«Gewalt ist in keinem Fall tolerierbar»

Erwartet wurde ein Schlagabtausch, das Gegenteil traf ein. Im Parlament war man sich einig: Gewalt gegen Polizisten darf nie akzeptiert werden, die Privatsphäre von Politikern ist heilig.

«Favela-Vorstösse» von Tanja Soland (SP), Michael Wüthrich (Grünes Bündnis) und Sibel Arslan (Grünes Bündnis) dienten als Basis für eine Debatte über Demonstrationen und Gewalt. (Bild: Nils Fisch)

Erwartet wurde ein Schlagabtausch, das Gegenteil traf ein. Im Parlament war man sich einig: Gewalt gegen Polizisten darf nie akzeptiert werden, die Privatsphäre von Politikern ist heilig.

Es gäbe kaum ein Thema, das prädestinierter für einen Streit zwischen Links und Rechts wäre als die illegale Favela-Aktion und den Polizeieinsatz an der Art (mehr dazu im Dossier zum Thema). Als dann von drei linken Parlamentsmitgliedern Interpellationen zum Thema eingereicht wurden, schien es, als würde sich die Kritik ausschliesslich auf den umstrittenen Polizeieinsatz und die Frage, wem der Messeplatz gehöre, beschränken. Der Tenor war: Der Polizeieinsatz war unverhältnismässig, die Messe Schweiz bekommt Sonderrechte für den eigentlich öffentlichen Platz.

Als Interpellantin Tanja Soland (SP) das Wort ergriff, kam es anders, als man dachte: Sie fand lobende Worte für die Polizei, bezog sich allerdings nicht auf deren Einsatz an der Art, sondern auf die unbewilligte Demonstration vom vergangenen Wochenende. «Die Polizei hat gezeigt, dass sie fähig zur Zurückhaltung ist.» Daniel Goepfert (SP) sprach gar von «heldenhaftem Verhalten».

Diese Demo steht zeitlich zwischen der Favela-Aktion und der Debatte im Parlament. Und was dort passiert ist, war wohl der Grund für die Einigkeit quer durch die Parteien: Trotz Zurückhaltung der Polizei gingen Demonstranten am vergangenen Freitag auf Zivilpolizisten los und verletzten diese. Dieser Gewaltakt wurde einhellig als «absolut verwerflich» bezeichnet.

«Demos im Keim ersticken»

Das Wort «verwerflich» fiel wieder, als es um die Privatsphäre von Baschi Dürr ging, gegen den sich die Demonstration gerichtet hatte. Demonstranten hatten dessen Privathaus beim Wettsteinplatz passiert, um dort gegen ihn zu protestieren. Auch da – Einigkeit: Es dürfe gegen Politiker demonstriert werden, aber die Privatsphäre gelte es in jedem Fall zu schützen.

Grautöne bot die Diskussion dennoch. So fand Joël Thüring (SVP) drastische Worte gegenüber all denjenigen, die den Art-Einsatz der Polizei als unverhältnismässig einstufen: «Wir sind hier nicht in Istanbul – wir kennen keine Polizeigewalt.» Alles andere sei «populistischer Blödsinn». Er erwarte, dass «unbewilligte Demonstrationen im Keim erstickt werden». Mit dieser Haltung stand Thüring ziemlich allein da, praktisch alle verteidigten das Recht auf Demonstration und Meinungsäusserung – ohne Gewalt.

Messeplatz gehört allen

Auch Sibel Arslan vom Grünen Bündnis betonte, dass «Gewalt nicht tolerierbar» sei, «egal, von welcher Seite». Sie wollte in ihrer Interpellation dennoch wissen, aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage der Messeplatz geräumt worden sei. Baschi Dürr betonte, der Platz sei nicht geräumt worden, Ziel des Einsatzes sei einzig und allein die Sicherstellung der Musikanlage gewesen. Die Lage sei vor Ort beurteilt worden, wo Polizisten mit Stühlen und Flaschen beworfen worden seien. Diese Antwort befriedigte Soland insofern, als dass sie vermutet hatte, die Polizei habe wegen der Strafanzeige der Messe so heftig reagiert. Die Heftigkeit bezog sich stets auf den Einsatz von Reizstoff und Gummischrot.

Anlass zur Diskussion bot ferner die Frage, wem der Messeplatz gehöre. Michael Wüthrich (Grünes Bündnis) konzentrierte sich in seiner Interpellation auf die Nutzung des Platzes. Baschi Dürr stellte klar: «Der Platz soll mehreren Interessen dienen.» Und Baudirektor Hans-Peter Wessels doppelte nach: «Der Platz ist Allmend und unterliegt dem Allmendgesetz.» Vermutungen, die Messe Schweiz könne von Sonderrechten Gebrauch machen, wurden rasch aus dem Weg geräumt.

Und am Ende waren alle froh, darüber diskutiert zu haben. «Dafür ist ein Parlament schliesslich da», sagte Baschi Dürr im Anschluss an das Gespräch, als er nach draussen an die Luft ging – bevor er sich einem neuen Thema zuwenden musste.

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