Nachdem die Baselbieter Regierung ihren Kanton in erhebliche finanzielle Probleme geführt hat, sieht sie keine Alternative mehr zum geschnürten Sparpaket. Mit einem gemeinsamen Auftritt fordern die fünf Regierungsräte das Volk darum eindringlich auf, am 17. Juni ein Ja in die Urne zu legen.
Das Baselbiet muss am 17. Juni unbedingt Ja sagen zu den Entlastungsmassnahmen. Unbedingt!
Das war die Kernbotschaft der regierungsrätlichen Medienkonferenz vom Dienstagmorgen in Liestal. Und wahrscheinlich musste das auch dem Begriffstutzigsten unter den zahlreich erschienenen Journalisten klar sein, nachdem Baudirektorin Sabine Pegoraro (FDP) und Finanzdirektor Adrian Ballmer (FDP) die Bedeutung der Sparmassnahmen beschworen hatten.
Dennoch wiederholten danach auch noch Bildungsdirektor Urs Wüthrich (SP), Sicherheitsdirektor Isaac Reber (Grüne) und Gesundheitsdirektor Peter Zwick (CVP) die Botschaft.
Totschlägerargument Steuererhöhungen
Und für den sehr, sehr unwahrscheinlichen Fall, dass der hinterletzte Medienvertreter jetzt immer noch nichts begriffen hatte, meldete sich nach allen Kollegen auch Ballmer nochmals zu Wort. Mit dem Totschlägerargument. «Ein Nein hätte Steuererhöhungen zur Folge», sagte er, ohne einen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass diese Massnahme für einen aufrechten Bürgerlichen wie ihn ein absolutes Tabu ist.
Lieber streicht der Finanzdirektor und mit ihm die Baselbieter Regierung Stellen und Angebote. Und noch lieber schieben die Regierungsräte die Kosten auf einzelne Bürgerinnen und Bürger oder auf ganze Gemeinden ab.
Insgesamt 185 einzelne Massnahmen sind es, mit denen die Regierung rund 180 Millionen Franken sparen will. Die meisten sind von Regierung und Parlament bereits beschlossen. Das Volk kann am 17. Juni nur noch über jene Massnahmen des Sparpakets befinden, die Gesetzes- oder Verfassungsänderungen zur Folge haben. Zu einem späteren Zeitpunkt wird an der Urne zudem über eine Reihe von Sparmassnahmen im Bildungsbereich entschieden, welche die Gegner mit Initiativen verhindern beziehungsweise rückgängig machen wollen.
Die Liste der Sparmassnahmen
Zuerst einmal wird am 17. Juni nun aber über folgende Sparvorhaben abgestimmt.
> Die Berufsvorbereitungsschule 2 (BVS 2) soll in der bestehenden Form abgeschafft und neu nur noch als einjähriger Kurs angeboten werden – zusammen mit einem bereits bestehenden Brückenangebot SBA plus.
> Die bei der Sonderschulung entstehenden Grundkosten sollen auf Stufe Kindergarten und Primar neu von den Gemeinden und nicht mehr vom Kanton getragen werden.
> Die Beiträge von 2500 Franken für Schüler, die eine Privatschule auf Stufe Kindergarten oder Primar besuchen, sollen ebenfalls von den Gemeinden und nicht mehr vom Kanton übernommen werden.
> Die heute sechs Bezirksgerichte sollen an zwei Standorten (Sissach und Arlesheim) zusammengefasst werden.
> Die Amtsnotariate sollen abgeschafft und durch selbständige Notare ersetzt werden.
> Ebenso sollen die 26 Ämter, die zivilrechtliche Dienstleistungen erbringen, in Arlesheim (Grundbuch-, Erbschaft- und Zivilstandsamt) und Liestal (Betreibungs- und Konkursamt) zusammengezogen werden.
> Bei den Steuern sollen nur noch jene selbst getragenen Krankheitskosten abgezogen werden können, die 5 Prozent des steuerbaren Reineinkommens übertreffen.
> Heimbewohner sollen mit ihrem Vermögen bis zu einer höheren Limite für ihre Lebenskosten aufkommen und damit weniger Ergänzungsleistungen zur AHV und IV beziehen.
> Für den Bezug der Kirchensteuer will der Kanton Baselland künftig eine Provision von 1 Prozent des Kirchensteuerbetrags behalten.
> Die kantonale Steuerverwaltung soll anstatt eingeschriebene Briefe zu verschicken künftig ein neues und gleichwertiges Angebot der Post nutzen: A-Post Plus.
Alles nicht so schlimm?
Diese Massnahmen versprechen Einsparungen von rund 30 Millionen Franken. Zumindest nach Ansicht von Adrian Ballmer tun sie «nicht wirklich weh», wie er sagte. Eine Aussage, die den einzigen Widerspruch an diesem so auf Harmonie bedachten Auftritt der Baselbieter Regierung («Wir sind ein Team») provozierte.
«Einzelne Massnahmen sind unsympathisch, aber leider auch nötig, damit wir wieder Licht am Ende des Tunnels sehen», sagte Urs Wüthrich. Jene Kantonsangestellten, die wegen der Einsparungen ihre Stelle verlieren, werden wahrscheinlich eher Wüthrich recht geben.
Es geht um Milliarden
Vielleicht ist aber auch Wüthrich etwas gar optimistisch, wenn er bereits wieder vom Licht spricht. Denn der Tunnel könnte sich noch als ziemlich lang erweisen. Nach der laufenden Sparübung muss sich die Regierung an die Sanierung der Pensionskasse machen. Und bei dieser Gelegenheit wird es noch um ganz andere Beträge gehen. Milliardenbeträge.
Erst einmal muss sich die Regierung aber für ein Ja am 17. Juni einsetzen. Dagegen wehren sich neuerdings nicht nur Lehrer- und Elternvertreter, sondern auch Politiker, die nichts von einer weiteren Zentralisierung wissen wollen und darum die Reformen im Zivilrechtsbereich ablehnen.
Zumindest eine Hoffnung hat Urs Wüthrich den Gegner bereits am Dienstag genommen. Auf die Frage eines Journalisten, ob die Regierung mit ihrem gemeinsamen Auftritt zum Ausdruck bringen möchte, dass sie mit der Sparvorlage die Vertrauensfrage verbinde, antwortete er: «Auch bei einem Nein werden wir sicher nicht gleich alle zurücktreten.»