Geld gibt es genug, es fliesst heute bloss woanders hin

Das Grundeinkommen lässt sich bis auf zehn Prozent mit Transfers finanzieren. Es fehlen 20 Milliarden Franken pro Jahr.

Das Grundeinkommen lässt sich bis auf zehn Prozent mit Transfers finanzieren. Es fehlen 20 Milliarden Franken pro Jahr.

Ein Grundeinkommen vom Staat – jeden Monat. Genug, um ein «menschenwürdiges Dasein» zu fristen. Ohne jegliche Verpflichtungen oder Bedingungen, ohne Vorleistung, ohne etwas eingezahlt zu haben: Das soll die Ausgangslage sein für eine neue, angstfreie und kreative Gesellschaft. Sie ist das Ziel der Initianten, allen voran Daniel Häni aus Basel.

Die erste Frage, wenn auch in den Augen der Initianten nicht die wichtigste, ist folgerichtig immer die gleiche: Wer soll das bezahlen? Aber weil das bedingungslose Grundeinkommen laut Häni «eine Vision ist und kein Geschäft der Tagespolitik», sind im Initiativtext keine Detailfragen beantwortet. Auch in den umfangreichen Informationen zur Initiative wird das Modell zur Umsetzung weitgehend offengelassen. Vorstellungen und grobe Berechnungen allerdings gibt es, aber wesentlich sei vor allem dies: Das Grundeinkommen ist keine neue Leistung des Staates, es ist nur der Um- und Ausbau bestehender Einrichtungen.

Entschlackter Sozialstaat

Die Beweisführung geht so: Um allen erwachsenen Einwohnern der Schweiz monatlich eine Basis von 2500 Franken und allen Kindern eine von vielleicht 1200 Franken auszurichten, wären nach Annahme der Ini­tiative etwas mehr als 200 Milliarden Franken jährlich nötig – etwa ein Drittel des Brutto­sozialprodukts (Stand 2010).

Das Grundeinkommen würde dabei aber eine ganze Reihe von aktuellen Sozialleistungen ersetzen: Teile der Arbeitslosenversicherung, der AHV und der IV, Kindergeld, Bildungszuschüsse, Landwirtschaftssubventionen und so weiter. Dafür wendet die Schweiz derzeit pro Jahr 135 Milliarden Franken auf, von ­denen rund 80 Milliarden durch den Sockel des Grundeinkommens ersetzt werden könnten. Teile des Sozial­systems würden bestehen bleiben. Damit fehlen für die Finanzierung 120 Mil­liarden.

Auch Lohnempfänger werden das Grundeinkommen erhalten. Allerdings nicht zusätzlich, sondern als Subvention ihres aktuellen Gehalts. Die Einsparungen der Arbeitgeber sollen danach anderswo wieder abgeschöpft werden. Das Grundeinkommen liesse sich somit bei den höheren Gehältern zu 100 Prozent und bei tieferen zu durchschnittlich 50 Prozent aus den frei werdenden Lohnsummen finanzieren. Damit wären weitere 100 Milliarden gedeckt.

20-Milliarden-Investition

Es bleibt ein Fehlbetrag von 20 Mil­liarden oder 2500 Franken pro Kopf und Jahr. Daniel Häni spricht dabei von einer «Investition», die das bedingungslose Grundeinkommen uns wert sein müsste. Die 20 Milliarden müssten zusätzlich beschafft oder aus anderen als den beiden entlasteten Bereichen transferiert werden. Woher genau, das soll der politische Prozess nach dem Grundsatzentscheid ausmachen. Damit stehe jedenfalls fest: Das bedingungslose Grundeinkommen ist finanzierbar. Einzige Voraussetzung ist der politische Wille.

Nachdem diese Diskussionssperre einmal aus dem Weg geräumt ist, folgt die Frage nach der konkreten Umsetzung. Wie also sollen die theoretisch verfügbaren 180 Milliarden zur Staatsseite transferiert und die zusätzlich nötigen 20 Milliarden beschafft werden?

