Die Fusion zwischen dem Rohstoffkonzern Glencore und dem Bergbaugiganten Xstrata ist immer noch nicht zustande gekommen. Glencore hat seine für heute Freitag geplante Generalversammlung kurzfristig verschoben und sein Übernahmeangebot erhöht. Derweil wird die Geschäftspolitik der beiden Rohstofffirmen in Zug selber zunehmend zu einem Thema.
Zuger Casino, Freitag Vormittag, Aktionärsversammlung des Rohstoffunternehmens Xstrata. Rund 25 – 30 Aktivisten protestieren mit Transparenten und Flyern gegen die Geschäftspraktiken des britisch-schweizerischen Rohstoffriesen mit Sitz in Zug.
Unter den Protestierenden auch Andreas Lustenberger aus Baar, Co-Präsident der Jungen Grünen Schweiz. Die geplante Fusion der beiden Konzerne Xstrata und Glencore interessieren den Jungpolitiker nur am Rande: «Für uns ist die Frage der Gerechtigkeit zentral. Das Geld, das wir in Zug durch Steuern einnehmen, beruht zu einem schönen Teil auf unmoralischen Geschäften, welche Firmen wie Xstrata oder Glencore an irgendwelchen Orten der Welt unternehmen.»
Die Jungen Alternativen Zug haben dem Zuger Regierungsrat am 23. August einen offenen Brief geschrieben. Darin fordern sie, dass die Schweiz und Zug in Bezug auf die Rohstoffgiganten endlich ihre Verantwortung übernehmen sollten. Die Antwort der Zuger Regierung ist noch ausstehend.
Die Fusionsverhandlungen zwischen Glencore und Xstrata hatten sich in den letzten Wochen festgefahren, weil Xstrata auf ein besseres Angebot pochte. Vor allem der zweitgrösste Xstrata-Aktionär, der Golfstaat Katar, hatte sich bisher den Übernahmeplänen widersetzt. Nun hat Glencore sein Angebot kurzfristig nachgebessert. Über das neue Angebot sollen die Aktionäre von Xstrata an einer neuen Generalversammlung abstimmen; das genaue Datum steht noch nicht fest. Mit der Fusion von Glencore und Xstrata entstünde ein Megakonzern, der sich mit dem Abbau und Verkauf von Rohstoffen aller Art befasst. Glencore beschäftigt in über 30 Ländern mehr als 50’000 Menschen, Xstrata in über 20 Ländern rund 70’000 Personen.
Erneute Vorwürfe gegen Glencore und Xstrata
Die beiden Zuger Rohstoffgiganten lieferten in den letzten Monaten nicht nur wegen der geplanten Fusion Schlagzeilen. Im Frühjahr sorgte ein Bericht der Nichtregierungsorganisationen (NGO) «Brot für Brüder» und «Fastenopfer» für Aufsehen, wonach Glencore im Kongo die Menschenrechte missachte und Umweltschäden hinterlasse. Von schlechten Arbeitsbedingungen, Kinderarbeit und verseuchten Flüssen war die Rede.
Ende Mai forderten in Peru Proteste gegen die Bergbauaktivitäten von Xstrata Tintaya zwei Todesopfer. Die Protestierenden verlangten vom Bergbaukonzern, die in zwei Studien nachgewiesene Schwermetallbelastung von Menschen, Böden und Gewässern abzuklären.
Bereits im Juli dieses Jahres fand in Zug eine von den Gewerkschaften, verschiedenen Hilfswerken und Linksparteien unterstützte Demonstration gegen die beiden Rohstofffirmen statt. Rund 350 Demonstranten nahmen am Demonstrationszug teil, der vom Zuger Bahnhof zum Regierungsgebäude und damit auch in unmittelbare Nähe des Sitzes von Xstrata führte.
Manager verdienen soviel wie die 96 ärmsten Länder
Multis wie Xstrata und Glencore verkörperten eine Wirtschaftswelt, in welcher die Gesamtbevölkerung der 96 ärmsten Länder der Welt in einem Jahr weniger verdienen als die sechs Glencore-Manager mit ihrem kürzlich erfolgten Börsengang, schrieben die Organisatoren in ihrem Aufruf. Der neue Superkonzern stelle auch für die Schweiz und Zug ein Klumpen- und Reputationsrisiko dar. Gefordert wurde unter anderem die Aufhebung der Steuerprivilegien für die Rohstoffmultis.
Fast etwas erstaunt nahm der frühere grüne Zuger Nationalrat Jo Lang zur Kenntnis, dass sogar das katholische Pfarrblatt Zug diesen Sommer auf einen alternativen Stadtrundgang aufmerksam gemacht hatte. Unter dem Titel «Im Reich der Rohstoffhändler» wurden bei diesen Stadtführungen Geschichten und Fakten «rund um das dicke Geschäft mit Rohstoffen» präsentiert. Diese Stadtrundgänge stiessen auf ein dermassen gutes Echo, dass die Führungen auch in diesem Herbst erneut angeboten werden.
Jo Lang glaubt, dass in Zug langsam etwas in Bewegung gerät. «Die Leute sind offener für Kritik als früher. Nach 40 Jahren Einsamkeit werden wir heute von echt-christlichen Kreisen, den Gewerkschaften und von verschiedenen Hilfswerken unterstützt.»
Für diese Entwicklung gibt es seiner Ansicht nach mehrere Gründe. Das Problembewusstsein sei heute generell grösser und die Leute befürchteten ein ähnliches Reputationsrisiko wie bei den Grossbanken. Zudem würde die Konzentration von Reichtum das Leben in Zug derart verteuern, dass eine Existenz für Normalsterbliche hier immer schwieriger werde.
Auch Matthias Dörnenburg von Fastenopfer Schweiz ist der Ansicht, dass in Zug eine Auseinandersetzung mit dem Thema zumindest teilweise stattfinde. Er erinnert sich an ein Podium sowie an eine interne Weiterbildung in der Kirchgemeinde Baar, wo diskutiert wurde, was mit Steuergeldern zu tun sei, die von Firmen stammen, welche allenfalls unethisch handeln.
Reputationsrisiken als Thema politischer Vorstösse
Die Rohstoffmultis sind auch auf der nationalen Ebene ein Thema. Gegen ein Drittel des weltweiten Erdölhandels wird über die Schweiz abgewickelt. In einem Postulat hatte die St. Galler Nationalrätin Hildegard Fässler von Bundesrat verlangt, sich vermehrt mit den Rohstoffhandelsfirmen und den mit ihnen verbundenen Reputationsrisiken zu befassen. In seiner Antwort vom Dezember des vergangenen Jahres signalisierte der Bundesrat zumindest Verständnis für die geäusserten Bedenken.
Im Zuger Kantonsrat reichte die Alternative Grüne Fraktion in diesem Frühjahr eine Interpellation betreffend die Rohstoffmultis ein. Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel antwortete im Namen der Zuger Regierung, dass eine Bekämpfung von Defiziten über die internationale Staatengemeinschaft geschehen müsse. Aktivitäten auf kantonaler Ebene seien weder zielführend noch letztlich wirksam.
Anders die Einschätzung von Florian Wettstein vom Institut für Wirtschaftsethik der Universität St Gallen. Zwar ist ein globales Regelwerk auch für ihn unablässlich. Allerdings könne auch ein Kanton das Thema soziale Unternehmensverantwortung stark machen. Er habe die Möglichkeit, entsprechende Anreize zu setzen und seine Standortpolitik darauf abzustützen. Solche Instrumente als gänzlich wirkungslos zu bezeichnen, komme fast einer Kapitulation der Politik gegenüber den Unternehmen gleich.