Google will Kuba ans Internet anschliessen

Kaum ein Land verfügt über einen beschränkteren Internetzugang als Kuba. Auf der Suche nach neuen Märkten haben nun hochrangige Google-Vertreter zum ersten Mal offiziell Havanna besucht. Die schwierige Beziehung zwischen den USA und Kuba erschwert jedoch das Geschäft.

«Die USA müssen ihre Geschichte überwinden»: Google-Vorstandsvorsitzender Eric Schmidt. (Bild: Rick Wilking / Reuters)

Kaum ein Land verfügt über einen beschränkteren Internetzugang als Kuba. Auf der Suche nach neuen Märkten haben nun hochrangige Google-Vertreter zum ersten Mal offiziell Havanna besucht. Die schwierige Beziehung zwischen den USA und Kuba erschwert jedoch das Geschäft.

Google will auch den letzten Winkel der Erde mit dem Internet verbinden. Vor etwa einem Jahr stellte der kalifornische Technologiekonzern erstmals Project Loon vor, ein wie Science-Fiction wirkendes Forschungsprojekt: Über gasgefüllte Ballons in der Stratosphäre, an denen Relaisstationen angebracht sind, sollen ländliche und abgelegene Gebiete mit Internet versorgt – und, na klar, somit neue Märkte gesichert werden.

Eine dieser abgelegenen Ecken, zumindest was die Internetversorgung angeht, ist Kuba. Dorthin war in der vergangenen Woche Google-Chef Eric Schmidt zusammen mit seinem Ideen-Guru Jared Cohen, Direktor des firmeneigenen Thinktanks Google Ideas, sowie zwei weiteren hochrangigen Google-Managern gereist. Bei der zweitägigen Stippvisite in Havanna kamen Schmidt und seine Begleiter sowohl mit Regierungsvertretern als auch unabhängigen Software-Entwicklern und Vertretern der regierungskritischen Bloggerszene zusammen. Ziel des Kurztrips sei es gewesen, «ein freies und offenes Internet zu fördern», schrieb Schmidt nach der Reise in seinem Google+-Account.

Kaum Internet auf Kuba

Bereits im November 2013 hatte Schmidt in einem Interview mit dem «Wall Street Journal» erklärt, Kuba stünde «ganz oben auf der Liste» seiner Prioritäten. Es war das erste Mal überhaupt, dass Google-Vertreter offiziell Kuba besucht haben. Die USA unterhalten seit 1961 keine diplomatischen Beziehungen mehr zu Kuba und halten ebenso lange eine absurde Blockade gegen die sozialistische Karibikinsel aufrecht. Im vergangenen Jahr hatte Schmidt bereits Nordkorea und Myanmar besucht; Länder, gegen die die USA ebenfalls Sanktionen verhängt haben und in denen der freie Internetzugang von der jeweiligen Regierung stark eingeschränkt wird.

Kuba ist das Land mit der niedrigsten Internet-Zugriffsrate in der Hemisphäre. Nur ein sehr begrenzter Sektor an Personen – Wissenschaftler, Kulturschaffende, Journalisten sowie ausländische Geschäftsleute – hat Zugang zum Internet von zu Hause aus. Nach Schätzungen der nationalen kubanischen Statistikbehörde hatten Anfang 2010 nur knapp drei Prozent der Bevölkerung direkten Zugang zum Netz. Die Zahl dürfte heute zwar ein wenig höher liegen, private Anschlüsse sind aber weiter eine Seltenheit.

Für die kubanische Regierung liegt die Priorität in der Schaffung von Gemeinschaftszentren, in denen die Bevölkerung Zugang zum Internet hat, sowie im Ausbau der Verbindungen in Forschungs-, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Touristen können sich in einigen Hotels einloggen, zu Tarifen allerdings, die auch für Touristen sehr teuer sind (8 bis 10 US-Dollar/Stunde).

In den Jahren der Mangelwirtschaft haben die Kubaner gelernt zu improvisieren und eine Art Offline-Internet geschaffen, Internet auf CD quasi.