Darüber gehen die Meinungen sogar unter den Initanten auseinander. Während Oswald Sigg eine Reichtumssteuer heranziehen will (siehe nebenstehendes Streitgespräch), möch­te Daniel Häni einen ganz anderen Weg gehen. In seinen Augen kommt ein zusätz­licher Grundsatz seiner Vision zum Tragen. Das Grundeinkommen soll die Existenz­angst aus der Welt schaffen. Um es zu finanzieren, soll eine Kon­sumsteuer den Grundsatz der «Besteuerung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit» aufheben.

Denn heute werde (vermeintlich) «Leistung», sprich Einkommen besteuert. Das sei insofern eine Illusion, als letztlich jede Steuer von den Konsumenten bezahlt wird: Die Einkommenssteuer wird dem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber, diesem durch Zuschläge auf den Verkaufspreis durch die Verbraucher bezahlt. Demnach stammt jeder Steuerfranken aus dem Verkaufspreis.

Eine einzige Konsumsteuer

Dass in der Schweiz gemäss Verfassung jede Steuer «nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit» zu bemessen sei, hält Häni für irreführend. Der Grundsatz sei lediglich Nährboden für Vorurteile. Etwa für jenes, wonach jeder, der keiner Erwerbsarbeit nachgehe, dem Staat eine Leistung vorenthalte. Eine Steuer auf jeglichen Konsum wäre ehrlicher, einfacher und wirtschaftsfreund­licher.

Eine Steuer also auf allen Produkten und Leistungen, deren Mehrwert in der Schweiz hervorgebracht wurde: Abgeschöpft werden müsste sie direkt beim Verkauf, bei der Konsumation der Leistung oder dem Handwechsel des Produkts also. Direkt am Point of Sale. Da das Grundeinkommen die Löhne subventionieren würde und damit logischerweise auch die Produktion verbilligen und die Preise der Produkte senken würde, wäre diese Steuer zu rechtfertigen.

Ob man sie nun wie die Amerikaner «Salestax», wie hierzulande «Mehrwert-» oder wie Daniel Häni «Grundeinkommenssteuer» nennt: Unsozial sei es nicht, weil die Menschen heute schon gemäss den ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln konsumierten und damit proportional zum Einkommen Steuern bezahlten, meint Häni. Das kollidiert zwar mit seiner Feststellung, dass der Steuer­massstab «Konsum» das ganze Leben anhalte, während der Massstab «Lohnarbeit» nur eine bestimmte Zeitspanne betreffe – aber weil das auch auf das Grundeinkommen zutrifft, hält er den Widerspruch für entschuldbar. Die Wirtschaft würde von einem solchen Umbau ebenfalls profitieren, weil Steuern nur noch für reale Einnahmen bezahlt werden müssen.

Nicht abschliessend zu beantworten vermag Daniel Häni aber Fragen nach Import- und Exportwirtschaft, nach Unternehmens- und Vermögenssteuer oder Abfluss von Kapital in ausländische Märkte und Finanzhandelsplätze. Das könne durchaus mit weiteren Steuergesetzen geregelt werden und sei in der politischen Diskussion bei der Ausgestaltung des Grundeinkommens zu regulieren.

Wichtig ist Häni die Bewegung, die durch das Modell des Grundeinkommens in den Arbeitsmarkt käme. Zunächst wäre zu erwarten, dass namentlich die tiefen Einkommen angehoben werden müssten: Denn wer als Servicemitarbeiter statt wie bisher 3400 Franken brutto lediglich 900 Franken zum Grundeinkommen verdienen würde, könne zweimal überlegen, ob er den Job zu diesem Lohn annähme.

Andrerseits könnten sich Familienernährer, deren Verdienst durch die Grundeinkommen der ganzen Familie deutlich erhöht würde, gegenüber Alleinstehenden in den Lohnverhandlungen einen Vorteil verschaffen. Die Initianten rechnen in einem ihrer Papiere mehrere Beispiele vor. Und dabei halten sie es wie mit dem Finanzierungsmodell: Sie wollen sich alle Möglichkeiten offen halten.

Konsum dauert das ganze Leben – aber auch seine Besteuerung.

Die Löhne würden durch das Grundeinkommen subventioniert.

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 12.10.12

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