Griechische Tragödien und die Frage, was man glauben soll

Was wären Ferien ohne gute Lektüre? Unsere Kolumnistin empfiehlt eine griechische Tragödie. Geschrieben hat sie ein Schweizer Ökonom und Finanzmarktspezialist.

Ein gutes Buch in den Ferien ist fast so wertvoll wie gutes Essen. Bei den alten Griechen finden Sie nahrhaften Lesegenuss.

(Bild: Anthony Bertschi)

Was wären Ferien ohne gute Lektüre? Unsere Kolumnistin empfiehlt eine griechische Tragödie. Geschrieben hat sie ein Schweizer Ökonom und Finanzmarktspezialist.

Sommerzeit. Ferienzeit. Endlich mal abschalten. Endlich mal Pause von all den Anforderungen des Alltags, aber auch von all diesen News und Katastrophen, mit denen uns die Medien ihre Sicht der Welt präsentieren.

Vielleicht liegen Sie am Strand. Oder Sie sitzen vor einer Berghütte. Und statt den Newsticker lesen Sie endlich wieder einmal ein gutes Buch. Einen Krimi vielleicht oder einen Roman. Oder – warum eigentlich nicht – wieder einmal eine griechische Tragödie.

Probieren sie es. Es ist befreiend. Endlich wieder einmal eine Geschichte, die Sinn macht, ohne dass sie mir mit jedem zweiten Satz ein Glaubensbekenntnis abverlangt: «Ich glaube, dass diese Geschichte die reine und volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit aussagt!» Vielleicht macht Ihr Roman ja gerade deswegen Sinn, weil er das nicht von Ihnen verlangt.

Was soll man glauben?

Oder eben die griechische Tragödie. Apropos: Was hat man uns über «die Griechen» nicht alles eingetrichtert in letzter Zeit? Dass sie über ihre Verhältnisse gelebt haben, dass sie sich mit falschen Wirtschaftsstatistiken in den Euro gemogelt haben, dass sie nichts Nützliches produzieren, mal abgesehen von Olivenöl vielleicht, und dass ihre Löhne zu hoch sind. Und noch ein paar Nettigkeiten. Was soll man davon glauben?

Ich lese auch gerade eine griechische Tragödie. Genauer gesagt: «Die griechische Tragödie und ihre Lösung», eine Studie des Schweizer Ökonomen und Finanzmarktspezialisten Michael Bernegger. Und die erzählt mir eine ganz andere Geschichte.
Griechenland, so Bernegger, mangle es gar nicht an «Wettbewerbsfähigkeit». Im Gegenteil: Griechenland sei das Land mit der grössten und leistungsfähigsten Handelsflotte der Welt und es sei sehr gut positioniert im Hochpreis- und Luxustourismus. Kein Land in Westeuropa ausser Norwegen habe von 1999 bis 2008 auch nur annähernd vergleichbare Exportzuwächse erreicht und das bei sinkenden Reallöhnen. Externe Faktoren – vor allem sinkende Frachtraten und stark steigende Ölpreise – hätten den Aufschwung 2008 zwar gestoppt. Aber eigentlich sei die griechische Wirtschaft produktiv und konkurrenzfähig.

Griechenlands heutiges Schuldenproblem rühre einzig und allein daher, dass die EU-Troika damals aufgrund falscher Daten eine völlig verfehlte Wirtschaftspolitik durchgedrückt habe. Die griechische Wirtschaftsstatistik erfasse nämlich aus konzeptionellen und machtpolitischen Gründen grosse Teile der Exporte nicht oder nicht richtig: Praktisch die ganze Handelsschifffahrt werde über ausländische Dollar-Konten der Reedereien abgewickelt, im Tourismus grassiere die Schattenwirtschaft, etc.

Glauben Sie nicht alles

Das auf falschen Daten basierende Rezept der Troika auf den externen Schock lautete: interne Abwertung, Lohnsenkungen, Sparen. Ich kann hier leider nicht in die Details gehen. Aber Michael Bernegger belegt akribisch und sehr überzeugend, dass dies so etwa das Dümmste war, das man damals tun konnte. Diese falsche Politik führte das Land geradewegs in eine extreme Rezession, in eine Bankenkrise und schliesslich in die heutige Schuldenkrise.

Was nun? Was soll man glauben? Das mit den falschen Statistiken stimmt zwar offensichtlich, aber umgekehrt als man uns bisher erzählt hat. Lesen Sie den Aufsatz von Michael Bernegger.

Und vor allem: Glauben Sie nicht alles, was man Ihnen erzählt.

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«Die griechische Tragödie und ihre Lösung» von Michael Bernegger können Sie in aller Ausführlichkeit im PDF-Format herunterladen. Oder Sie lesen sie in einer ausführlichen Zusammenfassung

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