Fehler im System

Bei den BVB hat die politische Kontrolle versagt. Blinde Flecken gibt es auch bei anderen staatsnahen Betrieben in Basel.

Missbrauchsgefahr: In Basel fehlt bei vielen staatsnahen Betrieben die nötige Kontrolle. (Bild: Anthony Bertschi)

Bei den BVB hat die politische Kontrolle versagt. Blinde Flecken gibt es auch bei anderen staatsnahen Betrieben in Basel.

Ein staatsnaher Betrieb ausser Rand und Band: Aufträge gehen unter der Hand weg, der Direktor und sein Vize lassen sich ungerechtfertigt Überstunden auszahlen, Mitarbeitende werden gemobbt.

Die BVB-Spitze hat sich in den vergangenen Jahren herrisch verhalten und den öffentlich-rechtlichen Betrieb zum Selbstbedienungsladen gemacht. Diese Affäre wirft ein schlechtes Licht auf die Kontrollgremien. Versagt haben alle – der Verwaltungsrat, Regierungsrat Hans-Peter Wessels (SP) und auch der Grosse Rat, dem nichts anderes übrig bleibt, als die laufend neuen Enthüllungen ohnmächtig zur Kenntnis zu nehmen.

Die Geschehnisse bei den BVB, die 2006 von der Basler Verwaltung ausgelagert wurden, nehmen in diesen Tagen einen prominenten Platz in der Berichterstattung der regionalen und teilweise auch nationalen Medien ein. Doch auch bei den kürzlich verselbständigten IWB, den Spitälern und der Kantonalbank gibt es Probleme. Und überall stellt sich dieselbe Frage: Warum funktioniert die Kontrolle nicht, obwohl die Zuständigkeiten eigentlich klar wären? Die Politik müsste zum Rechten schauen, sobald bei den so wichtigen Dienstleistern etwas schief läuft.

Einfache Antwort: Weil vor allem das Parlament nur sehr wenige Informationen hat – und offenbar schon gar keine Möglichkeit, frühzeitig zu handeln.

Kompetenzen nicht geregelt

SVP-Grossrat Joël Thüring bereut die Auslagerung der BVB und der IWB trotzdem nicht. Doch auch er, der überzeugte Liberalisierer, sagt: «Diese Betriebe unternehmen momentan alles dafür, dass man der Ansicht sein kann, sie hätten nicht verselbständigt werden sollen. Umso bedenklicher, dass es für das Parlament so schwierig ist, die offenbar nötige Oberaufsicht über die staatsnahen Betriebe wahrzunehmen.»

Thüring glaubt auch den Grund für diese Machtlosigkeit zu kennen: Der Grosse Rat habe es bei den Ausla­gerungen der BVB und den IWB verpasst, sich ein geeignetes Über­wachungsinstrument zu geben. «Es reicht eben nicht, Grossräte in den Verwaltungsrat oder in den Bankrat zu schicken, da diese in den entsprechenden Gremien der Geheimhaltungspflicht unterstehen.»

Es sei zudem versäumt worden, die Zuständigkeit der Regierung und des Grossen Rates richtig zu klären. Nach Ansicht von Thüring wäre es darum sinnvoll, wenn das Basler Parlament nach dem Zürcher Vorbild eine Spezialkommission schaffen würde, die sich nur um die Aufsicht der staats­nahen Firmen kümmern könnte.

Eine bessere Kontrolle, das ist auch das Ziel des Basta-Grossrates Urs Müller, der von Anfang an gegen die Auslagerungen war – aus Angst vor Zuständen, wie sie nun bei den BVB tatsächlich herrschen. Nun fühlt er sich bestätigt: «Dass die Betriebe mehr unternehmerische Freiheiten haben, führt zur Gefahr, dass eine neue Selbstbedienungsmentalität entsteht und immer grösser wird.»

Darum ist er für einmal sogar gleicher Meinung wie Thüring: dass die Kompetenzen dringend besser geregelt und die Aufsicht verbessert werden müsste – nicht nur bei den BVB, sondern auch bei den IWB, den Spi­tälern und der Kantonalbank. «In den anderen Betrieben ist die Missbrauchsgefahr teilweise sogar noch erheblich grösser als bei den BVB, über die jetzt alle reden», sagt Müller.

