Gefordert: Sandra, Tel. 143

«Sandra» ist eine der rund 40 Beraterinnen und Berater bei der Tele-Hilfe Basel, die stets eine offenes Ohr für Menschen in Not haben. In der Adventszeit ist ihre Hilfe besonders gefragt.

Sandra ist ein Pseudnoym: Die Anonymität gehört zum Konzept der Tele-Hilfe. (Bild: Cedric Christopher Merkli)

«Sandra» ist eine der rund 40 Beraterinnen und Berater bei der Tele-Hilfe Basel, die stets eine offenes Ohr für Menschen in Not haben. In der Adventszeit ist ihre Hilfe besonders gefragt.

Nie wird die heile Welt so zelebriert wie zur Weihnachtszeit. Alles glitzert und glänzt. Abertausende Lichtlein schmücken Häuser und Strassen, Knusperhäuschen-Glückseligkeit lockt die Menschen zum Kaufrausch. Es ist die Zeit, in der sich einige unter uns mehr denn je aus­geschlossen fühlen. «In der Adventszeit», sagt Sandra, «rufen tatsächlich sehr viele Menschen an.»

Sandra ist eine der rund 40 Beraterinnen und Berater beim Verein Tele-Hilfe Basel, auch bekannt als «Dargebotene Hand», Telefonnummer 143. Sandra ist nicht ihr richtiger Name, ihre Identität soll unbekannt bleiben. Das gehört zum Konzept. Damit wirklich jeder, der Hilfe braucht – auch ein Nachbar oder eine Bekannte von Sandra – anrufen kann.

Seit fünf Jahren hört sie sich Sorgen und Nöte von fremden Menschen an. Ohne dafür entlöhnt zu werden. Es sind meistens traurige Geschichten, die Sandra hört. Von Einsamkeit und Armut. Von Ängsten, Verzweiflung, Gewalt. Warum tut sie sich das an? Hat sie selbst niemanden? Füllt sie ihr Leben mit dem von Fremden? Sandra lacht. Und stellt klar: Sie wolle weder die Welt retten, noch sei sie besonders religiös, noch habe sie ein Helfersyndrom. Ausserdem hat die 54-jährige Frau einen Mann und drei erwachsene Kinder, Freunde und Bekannte – ein erfülltes Leben. «Die Erklärung ist ganz einfach: Ich habe Menschen gern, sie interessieren mich.»

Als ihre Kinder erwachsen wurden, beschloss Sandra, sich in der Freiwilligenarbeit zu engagieren. Ihren Beruf als kaufmännische Angestellte hatte sie aufgegeben, als sie mit 23 Jahren Mutter wurde. Aber sie hatte schon ­während der Zeit als Mutter und Hausfrau gern irgendwo mitgeholfen – etwa bei der Pfadi, bei Skilagern – und das wollte sie nun verstärkt tun.

Es war ein Zeitungsinserat, das sie zur Tele-Hilfe geführt hat. Das habe sie sofort angesprochen, sagt Sandra. Bereut hat sie es nie. «Ich habe viel lernen können und lerne immer noch dazu.» Unter anderem auch, wie sie sich von dem Gehörten wieder lösen kann. Denn: «Ich kann niemandem helfen, wenn ich mich von den Problemen der Anrufenden selber runterziehen lasse.»

Sandra wird auch in der Nacht auf den 24. Dezember am Telefon sitzen und Menschen zuhören, die ihre Last von der Seele reden wollen. Und ihnen helfen, «diese Last ein bisschen zu büscheln». Damit sie nicht mehr so unerträglich schwer ist. Webcode: @ajawf

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23/12/11

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