In Montreux soll am Mittwoch die Suche nach einer Lösung für den Syrien-Konflikt beginnen. Nach der Rücknahme der Einladung an den Iran fährt die Opposition an die Konferenz, allerdings zerstritten und geschwächt. Präsident Assad verweigert weiterhin jegliche Zugeständnisse.
Acht Monate wurde die Genfer Syrien-Konferenz vorbereitet. Mit der kurzfristigen Einladung an Teheran am Montag wäre sie im letzten Moment fast geplatzt. Die Opposition hatte mit Boykott gedroht. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon lud Teheran – zum Missfallen Moskaus – nur Stunden später wieder aus.
Die Begründung: der Iran hätte sich nicht an Absprachen gehalten. Keine guten Voraussetzungen für eine Initiative, die vor allem von Russland und den USA vorangetrieben worden war. «Mit Genf II» solle das Blutvergiessen beendet und verhindert werden, dass Syrien eine Brutstätte des Terrorismus werde, hatte der russische Aussenminister Sergej Lawrow das Konferenzziel definiert.
«Genf I» -Verständigung umsetzen
In Montreux soll mit «Genf II» die Verständigung umgesetzt werden, die am 30. Juni des letzten Jahres («Genf I») zwischen den UN-Vetomächten und mehreren Nachbarstaaten erzielt worden war. Kernstück bildete eine Übergangsregierung mit umfassenden Befugnissen aus Vertretern des Assad-Regimes und der Opposition sowie eine Überarbeitung der Verfassung und freie, demokratische Wahlen. Präsident Bashar al-Assad wurde allerdings im verabschiedeten Text nicht explizit von dieser politischen Transformation ausgeschlossen. Die Teilnehmer waren sich aber eigentlich einig gewesen, dass «Genf I» der Anfang von seinem Ende sein sollte.
«Genf I» ist toter Buchstabe geblieben, kein einziger Schritt zur Umsetzung wurde eingeleitet. Im Gegenteil, der Bürgerkrieg ist weiter eskaliert und noch zerstörerischer geworden. Ein neuer Bericht beschuldigte am Montag das Assad-Regime «Massaker in industriellem Ausmass» verübt zu haben. Über 130’000 Menschen sind in den knapp drei Jahren getötet, Millionen vertrieben worden. Ein Drittel der Bevölkerung lebt als Flüchtlinge im eigenen Land oder in den Nachbarstaaten und ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die materiellen Schäden sind unermesslich, die Entwicklung Syriens um Jahrzehnte zurückgeworfen, die national Kohäsion zerstört und dennoch konnte sich der Diktator halten.
Assad in neuer Stärke
Paradoxerweise stehen Assads Chancen heute sogar besser als auch schon. Der Chemiewaffen-Deal hat ihm wieder etwas Luft verschafft. Auch auf dem Schlachtfeld konnten seine Truppen, unterstützt von iranisch geführten schiitischen Milizen, Terrain von der Rebellen zurückgewinnen. Die letzten Wochen zählten zu den blutigsten seit vielen Monaten.
Auf russischen Druck hin nimmt die Regierung von Damaskus, die von Moskau und Teheran gestützt wird, in Montreux teil, sendet aber nicht die geringsten Signale aus, dass sie bereit wäre, die politische Macht und die Kontrolle über Armee und Sicherheitskräfte abzugeben und einen Übergangsprozess einzuleiten, der zu Assads Ende führen könnte. Am Montag betonte Assad nochmals ausdrücklich, dass er die Macht an niemanden abgeben werde und sich auf die Präsidentschaftswahlen im Juni vorbereite. Von «Genf II» erwartet er internationale Unterstützung in seinem Kampf gegen den Terror.
Am Freitag hatte Aussenminister Walid Moallim, der die syrische Delegation in Montreux leitet, sogar eigene Vorschläge unterbreitet, mit denen sich Damaskus als Teil der Lösung profilieren will. Er bot Erleichterungen für die humanitäre Hilfe, einen Waffenstillstand in Aleppo und einen Gefangenenaustausch an. Bereits am Wochenende wurden von Kameras begleitet erste Hilfspakete ins Palästinenserlager von Yarmouk bei Damaskus geschickt.
Erst nach tagelangem Ringen hatte die Syrische Nationale Koalition, der am breitesten gefächerte und vom Westen unterstützte Oppositionsblock, am Wochenende einer Teilnahme in Montreux knapp zugestimmt. Die grösste einzelne Gruppierung, der Syrische Nationalrat, ist daraufhin ausgetreten. Die Koalition war unter massivem amerikanischem Druck gestanden und hatte bereits die Bedingung eines Rücktritt des Diktators fallen lassen müssen. In diesem zerstrittenen Zustand stellt sich aber die Frage, wen sie überhaupt vertritt, ob sie etwas ausrichten und allenfalls auch umsetzen kann. Aber auch mit einem Fernbleiben hätte sie an Glaubwürdigkeit eingebüsst und die Bühne ganz dem Regime überlassen.
Aussichten auf Erfolg gering
Neben dem Iran wird am Konferenztisch auch die Islamische Front fehlen, die den Grossteil der bewaffneten Rebellen, vor allem die immer stärker werdenden islamistischen Milizen umfasst. Das heisst wichtige Kräfte in der syrischen Kriegsarena werden abwesend sein. Obwohl Einigkeit besteht, dass am Ende eine politische Lösung gefunden werden muss, sind die Chancen auf einen Durchbruch derzeit minim. In Syrien tobt ein Stellvertreterkrieg. Die Interessen der vielen ausländischen Akteure – etwa der Streit zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi Arabien um die Vorherrschaft in der Region – könnten unterschiedlicher nicht sein.
Niemand kann den Kurs auf den Kriegsschauplätzen mehr kontrollieren. Die Situation ist festgefahren; keine Seite in der Lage, einen militärischen Sieg zu erringen, aber noch lange fähig weiterzukämpfen. Assad propagiert sich und sein Regime – auf dessen innersten Zirkel er sich nach wie vor verlassen kann – mit einigem Erfolg als Gegenkraft zu den Terroristen, gemeint sind die islamistischen Extremisten, und als Garant für einen säkularen Staat. Viele Syrer befürchten deshalb, «Genf II» könnte in einem Desaster für die Opposition und einer Rehabilitierung Assads enden.