Geht in Basel konsumieren über demonstrieren?

Der «March against Monsanto and Syngenta» wollte am 19. Mai über die Mittlere Brücke. Geht nicht, sagte die Polizei. Jetzt bangt die Linke gleich um die Demokratie.

Sorgt für Wirbel: Der «Marsch gegen Monsanto und Syngenta» muss von seiner vorgesehenen Route durch die Innenstadt abweichen.

Meinungs- und Informationsfreiheit sind grundlegend für die Demokratie. Ähnliches gilt für die Versammlungsfreiheit. Beide Grundrechte stehen darum in der Bundesverfassung festgeschrieben.

Sind sie gefährdet, ist es angebracht, auf die Barrikaden zu steigen. Und auf diese sind sie gestiegen, die Präsidentinnen und Präsidenten der linken baselstädtischen Parteien SP, BastA! und Grüne. Sie sahen die Meinungsäusserungsfreiheit bedroht: bedroht durch eine Basler Polizei, die das Recht auf ungestörtes Shoppen höher gewichte als die politischen Grundrechte.

Demo-Route nicht bewilligt

Hintergrund ist der geplante «Marsch gegen Monsanto und Syngenta», der zum vierten Mal in Basel stattfinden soll. Der Marsch findet zeitgleich in verschiedenen Städten und in mehreren Ländern statt. Er richtet sich gegen den Einsatz von gesundheits- und umweltschädlichen Dünger und Insektengiften in der Landwirtschaft. Jedes Jahr sterben laut UNO rund 200’000 Menschen an Pestiziden.

Die Plattform «March against Monsanto und Syngenta» hat deshalb laut Präsident Nicola Goepfert ein Gesuch für eine bewilligte Demonstration am 19. Mai eingereicht. Die gewünschte Route: vom Barfi via Mittlere Brücke weiter zum Standort der Syngenta am Badischen Bahnhof.

Doch die Einsatzleitung der Polizei erklärte den Marktplatz für Tabu, ebenfalls die Mittlere Brücke. Stattdessen schlug sie den Demonstranten vor, vom Barfi zum Bankverein und dann über die Wettsteinbrücke ins Kleinbasel zu marschieren.

Für Wirbel sorgt, mit welcher Begründung die Einsatzleitung laut Goepfert die gewünschte Route verworfen hat: Demnach erlaube die Polizei grundsätzlich keine Demonstrationen in der Innenstadt mehr an den Wochenenden.

Empörte Reaktionen

Diese vermeintliche Aussage rief dann die versammelten linken Parteipräsidenten und den Basler Gewerkschaftsbund auf den Plan. Die linken Parteien tragen die Demo mit. «Die Polizeileitung versucht, die Meinungsäusserungsfreiheit massiv einzuschränken», schreiben sie in einer gemeinsamen Medienmitteilung, die Demonstranten würden an den Rand gedrängt.

BastA!-Frau Tonja Zürcher sagt an die Adresse des Polizeidirektors: «Baschi Dürr wertet das ungestörte Einkaufsvergnügen höher als die Kundgebungsfreiheit.» Sie deutet dies als Zeichen, dass Dürr sein «repressives Verhalten gegenüber kritischen Bewegungen weiter ausweite». Die TagesWoche hat kürzlich erst berichtet, dass die Kantonspolizei gegenüber linksalternativen Aktivisten die Schraube angezogen hat.

https://tageswoche.ch/allgemein/feindbild-linke-basler-polizei-zieht-schraube-an/

Stellt sich die Frage, ob jetzt tatsächlich auch noch ein Demoverbot in der Innenstadt gilt. Wenn man den Kommunikationsprofis des Justizdepartements glaubt, sind die Demonstranten etwas vorschnell in Zorn geraten. Gemäss Mediensprecher Toprak Yerguz gibt es nämlich kein grundsätzliches Demonstrationsverbot an den Wochenenden in der Innenstadt.

Alles halb so wild?

Yerguz bestätigt allerdings, dass die Polizei die Monsanto-Demonstranten statt über die Mittlere Brücke über die Wettsteinbrücke schicken will. Dabei spiele eine Rolle, dass beim «Marsch gegen Monsanto und Syngenta» viele Demonstranten erwartet würden und an diesem Samstag vor Pfingsten für gewöhnlich mehr Leute in der Stadt wären. Doch Barfüsser-, Clara- und Messeplatz seien immer noch wie von den Organisatoren gewünscht auf der Alternativroute vorgesehen. «Man kann nicht behaupten, dass diese Plätze peripher und publikumsarm sind», so Yerguz. Und weil der Barfi definitiv der Innenstadt angehört kann auch nicht von einem generellen Demoverbot in der Innenstadt die Rede sein.

Bleibt die Mittlere Brücke. Letztes Jahr nahmen rund 3000 Personen am «Marsch gegen Monsanto» in Basel teil, darunter viele Familien mit Kindern. Da die Mittlere Brücke zu der Zeit eine Baustelle war, gingen die Demonstranten bereits damals über die Wettsteinbrücke. Die zwei Jahre zuvor hatte ihnen die Polizei dagegen die Route über die Mittlere Brücke bewilligt. Mittlerweile ist die Brücke baustellenfrei – trotzdem wurde auch eine Demonstration von Kurden im Februar über die Wettsteinbrücke geführt.

Wenn es eines gibt, dann wäre dieses Demonstrationsverbot auf der Mittleren Brücke tatsächlich neu. Auf die Frage, ob die Polizei dort weiterhin Demos bewillige, antwortet Yerguz ausweichend: Die Polizei müsse verschiedene Faktoren bei Demonstrationsbewilligungen berücksichtigen und vor allem alle Kundgebungsorganisatoren gleich behandeln.

Bleibt die Frage: Wer hat hier die Kontrolle verloren? War es die Linke in ihrer Einschätzung der Lage? Oder etwa die Einsatzleitung der Polizei im persönlichen Gespräch mit den Organisatoren? Oder sind es vielleicht beide Seiten?

Nächster Artikel