Im vergangenen Jahr waren überall auf der Insel staatliche Cybercafés eröffnet worden. Sich ins Internet einzuloggen bleibt bei Preisen von 4.50 US-Dollar/Stunde für viele aber unerschwinglich. Vor wenigen Monaten hat die die staatliche Telefongesellschaft Etecsa einen E-Mail-Dienst für Smartphones eingerichtet, der das Versenden und Empfangen von elektronischen Nachrichten, aber kein Surfen im Internet erlaubt. Der neue Service stiess auf riesiges Interesse. In nur drei Monaten meldeten sich 240’000 Nutzer an. Insgesamt wurden bereits mehr als 29 Millionen E-Mails verschickt.

Aber in den Jahren der Mangelwirtschaft haben die Kubaner gelernt zu improvisieren und eine Art Offline-Internet geschaffen. Informationen und Dateien werden über USB-Sticks und andere Datenträger von Hand zu Hand weitergegeben. Auf der Strasse kann man beispielsweise das sogenannte Paket der Woche («el paquete de la semana») kaufen. Es enthält eine Auswahl an Filmen, Seifenopern, Fotos, Zeitschriften und Ratgebern bis hin zu Wikipedia-Artikeln – Internet auf CD quasi.

Mancherorts gibt es auch lokale Wifi-Netze, über die gemeinsam Computerspiele gespielt sowie Neuigkeiten, Filme und Serien ausgetauscht werden oder über die man chattet. «Die technische Community verwendet nicht lizenzierte Versionen von Windows (die USA erlauben es nicht, Lizenzen zu erwerben) und GNU Debian Linux auf asiatischer Hardware und mit Firefox», stellte Schmidt fest, auf den das Ganze gewirkt haben muss wie eine Zeitreise:«Wenn Kuba in den 1950er-Jahren gefangen ist, steckt das Internet von Kuba in den 1990er-Jahren fest.»

US-Sanktionen sind schuld

Während politische Gegner der kubanischen Regierung vorwerfen, das Recht auf Informationsfreiheit zu beschneiden, macht diese die Wirtschaftsblockade der USA für die Schwierigkeiten verantwortlich und begründet damit auch die Restriktionen für individuellen Internetzugang. Die Sanktionen verhinderten, dass Kuba Anschluss an die Unterseekabel in der Karibik erhält oder US-Unternehmen Glasfaserkabel nach Kuba verlegen können.

Seit 1996 verfügt die Insel über Internetanschluss per Satellitenverbindung, was aber deutlich langsamer und teurer ist. Vor drei Jahren war dann mit grossem Tamtam ein Unterseekabel zwischen Venezuela und Kuba verlegt worden, mit dem Kuba endlich Internet-Breitbandanschluss erhalten sollte. Seither geht der Ausbau des veralteten Kabel- und Telefonnetzes aber nur schleppend voran. Wirklich spürbare Verbesserungen sind dadurch noch nicht festzustellen.

Anlässlich von Schmidts Besuch erinnerte die kubanische Tageszeitung «Granma» daran, dass Kuba eines der wenigen Länder der Welt ist, das aufgrund der US-Sanktionen zu einem Grossteil der Google-Dienste keinen Zugang hat, z.B. Google Analytics. Auch Googles Internet-Browser Chrome kann man in Kuba nicht herunterladen, ebenso wenig Millionen von Applikationen für Googles Betriebssystem für mobile Geräte, Android. Schuld auch dafür – die US-Sanktionen.

Schwieriger Marktzugang für Google

Andere, zum Teil skurrile Auswüchse der US-Blockade erfuhr Schmidt dagegen am eigenen Leib: «Die Regierung der USA bezeichnet Kuba als einen den ‹Terrorismus unterstützenden Staat› – auf einer Stufe mit Nordkorea, Syrien, Iran und Nord-Sudan.» Tatsächlich haben die USA Nordkorea im Gegensatz zu Kuba im Jahr 2008 von ihrer schwarzen Liste der Terrorunterstützer gestrichen. Es gibt auch kein Land, das Nord-Sudan heisst, nur Sudan – den Schmidt wahrscheinlich meint – und Südsudan.

