Man nehme ein traditionelles Weihnachtsgericht und viele unterschiedliche Leute, die es nicht leicht haben im Leben: ein etwas anderer Weihnachtsabend im «Treffpunkt Glaibasel».
Das Team des «Treffpunkt Glaibasel» deklariert die halb-aufgetauten Fleischröllchen auf dem Buffetwagen in Sonntagsschrift nach Tierart. In der Küche warten Beilagen wie Kartoffeln und Reis. Und während die Rechauds unter den Caquelons angezündet werden, wartet vor dem Eingang an der Feldbergstrasse 148 schon ein gutes Dutzend Leute. Ein paar Mal klingelt es, die Wartenden werden aber vertröstet: Es geht erst um 18 Uhr los. Zwei der Gäste haben es trotzdem schon früher ins Innere geschafft, einer raucht auf dem Balkon, der andere – mit Abstand der jüngste, wie sich später herausstellt – unterhält das ganze Team während dessen Vorbereitungen mit seiner sehr theatralischen Imitation eines Marco-Rima-Sketches.
Warten auf den Festschmaus: Die Gäste vom Treffpunkt Glaibasel können ihn kaum erwarten. (Bild: Alexander Preobrajenski)
«Es kommen sehr unterschiedliche Leute», erzählt Hüseyin Haskaya, Stellenleiter des Treffpunkts in einer ruhigen Minute. Gegründet wurde der Verein 1976 ursprünglich als Treffpunkt für Arbeitslose. Genauso lange findet das traditionelle Weihnachtsessen schon statt. Nur die Kundschaft des Vereins ist im Laufe der Zeit heterogener geworden: Randständige und armutsbetroffene Personen mit den unterschiedlichsten Schicksalen verbringen ihre Zeit im Treffpunkt. Alle kommen freiwillig, das ist Haskaya wichtig. «Wir helfen, wo wir können. Aber den ersten Schritt müssen sie machen.» Angebote wie der Coiffeur-Service «Cut & Go» oder die medizinische Sprechstunde würden nebst der täglichen Gratis-Mittagssuppe rege genutzt.
Ein Ort voller Geschichten
Als die Türen dann endlich aufgehen, ist es schnell sehr eng im kleinen Eingangsbereich und den beiden Esszimmern. Jeder wird herzlich begrüsst, Praktikant Alex muss nicht nach den Namen der Eingetroffenen fragen, die er nach und nach von der Liste streicht. Er kennt sie alle. Knapp 50 Leute haben sich für das Weihnachtsessen angemeldet und die sind – die abnehmende Bewegungsfreiheit beweist es – kurz nach Türöffnung auch alle da. Die Stimmung ist locker und entspannt, die meisten kennen einander und setzen sich plaudernd an die Tische in den beiden Esszimmern.
Die beiden Freunde kommen schon seit 20 Jahren regelmässig im Treffpunkt vorbei. Angestossen wird aber nur mit Rivella und Co.: Alkohol und sonstige Drogen sind im Treffpunkt Glaibasel strikt verboten. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Gegessen wird aber noch nicht, auf dem Raucherbalkon herrscht dementsprechend Hochbetrieb. Hier zählt der Rima-Imitator die Fristen der BVB auf, nach denen sich der Mahnbetrag jeweils erhöht, wenn man sein vergessenes Billet nicht rechtzeitig zeigen geht. «Es ist wichtig, die Schweizer Gesetze zu kennen», sagt er. «Lange kannte ich nur die der Strasse.» Er erzählt von seiner Jugend und seinem ursprünglichen Plan, nach Rumänien zu gehen, «weil ich dachte, dass es mir da vielleicht besser geht.» Rumänisch habe er sich selbst beigebracht, das Geld für seine Reise wollte er sich illegal beschaffen – das sei aber schief gegangen. Deshalb habe er Sozialstunden leisten müssen. Statt auf der Strasse lebe er nun aber in einem Heim.
«Die meisten kommen nicht wegen des Essens»
Mittlerweile geht es drinnen ans Schöpfen, das Buffet mit dem Fleisch und den Beilagen zum Fondue findet grossen Anklang. «Die meisten kommen nicht wegen des Essens, sondern um dabei zu sein und weil sie die Gemeinschaft schätzen», ist Haskaya überzeugt. Danke sagen falle vielen schwer, sagt er. Das komme oft erst später. «Manchmal auch erst nach einem Jahr. Aber das spielt keine Rolle, wir erwarten das nicht.»
Zum vierzigjährigen Jubiläum gibt es Fondue Chinoise mit allem was dazu gehört. (Bild: Alexander Preobrajenski)
So sehen Haskayas (ganz links) gute Feen aus: Das Team des «Treffpunkt Glaibasel» bestehend aus vielen ehrenamtlichen Mitarbeitenden. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Nicht jeder kann beim Essen richtig zulangen. «Ich konnte fast nichts essen, weil es mir nicht gut geht», erzählt eine warm eingepackte, aber trotzdem sichtbar ausgemergelte Frau. Sie wohne in einer Asylunterkunft, sei krank und müsse bald operiert werden. «Meine Kinder leben im Waisenhaus. Und Weihnachten ist für mich schwierig, weil ich ihnen eigentlich nichts schenken kann.»
Gegen 21 Uhr kommt Aufbruchsstimmung auf. Als sich die letzten Gäste voneinander verabschieden, hört man noch: «Bis am 25. im Union an der Kundi, gäll.» Die sogenannte Kundi (Kundenweihnacht) ist eine der vielen offenen Weihnachtsfeiern, die die sozialen Institutionen der Region anbieten. «Ja, bis dann!» Dann fällt die Tür ins Schloss und das Treffpunkt-Team macht sich ans Aufräumen.