Griechenland steht vor einem Flüchtlingsdrama & die Regierung streitet über einen Nebensatz

Rund 1000 Flüchtlinge scheiterten beim Versuch, von Idomeni nach Mazedonien zu gelangen. Ihr Scheitern hat nebenbei aber eine Regierungskrise in Athen ausgelöst. Das Flüchtlingsdrama spielt dabei nur eine Nebenrolle.

Marion Hoffmann zur Situation in Griechenland: «Eine solche Flüchtlingskrise kann kein Land alleine in den Griff bekommen.»

(Bild: REUTERS/Alkis Konstantinidis)

Rund 1000 Flüchtlinge scheiterten beim Versuch, von Idomeni nach Mazedonien zu gelangen. Ihr Scheitern hat nebenbei aber eine Regierungskrise in Athen ausgelöst. Das Flüchtlingsdrama spielt dabei nur eine Nebenrolle.

Am Montag haben rund 1000 Flüchtlinge das Zeltlager bei Idomeni verlassen und versucht, ihren Weg nach Mittel- und Nordeuropa über eine scheinbar weniger bewachte Stelle an der griechisch-mazedonischen Grenze fortzusetzen. Der Versuch scheiterte und hat nebenbei noch eine Regierungskrise in Athen ausgelöst. Das Flüchtlingsdrama spielt dabei nur eine Nebenrolle.

Der Grund: Ein Versprecher des griechischen Migrationsministers Giorgos Mouzalas im griechischen Fernsehen. Im Interview für den Privatsender «Skai TV» über den Flüchtlingsmarsch, den ein Flugblatt unklarer Herkunft angestiftet haben soll, sagte er:

«Wir glauben und haben Beweise, dass Erwartungen geweckt wurden durch Organisationen, die sich als freiwillige Helfer ausgeben, aber nichts zu tun haben mit denjenigen, die eigentlich helfen. Und gerade diese Menschen haben den Marsch nach Mazedonien organisiert.»

Allerdings bestimmte nicht der Inhalt seiner Aussage am Mittwoch die medialen Schlagzeilen, sondern dass er dabei den nördlichen Nachbarstaat einfach «Mazedonien» nannte, statt der von Athen offiziell benutzten Bezeichnung «Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien».

Seit Jahren liegen Athen und Skopje wegen des Namens «Mazedonien» im Streit. Für Griechenland ist es eines der grossen nationalen Themen. Jetzt verlangt die wichtigste Oppositionspartei, die rechtskonservative «Nea Demokratia», den Rücktritt von Mouzalas. Schlimmer noch: Auch der kleine Koalitionspartner in der griechischen Regierung, die nationalistischen «Unabhängigen Griechen» (Anel), besteht darauf.

Ihr Chef, Panos Kammenos, ist auch Verteidigungsminister. Wenn es Regierungschef Alexis Tsipras nicht gelingt, ihn zu besänftigen, muss Mouzalas gehen. Er wolle dem Kabinett keine Schwierigkeiten bereiten, hiess es derweil aus dem Büro des Migrationsministers.

Dabei braucht Griechenland diesen Migrationsminister

Das sind keine gute Nachrichten, einen Tag vor dem nächsten EU-Türkei-Gipfel zur Flüchtlingskrise. Mouzalas erwartet dort keinen Durchbruch. Seine Erfahrung ist in Griechenland gerade sehr gefragt. Mouzalas ist ein Mann vom Fach, Mitbegründer der Hilfsorganisation «Ärzte der Welt» und seit etwa 30 Jahren unterwegs in Krisenregionen, unter anderem im Irak.

Etwa 44’000 Flüchtlinge sind mittlerweile im Land. Die schlechten Wetterbedingungen in den vergangenen Tagen haben den Zuwachs aus der Türkei etwas gebremst, dies sei aber vorübergehend, meinen die griechischen Behörden. Der Migrationsminister rechnet mit etwa 100’000 Menschen bis Ende des Monats. Da die nördliche Grenze zu ist, bleiben sie vorerst in Griechenland und müssen versorgt werden.

Eine Reportage aus dem Flüchtlingslager bei Idomeni:

Im Idomeni-Lager hausen nach offiziellen Angaben etwa 10’500 Menschen, die meisten aus Syrien und dem Irak. Das ist etwas weniger als die 12’000 Anfang der Woche. «Es regnet nicht mehr, aber alles ist noch unter Wasser, die Zelte sind nass», sagte ein UNHCR Sprecher vor Ort. Es sei unklar, wie viele Flüchtlinge versucht haben, Anfang der Woche die Grenze zu passieren, manche sind aber zurückgekommen. «Einige von ihnen hoffen immer noch, in den Norden zu gelangen, während andere auf das EU-Türkei-Gipfeltreffen gespannt sind», erzählte er.



Migrants wade across a river near the Greek-Macedonian border, west of the the village of Idomeni, Greece, March 14, 2016. REUTERS/Alexandros Avramidis

Die Suche nach einem Weg führt Flüchtlinge auch durch Flüsse, wie diese Aufnahme vom Montag zeigt. (Bild: REUTERS/Alexandros Avramidis)

Freiwillige in Idomeni sagen, es sei dringend, die Menschen von dort in bessere Unterkünfte zu bringen. Auch 4000 Kinder und Säuglinge leben dort. Die griechische Polizei habe zwar vor Kurzem bekannt gegeben, dass man die Flüchtlinge übersiedeln werde, es sei aber immer noch unklar, wann genau und wohin. «Die Lage ist hoffnungslos», meinte der UNHCR Sprecher.

«Allein in drei Unterkünften in unmittelbarer Nähe von Idomeni haben wir 1600 freie Plätze», widersprach Giorgos Kyritsis, Regierungssprecher zur Flüchtlingskrise. Und ergänzte, dass die Polizei immer noch ermittle, wer hinter dem Flugzettel steckt, der den Marsch über die Grenze überhaupt ausgelöst hat.

Währenddessen hat am Mittwoch Angelina Jolie – die UNHCR-Botschafterin des Guten Willens – 4000 Flüchtlinge besucht, die derzeit am Hafen Piräus bei Athen leben.

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