«Reisen nach Kuba», so Schmidt weiter, «werden vom Amt zur Kontrolle von Auslandsvermögen des US-Finanzministeriums überprüft. Und mit unserer Reiseerlaubnis ist uns ausser Geschäftstreffen so gut wie nichts gestattet. Unser Hotel durfte nicht mehr als 100 US-Dollar pro Tag kosten und die täglichen Ausgaben 188 US-Dollar nicht überschreiten. Es ist nicht verwunderlich, dass es in Havanna viele Hotelzimmer gibt, die 99 US-Dollar kosten.» Und noch eine andere Sache ärgerte Schmidt: «Ein Resultat der Blockade ist, dass asiatische Technologie schwerer zu verdrängen sein wird.» Letztlich geht es eben immer auch um den Zugang zu Märkten. Die 11,2 Millionen Einwohner Kubas bilden immerhin den grössten Telekommunikationsmarkt der Karibik.

Und der könnte – vielleicht schon in gar nicht allzu ferner Zukunft – interessant werden, beispielsweise auch für Googles «Project Loon». Um ein solches Projekt auf der Karibikinsel voranzutreiben, bräuchte der Konzern allerdings die Genehmigung der kubanischen Regierung – und ein Ende der US-Blockade.

«Kuba wird seine Wirtschafts- und Handelspolitik öffnen müssen. Und die USA müssen ihre Geschichte überwinden und das Embargo beenden.»


Google-Chef Eric Schmidt

Dabei ist in letzter Zeit durchaus einige Bewegung in die Beziehungen zwischen den USA und Kuba gekommen: Zahlreiche namhafte US-Politiker, Vertreter religiöser Organisationen sowie der US-Handelskammer, die Kuba besucht hatten, sprachen sich kürzlich für ein Ende der Blockade und eine Normalisierung der Beziehungen beider Länder aus.

In einem Ende Mai veröffentlichten Interview bezeichnete US-Vizepräsident Joe Biden allerdings die Inhaftierung des US-Bürgers Alan Gross auf Kuba als «wichtiges Hindernis» für eine Verbesserung der Beziehungen. Gross war im Dezember 2009 in Havanna festgenommen worden. Er soll – ausgerechnet – satellitengestütztes technisches Equipment nach Kuba gebracht haben. Wegen Spionage wurde er zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Kuba fordert im Gegenzug die Freilassung der drei noch in den USA einsitzenden sogenannten «Cuban Five», kubanischer Agenten, die im Auftrag der Regierung in Südflorida Informationen über exilkubanische Gruppen gesammelt hatten, um Terroranschläge auf der Insel zu verhindern. Die Frage der Inhaftierungen ist zentral für die künftigen Beziehungen zwischen beiden Ländern; die USA haben einen Gefangenenaustausch zuletzt aber wiederholt abgelehnt.

Google hofft auf bessere Beziehungen

Eines aber lässt sich in jedem Fall nicht leugnen. Es sind neue Zeiten auf Kuba angebrochen. Das Land öffnet seine Wirtschaft – wenn auch vorsichtig. Am 1. Juli erst ist das Gesetz zu Auslandsinvestitionen in Kraft getreten, eines der wichtigsten und weitreichendsten Gesetze der vergangenen Jahre. Demnach sollen fast alle Sektoren der kubanischen Wirtschaft für ausländische Investitionen geöffnet werden. Ausgenommen bleiben die Bereiche Gesundheit, Bildung und Militär. Auch Exilkubaner können demnach künftig auf der Insel investieren.

Die USA aber stehen wegen ihrer Blockadepolitik weiter aussen vor – und damit auch Google. «Kuba wird seine Wirtschafts- und Handelspolitik öffnen müssen», schrieb Schmidt. «Und die USA müssen ihre Geschichte überwinden und das Embargo beenden. Beide Länder müssen schwierige politische Entscheidungen treffen, aber es wird sich lohnen.» Nicht nur, wahrscheinlich aber auch für Google.

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