeiten, «und heute ist für viele Jungen alles selbstverständlich».
So einen möchte Fatime nie zum Mann haben. Schon einen albanischen, «aber nicht einen, der sagt, mach dies und das, du bist die Frau». Sie möchte einen, der mithilft, der sie respektiert. Fest steht für Fatime ebenso, dass sie auch als Ehefrau berufstätig bliebe, schliesslich hat sie eine Ausbildung. Im Kosovo wäre das anders, dort bleiben die Frauen zu Hause, sagt sie. «Aber ich lebe ja hier, hier ist das anders.»
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 17.02.12