Der Sexclub an der Amerbachstrasse erhält vor dem Basler Appellationsgericht teilweise recht. Nach einem Augenschein vor Ort hat das Gericht entschieden, eine neue Bewilligung sei nötig, bezeichnet jedoch eine sofortige Schliessung als unverhältnismässig.
Ortstermin am Freitagmorgen früh: Eine rund fünfzehnköpfige Delegation des Appellationsgerichtes ist zu Besuch im FKK-Club. Gerichtspräsident Stephan Wullschleger eröffnet draussen auf der Amerbachstrasse den ersten Teil der Verhandlung, den sogenannten Augenschein vor Ort.
Gegenstand der Verhandlung ist eine Verfügung die das Bau- und Gastgewerbeinspektorat (BGI) gegen die Betreibergesellschaft des «FKK Saunaclub Basel» erlassen hat. Gemäss dieser Verfügung vom August 2012 sollte die «MS Marketing AG» den Club per sofort schliessen, da eine «unbewilligte Umnutzung» vorliege. Laut der aktuell geltenden Bewilligung wird im Hinterhaus der Amerbachstrasse 45 nämlich ein Fitnessclub betrieben.
Tatsächlich jedoch handelt es sich beim FKK-Club um einen Sexbetrieb. Sowohl die männlichen Kunden als auch die Frauen bezahlen Eintritt. Daraus und aus den Konsumationen an der Bar setzt sich der Umsatz der MS zusammen. Einkünfte welche eine Frau mit ihren sexuellen Dienstleistungen in den Räumen des Clubs erzielt, gehen vollumfänglich an die Sexarbeiterin.
Auf diese Diskrepanz zwischen bewilligter und tatsächlicher Nutzung bezieht sich das BGI in seiner Verfügung und forderte folglich ein neues Baugesuch ein, aus welchem die tatsächliche Nutzung hervorgeht.
Der Club ist noch immer offen, obwohl die sofortige Schliessung verfügt wurde.
Die MS hat gegen diese Verfügung schon zweimal Rekurs eingelegt und aufschiebende Wirkung beantragt, weshalb der Club noch immer offen ist. Nach der Baurekurskommission ist das Appellationsgericht nun bereits die zweite Instanz die über den Fall urteilen muss.
Die gerichtliche Exkursion hat sich inzwischen in die Räume des Clubs vorgewagt, wohl etwas overdressed. Das Licht ist schummrig, an den Wänden hängen grosse Bilder von Frauen mit goldenen Gewändern die wohl Göttinnen darstellen sollen. Es riecht nach Schwimmbad. Ein Gang führt vorbei an mehreren Türen zum Saunabereich mit grosszügigem Whirlpool und Spiegelwand. Die Türen sind alle beschriftet, «Afrika 1» steht da beispielsweise, oder «Asien».
Bei den so exotisch titulierten Zimmern handelt es sich um die Fitnessräume. Im Afrika-Zimmer steht ein Bett mit Zebramuster, das asiatische Gemach schmücken ein paar Bambusrohre. Früher standen hier, gemäss den Aussagen des Anwalts der MS, auch noch Fitnessgeräte; ein Hometrainer etwa oder ein Satz Hanteln. Inzwischen hat man diese Sport-Staffage weggeräumt.
Sexbetrieb wurde von den Behörden jahrelang toleriert
Die drei Vertreter der MS machen kein Hehl daraus, dass der FKK-Club ein Sexbetrieb ist. Ihre Argumentation lautet, dass sich die Nutzung seit der erteilten Bewilligung nie verändert habe. Die Behörden hätten ganz genau um das Geschehen in den Räumen gewusst, dieses also über mehrere Jahre toleriert. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, dass nun plötzlich ein neues Baugesuch nötig sei. In den Augen der MS ist überdies die geforderte sofortige Schliessung aus den gleichen Gründen unverhältnismässig.
Im zweiten Stock des FKK-Clubs befinden sich eine Bar, eine Lounge, ein Kino, eine Stange zum Tanzen und noch weitere Fitnessräume. Letztere sind im Obergeschoss weniger exotisch betitelt. Wer den Berg rufen hört, kommt beispielsweise in der «Almhütte» auf seine Kosten. Etwas spielerischer ist der Zugang im rotblauen FCB-Zimmer, wo die Kissen aussehen wie kleine Fussbälle und entsprechende Sportmagazine intellektuelle Stimulanz versprechen.
Szenewechsel: Im Gerichtssaal sind die Lichtverhältnisse deutlich besser, die Sitzgelegenheiten härter und die Stimmung insgesamt strenger. Andreas Noll, der die MS vor Gericht vertritt, hält sein Plädoyer. Neben den bereits erwähnten Argumenten – dass es sich keinesfalls um eine Umnutzung handeln könne, da sich das Geschehen in «Afrika 1», «Almhütte» und so weiter nie geändert habe – geht Noll auf die Probleme mit der Nachbarschaft ein.
