Eigentlich wussten es ja alle längst: 2010 ergab eine vom Kanton in Auftrag gegebene Berechnung der Ingenieur- und Planungsfirma Amstein + Walthert AG in Zürich, dass die Bespielung des Kunstmuseum-Erweiterungsbaus mit den 8700 Quadratmetern an zusätzlicher Nutzfläche betriebliche Folgekosten von 4,8 Millionen Franken nach sich ziehen würde.
Das Präsidialdepartement unter Guy Morin traute sich aber nur mit einem Betrag von 2,3 Millionen vor den Grossen Rat – garniert mit der irrigen Annahme, die fehlenden 2,5 Millionen würden von der Stiftung für das Kunstmuseum Basel getragen. Diese will aber kein Aufsichtspersonal, keine Heizung, keinen Reinigungsdienst bezahlen, sondern zusätzliche Sonderausstellungen, für die der Erweiterungsbau ja schliesslich gebaut wurde.
Jetzt will die Regierung den Fehler zumindest bis zu einem gewissen Punkt korrigieren: Für das laufende Betriebsjahr sprach sie einen Notstandskredit von 925’000 Franken. Und ab 2019 will sie das Globalbudget des Museums um 2 auf 19 Millionen aufstocken.
Diese Zahl entspricht der Empfehlung der Betriebsanalyse, mit der das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG beauftragt worden war. Die Firma nahm das Betriebsjahr 2017 – das erste volle Jahr nach der Eröffnung des Erweiterungsbaus – unter die Lupe. Und kam zum Fazit: «Die momentanen Abläufe, Prozesse und Infrastruktur erfordern mehr Personal.»
Massive Überstunden im Jahr 2017
Das Museum, so die Prüfer, sei 2017 nur mit massiven Überstunden des fest angestellten Personals und mit Temporärkräften über die Runden gekommen. Die Überstunden kosteten 557’000 Franken, der Einsatz des Temporärpersonals 276’000 Franken. Das entspricht rund 11 Vollzeitstellen.
Um den Betrieb nun längerfristig auf eine solide Basis zu stellen, sind nach Auffassung der Prüfer 18 zusätzliche Vollzeitstellen notwendig. Das ist zwar um einiges weniger als die 33 Stellen, die das Personal bei einer internen Umfrage angegeben hat. Aber Kunstmuseumsdirektor Josef Helfenstein ist trotzdem sehr zufrieden mit dem Resultat der Betriebsanalyse, wie er an einer Medienkonferenz in seinem Haus sagte.
Froh ist er natürlich in erster Linie über die zwei zusätzlichen Millionen Franken, über die er aufgrund der im Museumsgesetz festgeschriebenen Autonomie letztlich frei verfügen kann. «Es hat sich gezeigt, dass wir die Unterfinanzierung des Museums nicht herbeigeredet haben», sagte er.
Neue Stellen für die Museumsaufsicht
Nötig sind aus Helfensteins Sicht vor allem neue Stellen für die Museumsaufsicht. Ihn habe stets beunruhigt, wie ungenügend die unglaublich wertvolle Sammlung beaufsichtigt worden sei, sagte er. Für das Kupferstichkabinett mit seinen 300’000 Werken sind laut Helfenstein ebenfalls mehr Kuratorenstellen notwendig. Wie auch für die administrative Abwicklung des Leihverkehrs, dieser habe seit Inbetriebnahme des Erweiterungsbaus und dem damit verbundenen Mehr an Sonderausstellungen massiv zugenommen.
Neubau nicht Ursache, sondern Katalysator der Probleme
Die Betriebsanalyse attestiert dem Museum aber nicht nur Geldbedarf, sie gibt dem Haus auch eine ganze Reihe von Hausaufgaben mit auf den Weg. Die Prüfer haben bei den Strukturen, bei den Prozessen, der Definition der Rollen des Personals und beim Controlling klare Mängel festgestellt.
Es sind Mängel, die offenbar schon länger bestehen: «Der Neubau war nicht Ursache des Problems, sondern ein Katalysator, der Kosten- und Organisationsprobleme ans Tageslicht brachte», sagt Sonja Kuhn, Co-Leiterin der Abteilung Kultur im Präsidialdepartement.
Erschwerend kam laut Betriebsanalyse hinzu, dass bei Inbetriebnahme des Erweiterungsbaus die gesamte Führungsmannschaft ausgewechselt wurde: von der Verwaltungsdirektion über die Museumsdirektion und den Personaldienst bis hin zur Leitung der Abteilung Kultur und des für Kultur zuständigen Regierungspräsidiums.
Lange Mängelliste
Als vordringliche Mängel zählt der Bericht unter anderem auf:
- Der aktuelle Leistungsauftrag lasse grossen Interpretationsspielraum offen.
- Das Museum vefüge über keinen Businessplan und über kein formales Betriebskonzept.
- Die Organisation des kaufmännischen Bereichs sei ungenügend und zu wenig mit dem künstlerischen Bereich abgestimmt.
- Für die Ausstellungen existierten keine Vollkostenrechnungen oder Nachkalkulationen.
- Prozesse, wie die Planung und Budgetierung von Sonderausstellungen, seien grösstenteils nicht dokumentiert.
- Die Lage und das Konzept des Museumsshops seien neu zu evaluieren.
- Das viermal jährliche Reporting an den Kanton sei ungenügend und auf einen monatlichen Rhythmus aufzustocken.
Wie Helfenstein versicherte, hat das Museum einige der genannten Massnahmen bereits in Angriff genommen. Das betrifft insbesondere die Neustrukturierung der kaufmännischen Führung des Hauses. Bereits im Amt ist ein neuer Finanzchef. Die Stelle der kaufmännischen Direktion, die seit dem Abgang von Annette Schönholzer nicht besetzt ist, werde voraussichtlich Ende Jahr neu ausgeschrieben.
Auf einen neuen Platz für den versteckten und dadurch schlecht frequentierten Shop wird man aber noch etwas warten müssen. Konkret bis 2020, wenn die umfassende Sanierung des Hauptbaus in Angriff genommen wird. Helfenstein hat allerdings vor, schon in den nächsten Monaten einen direkten Zugang zum Neubau zu schaffen. Heute ist dieser nur über den Umweg durch den Hauptbau und die Unterführung der Dufourstrasse erreichbar.
Auf Vollkostenrechnungen bei Sonderausstellungen möchte Helfenstein aber verzichten. «Das macht kein Museum und ist unter dem Strich auch nicht sinnvoll», sagte er dazu.
Die anderen Museen folgen
Die Betriebsanalyse des Kunstmuseums war nur die erste von mehreren Überprüfungsmassnahmen, die in der Museumsstrategie des Kantons festgeschrieben sind. Als nächstes werden auch die restlichen staatlichen Museen unter die Lupe genommen. Angefangen mit dem Historischen Museum, das ebenfalls als problembeladenes Haus gilt.
Es kann also sein, dass der Kanton auch die Budgets weiterer Häuser erhöhen muss. Aus heutiger Sicht konnte Sonja Kuhn von der Abteilung Kultur aber noch keine Prognosen stellen.