Four to the Floor oder: Die zweite Reihe des Britpop

In Memoriam «Cool Britannia»: Diesen Monat treten mit Stereophonics und Starsailor zwei Nachgeborene des Britop auf. Und erinnern an eine Ära, die vor zwanzig Jahren ihren Zenit erlebte.

Starsailor: Warten seit «Four to the Floor» auf den nächsten Welthit.

In Memoriam «Cool Britannia»: Im Z7 Pratteln treten in diesem Monat mit Stereophonics und Starsailor Nachgeborene des Britop auf. Was uns an eine Ära erinnert, die vor zwanzig Jahren ihren Zenit erlebte.

«This Is England ’90» hiess eine Miniserie, die im vergangenen Monat im britischen Fernsehen lief. Im Zentrum stand eine Handvoll junger Erwachsener, die in den rauen Jahren unter Margaret Thatcher sozialisiert wurden – und die nun, nach dem Ende der Amtszeit der «Eisernen Lady», erleben konnten, wie das graue England der Achtziger Jahre vorüber strich.

Es war nicht erstaunlich, dass die Serie ein Renner war: Denn in den «Nineties» erlebte die Insel eine Renaissance, die bis heute strahlt. Der junge Damien Hirst belebte mit seiner Ausstellung «Freeze» die britische Kunstzene neu, woraus die «Young British Artists» entstanden. Das Fussball-Nationalteam riss an der WM in Italien wieder einmal was und stiess bis ins Halbfinale vor (um dann selbstverständlich gegen Deutschland im Elfmeterschiessen zu scheitern).

Die Erfindung von «Madchester»

Ein aufgemotzter James Bond kehrte mit Karacho zurück. Und in den Clubs brodelte eine neue Musik, inspiriert vom Beat der Sechziger, der Psychedelia der Siebziger, den neuen elektronischen Möglichkeiten und den passenden Drogen der Achtziger. Ausgehend vom legendären Club The Hacienda entwickelte sich in Manchester der britische Acid House und sorgte für ein neues Subgenre – «Madchester», eine Mischung aus Gitarrenmusik und Dance.

Die Happy Mondays und The Stone Roses waren die ersten, die aus der Synthese einen erfolgreichen neuen britischen Pop entwarfen. Sie waren jedoch nur Vorboten jener Welle, die bis Mitte des Jahrzehnts anrollen sollte. 1994 veröffentlichten Blur ihr Album «Parklife» und Oasis ihr Debut «Definitely Maybe» und damit die beiden Alben, die Britpop als Massenphänomen etablierten. 

Sex und Klassenkampf

Ein Jahr später, vor genau zwanzig Jahren, war mit zwei Kolossen der Zenit erreicht. Am 2. Oktober erschien Oasis‘ triumphaler Nachfolger «What’s The Story (Morning Glory)», dessen 22 Millionen verkaufte Exemplare bis heute von keiner anderen britischen Band erreicht wurde. Vier Wochen später, am 30. Oktober 1995, legten Pulp mit «Different Class» das ebenfalls massiv erfolgreiche Komplementärstück vor, das den Zenit des Britpop vervollständigte. Sex und Klassenkampf bildeten die Klammern der griffigen, köstlich ironisch durchtränkten Texte von Sänger Jarvis Cocker, und Pulp lieferten einen Sound dazu, der weniger als Oasis auf die Stadionkurve schielte, sondern feingliedriger, raffinierter, musikalisch vielfältiger gestaltet war.

«Cool Britannia» als gewinnbringender Slogan

Derart breit war das Spektrum, dass der Klammerbegriff «Britpop» keine konkrete Szene mehr umfassen konnte, sondern in jenen Boomjahren, als London zur Megacity der Finanzindustrie aufstieg, sofort kapitalisiert wurde. «Cool Britannia» wurde zu einem Brand, der noch heute gewinnbringend touristisch verwertet wird, musikalisch war 1995 jedoch der Zenit erreicht – das Genre zerfaserte, die Plattenindustrie überflutete den Markt mit allen möglichen Nachahmern, die sie finden konnten.

Grosse Namen wie Blur wandten sich vom Genre ab, um stilistisch neue Wege zu gehen, oder lösten sich auf. Oasis, Pulp – sie sind nicht mehr. Der Dokumentarfilm «Live Forever» aus dem Jahr 2003, der seinen Titel bereits in einer Mischung aus Frühnostalgie und Zynismus trug, versammelte die Heroen von damals noch einmal.

In einer Mischung aus Erstaunen und Erleichterung konnten wir alle zurückschauen: Der Höhenflug war nicht zu halten, aber die Hinterlassenschaft für die britische Musikszene dauert bis heute an.  

Stereophonics und Starsailor kommen nach Pratteln

Nachhören kann man das in diesem Monat in der Pratteler Rockhalle Z7. Innerhalb von zwei Wochen treten dort mit den Stereophonics und Starsailor gleich zwei Bands auf, die im Windschatten von Oasis, Blur und Co. zu ihren Erfolgen kamen.

Starsailor hatten mit einer domestizierteren Form von Britpop um die Jahrtausendwende ein paar Jahre lang respektablen Erfolg, bis sie von der zweiten Generation des Britpop um Franz Ferdinand und The Libertines degradiert wurden. Und die walisischen Stereophonics [https://youtu.be/SzBJQnD7TRM] wurden, Gnade der rechtzeitigen Geburt, quasi ungefragt dem Britpop einverleibt, obwohl ihr Rock stets mehr der amerikanischen Machart verpflichtet war.

Es sollte sich, zumindest in Grossbritannien, für sie lohnen: vor einem Monat erschien ihr neuntes Album «Keep The Village Alive», das wie einige seiner Vorgänger gleich den Spitzenplatz in den britischen Charts einnahm. Ein Königreich vergisst seine Helden nicht so schnell. 

_
Stereophonics: Sa, 17. Oktober, 20 Uhr. Z7, Pratteln.
Starsailor: Mo, 26. Oktober, 19.30 Uhr. Z7, Pratteln.

Nächster Artikel