Das «System SP» nährt viele

Damit sich daran etwas ändert, bräuchte es in Basel aber schon fast eine kleine Revolution. Müller spricht in diesem Zusammenhang von einem «System SP» und einem «System ­Basel», in das alle wichtigen Kräfte ­irgendwie eingebunden werden. Schlüsselstellen überlässt die SP dabei gerne auch einflussreichen Bürgerlichen. So sichert man sich die Macht in Basel: indem man sie teilt. Divide et impera, mal anders, auf die eher vornehme Art. Man kann es sich ja leisten in Basel.

Die fast schon perfekte Form für diese grosse Koalition sind die Dienstleistungsbetriebe, die privatisiert und doch noch immer staatlich sind. Oder politisch ausgedrückt: Betriebe, die vom Konzept her ebenso links wie rechts sind, baslerisch eben.

Es ist ein System, das viele nährt. Und sie alle profitieren gerne, reden aber lieber nicht darüber. Das gilt zum Beispiel auch für SP-Nationalrat Beat Jans, dem in Bern als einem der wenigen Vertreter aus der Region eine grosse Karriere zugetraut wird. In ­Basel hat Jans zwar den Grossen Rat verlassen, im IWB-Verwaltungsrat ist er aber noch immer. Er sagt: «Ich glaube nicht, dass die Verwaltungs­räte von staatsnahen Betrieben grös­sere Probleme haben als diejenigen von privaten Firmen. Bei den Privaten werden die Probleme einfach nicht ­öffentlich.»

Ähnliche Vorkommnisse wie bei den BVB würden dort einfach vertuscht. Und dann sagt der sonst so kritische Jans etwas, was aus seinem Mund doch eher seltsam klingt: «Wir müssen aufpassen; Ich finde es richtig, dass die staatsnahen Betriebe dem Öffentlichkeitsprinzip unterstellt sind. Aber es ist nicht richtig, dass sie deshalb strenger beurteilt werden.»

Keiner ist verantwortlich

Bloss keine übertriebene Aufregung jetzt. Bloss nicht allzu viel verändern. Diese Haltung vertritt auch ein anderer Politiker, der mit dem System «Basel» zumindest bis vor Kurzem bestens zurechtkam: der CVP-Nationalrat Markus Lehmann, der von der Basler Kantonalbank und ihrer Tochter, der Bank Coop, neben den 80 000 Franken VR-Honorar pro Jahr durchschnittlich 40 000 Franken Beratungshonorare kassierte (zwischen 2009 und 2012).

«Das ist unglaublich», sagt Basta-Grossrat Urs Müller dazu. «Ein Bankrat müsste sich um die Interessen der Bank kümmern und nicht um seine eigenen.» Darum verlangt seine Partei nun Lehmanns Rücktritt. Doch der viel beschäftigte CVP-Politiker denkt nicht daran und will erst 2016 nach Abschluss der laufenden Amtsperiode den Bankrat verlassen. «Das war schon immer so vorgesehen», sagt er.

«Die ganze Aufregung ist doch ­völlig überzeichnet und schlechter ­politischer Stil», sagt Lehmann. Die Wirtschaft lebe von Beziehungen, vom gemeinsamen Knowhow: «Das ist es, was die Schweiz erfolgreich macht.» Auch die Kantonalbank habe von seinem doppelten Engagement nur profitiert. «Ich konnte sehr erfolgreich zugunsten der Bank arbeiten – und das wohl auch, weil ich das Unternehmen und seine Bedürfnissse sehr gut kenne», sagt Lehmann.

Ausgerechnet er, der in der Ver­gangenheit bei anderen Betrieben ganz genau hinsah. Der IWB machte er mehrfach den Vorwurf, beim Ausbau des Glasfasernetzes viele Mil­lionen Franken im Boden verlocht zu haben. Und zumindest in diesem Zusammenhang sprach auch er von mangelnder Aufsicht. «Das Ganze ist eine Frage der Verantwortlichkeit.» Bei den staatsnahen Betrieben seien alle ein bisschen verantwortlich – und damit niemand wirklich.

Kontrolle – ja gerne. Aber nur ­solange nicht der eigene Vorteil in ­Gefahr ist. Solange die Politiker so denken, wird das System Basel weiterleben, egal wie gross die Aufregung im Moment ist.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 20.12.13

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