Dem FKK-Club brandete nämlich erheblicher Widerstand von Seiten der Anwohner entgegen, diese fühlen sich von einem Sexbetrieb in ihrer nächsten Umgebung gestört und reichten eine Petition ein. Ausserdem hat die Basler Regierung im letzen Mai einen Anzug der SP-Grossrätin Ursula Metzger beantwortet, der sich ebenfalls auf den Fall bezog.
Von einem Sexbetrieb können sogenannte ideele Immissionen ausgehen, sagt ein wegweisender Entscheid des Bundesgerichtes.
Ein Sexbetrieb kann, so wie jeder andere Betrieb, bestimmte Immissionen verursachen, zum Beispiel Lärm oder ein höheres Verkehrsaufkommen durch Freier, die mit dem Auto anreisen. Daneben gibt es aber auch die sogenannten ideellen Immissionen. So hat das Bundesgericht unlängst entschieden, dass durch einen Sexbetrieb die Wohnqualität in einem Quartier beeinträchtigt werden kann. Die Frage, ob ein Betrieb Immissionen verursacht ist ausschlaggebend dafür, ob dieser eine Bewilligung braucht. Denn erst wenn einem Nachbarn eines solchen Betriebes durch denselben Nachteile entstehen könnten, muss ihm die Möglichkeit gegeben werden, gegen ein Baugesuch Einsprache zu erheben.
Genau das war aber nach Ansicht der Baurekurskommission beim FKK-Club nicht der Fall, da dieser als Fitnessclub ausgeschrieben war. Die Anwohner konnten folglich nicht wissen, dass sie von diesem Betrieb auch die erwähnten «ideellen» Immissionen zu erwarten haben.
Vor diesem Hintergrund ist die argumentative Stossrichtung der BRK zu verstehen, wenn sie als wichtigstes Rechtsgut den «Schutz Dritter» geltend macht. Sie will den Anwohnern der Amerbachstrasse nachträglich die Möglichkeit zur Einsprache geben und verlangt deshalb, dass die MS ein neues Baugesuch eingeben muss. Aus diesem Gesuch solle dann die tatsächliche Nutzung hervorgehen. Die Vertreterin der BRK plädiert folglich auf eine Bestätigung ihres Entscheides.
Das Urteil fällt nach zweistündiger Beratung
In seinem Plädoyer führt Noll weiter aus, dass der behördliche Sinneswandel nicht nachvollziehbar sei. Jahrelang hätten alle von einem «Fitnessclub» gesprochen, aber implizit einen Sexbetrieb gemeint. Daraus leitet er eine Gefährdung der Rechtssicherheit ab, weil nun plötzlich nicht mehr gelte, was lange galt. Die MS habe im Vertrauen darauf, dass man sich auf die Aussagen der verschiedenen Behördenvertreter verlassen könne, unternehmerische Entscheide getroffen und Geld investiert.
Nach rund zweistündiger Beratung teilt das Gericht um Präsident Wullschleger sein Urteil mit. Die MS erhält Recht in einer Nebensache. Die Rekurrenten atmen hörbar auf und werden das Urteil später auf den Gängen des Gerichtsgebäudes als «recht gut» bezeichnen. Das Appellationsgericht schliesst sich der Einschätzung an, dass die von der BGI verfügte sofortige Schliessung nicht verhältnismässig sei. Nachdem ein bestimmter Zustand eine gewisse Zeit toleriert worden sei, könne man nicht auf einmal Dringlichkeit geltend machen. Dem betroffenen Betrieb müsse ausreichend Zeit eingeräumt werden, einen rechtmässigen Zustand herzustellen.
Gericht rüffelt Bewilligungsbehörden
In der Hauptsache allerdings, der Feststellung einer unbewilligten Umnutzung, gibt das Gericht den Vorinstanzen Recht. Da aus der aktuellen Bewilligung nicht hervorgehe, dass es sich beim FKK-Club um einen Sexbetrieb handle, müsse die MS ein neues Baugesuch einreichen. Die betroffenen Anwohner haben dann die Möglichkeit, dagegen Einsprache zu erheben. Alle die Fragen nach möglichen materiellen und ideellen Immissionen seien in einem separaten Bewilligungsverfahren zu prüfen und deshalb nicht Gegenstand dieser Verhandlung.
Weiter rügt Wullschleger die involvierten Behörden und schliesst sich damit der Einschätzung von Andreas Noll an. Er bezeichnet die Bewilligungspraxis als «vage und ambivalent», diese müsse überdacht und konsequent transparent ausgestaltet werden.
Beim Verlassen des Gerichtssaals zeigen sich die Vertreter der MS einigermassen erleichtert. Sie fühlen sich insbesondere von der richterlichen Rüge an die Adresse der Behörden bestätigt. Nun werde man prüfen wie man weiter vorgehe, sagt Noll. «Unser Anliegen ist es, den Saunaclub auf legaler Basis weiter zu betreiben.» Hierzu sei man mit dem so eben ergangenen Urteil ermutigt worden.