SP-Nationalrätin Hildegard Fässler will mit einer Motion eine strengere Reglementierung der Rohstoffbranche erreichen.
Zu tiefe Rohstoffpreise in den Erzeugerländern, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, Korruption. So lauten die wichtigsten Kritikpunkte an der Rohstoffbranche. Welchen haben Sie am ehesten im Visier?
Es geht dabei in erster Linie um die Bekämpfung von Korruption. Dafür braucht es mehr Transparenz: Zahlungen, die nichts mit dem eigentlichen Geschäft zu tun haben, sollen sichtbar gemacht werden. Dabei geht es insbesondere um Zahlungen an Regierungen. Alle Unternehmen sollen gleich lange Spiesse haben und faire Preise für die Rohstoffe und anständige Löhne zahlen.
Kann man mit nationalen Reglementierungen global tätige und derart mobile Unternehmen überhaupt in den Griff kriegen?
Alleingänge bringen tatsächlich wenig. Die Forderung nach einer transparenten Rechnungslegung ist aber keine Schweizer Erfindung. Manche Länder haben sie bereits umgesetzt, in anderen wird sie diskutiert. Die Schweiz als Drehscheibe des Rohstoffhandels muss bei diesen Regulierungen an vorderster Stelle mittun. Sie muss sich in die internationalen Diskussionen einbringen, damit nationale Regelungen zu globalen Standards werden.
Der Bundesrat ortet im Rohstoffhandel ein «Reputationsrisiko» für die Schweiz. Wie hoch schätzen Sie dieses Risiko ein?
Sehr hoch. Negative Vorkommnisse in den Ländern, wo die Rohstoffe abgebaut werden, werden sofort mit der Schweiz assoziiert. Das gilt für Umweltschäden, Dumpinglöhne, Arbeitsunfälle und auch für Korruptionsfälle. Ein, zwei schwarze Schafe reichen aus, um den Ruf der Schweiz zu beschädigen. Ein solcher Vorfall kann negative Auswirkungen auf den gesamten Werkplatz Schweiz haben.
Allfällig betroffene Firmen drohen mit dem Wegzug. Wie gehen Sie damit um?
Wer mit dem Wegzug droht, hat nicht begriffen, dass Regulierungen zum Vorteil der fair operierenden Unternehmen sind. Sie sorgen für Rechtsgleichheit und gleich lange Spiesse im Wettbewerb. Zudem werden sich die Unternehmen die Vorteile des Standortes Schweiz nicht leichtfertig vergeben. Dazu gehören insbesondere die sehr vorteilhaften kantonalen Unternehmenssteuern.
Swissair-Grounding, Holocaust-Gelder, UBS-Fast-Pleite, Steuerstreit: Wie wohl ist Ihnen noch als Schweizer Politikerin?
Mir ist es wohl, denn ich habe die Möglichkeit, mittels parlamentarischer Prozesse die Situation Schritt für Schritt zu verbessern. Dies tue ich auch mit der angesprochenen Motion. Was ich hingegen vermisse, ist ein vorausschauendes Handeln unserer Regierung. Sie handelt immer erst, wenn etwas passiert ist.
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Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 19.10.12