Ganz legale Vetternwirtschaft

In Paris fällt das letzte Tabu des Politbetriebs: Frankreichs Parlamentarier müssen ab sofort deklarieren, wen sie als Berater eingestellt haben. Viele beschäftigen ihre engsten Angehörigen.

Nepotismus à la française: Parlamentspräsident Claude Bartolone mit Gattin Véronique, die er eigenhändig als «assistante parlamentaire» eingestellt hat. (Bild: Reuters)

In Paris fällt das letzte Tabu des Politbetriebs: Frankreichs Parlamentarier müssen ab sofort deklarieren, wen sie als Berater eingestellt haben. Viele beschäftigen ihre engsten Angehörigen.

Wer in Frankreich einen Parlamentssitz erobert, nimmt als Berater gerne Kind und Kegel in die ehrwürdige Nationalversammlung mit. So das Fazit einer Auswertung durch das Pariser Onlineportal Mediapart. Demnach beschäftigen 115 von 577 Abgeordneten Familienmitglieder in ihrem Beraterstab. Im Unterschied zu anderen Volksversammlungen wie etwa dem Europaparlament ist diese Form von Vetternwirtschaft in Paris keineswegs verboten.

Ein neues «Moralisierungsgesetz» der sozialistischen Regierung verpflichtet die Abgeordneten immerhin zur Offenlegung ihres Vermögens. Zur politischen Transparenz gehört seit Ende Juli auch die Verwendung jener 9504 Euro, die alle Deputierten vom Staat monatlich für ihren Beraterstab erhalten. Und siehe da, ein Fünftel der Parlamentarier beschäftigt Familienangehörige.

Mit einigem Sarkasmus wird in Frankreich registriert, dass gute Berater offenbar nicht alle eine Politeliteschule wie «Sciences Po» absolviert haben müssen.

Unter den 115 Fällen sind laut Mediapart 52 Ehepartner, 28 Söhne und 32 Töchter; dazu kommen einige Cousins, Nichten und Neffen. Und dabei handelt es keineswegs um Hinterbänkler: Sogar der Parlamentspräsident Claude Bartolone hat seine Gattin Véronique als «assistante parlamentaire» angestellt.

Mit einigem Sarkasmus wird in Frankreich registriert, dass gute Berater offenbar nicht alle eine Politeliteschule wie «Sciences Po» absolviert haben müssen. Die «Beraterin» des konservativen Abgeordneten und Ex-Parteichefs Jean-François Copé, Nadia, ist zum Beispiel von Berufs wegen Kinderpsychologin. Damit erfasst sie wohl die Psyche der Deputierten ebenso gut wie die Malerin Pauline Le Maire, bessere Hälfte des konservativen Starabgeordneten von Bruno Le Maire. Dessen Parteifreundin Laure de La Raudière lässt sich von ihrem Lebenspartner sekundieren, der Waldarbeiter ist; der Konservative Jean-François Mancel gleich von zwei Töchtern. Die Tätigkeit beider wird als «Künstlerin» angegeben.

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Einige Abgeordnete sehen sich veranlasst, ihren Rückgriff auf den engen Familienkreis zu begründen. So hat der Sohn des Zentrumspolitikers Meyer Habib etwa eine «Matura» vorzuweisen, die Tochter der Sozialistin Estelle Grelier ihre stupende «Zweisprachigkeit». Claudine Schmid, in Zürich wohnhafte Abgeordnete der Auslandfranzosen in der Schweiz und Liechtenstein, begründete die Berufung ihres Sohn so: «Er spricht den schweizerdeutschen Dialekt, und das findet man in Frankreich nirgends.»

Bei der Auflistung von Mediapart fällt auf, dass das linke Internetmagazin bei der Durchforstung der Deputiertenliste auf «mindestens» 115 Namen mit Familienanschluss gestossen ist. Die Parlamentarier müssen nur den Namen ihrer Berater, nicht aber den Grad der Verwandtschaft oder Bekanntschaft angeben. Mediapart konnte also nur die Zahl der legalen Familienmitglieder wie etwa der Gattinnen eruieren. Und die allfälligen Mätressen?

Dass die Franzosen nichts dabei sehen, wenn die Volksvertreter ihre Familie auf Staatskosten anheuern, hat das auch mit den politischen Vorbildern zu tun.

Vor ein paar Jahren hatte Le Monde über die «zahlreichen Liebhaberinnen unter den etwas speziellen Beratern» der französischen Politik berichtet. Um anzufügen, dass nach und nach die «offiziellen Gattinnen» diese Rolle übernähmen. Genaueres ist nicht bekannt. Von den Abgeordneten zu verlangen, hinter ihre spezielle Beraterliste auch noch Bezeichnungen wie «Mätresse» zu setzen, wäre selbst im 21. Jahrhundert noch etwas viel verlangt.

Dass die Franzosen nichts dabei sehen, wenn die Volksvertreter ihre Familie auf Staatskosten anheuern, hat das auch mit den politischen Vorbildern zu tun. Präsident François Mitterrand beschäftigte seinen Sohn Jean-Christophe als Afrikaberater, Jacques Chirac seine Tochter Claude als Presserätin. Nicolas Sarkozy beförderte seine erste First Lady Cécilia von einer einfachen «Assistentin» bis zur offiziellen «Beraterin». Diese Tradition endete mit François Hollande. Er holte keine versteckten Mätressen in sein Beraterteam. Er nominierte nur seine frühere Lebensgefährtin Ségolène Royal, mit der er vier Kinder gross gezogen hatte, in voller Transparenz als Umweltministerin.

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