Grosses Geheul um Notfallpläne des Bundes

Heute Mittwoch (13.30 Uhr) wird getestet, ob bei einem Ernstfall alle Sirenen auch tatsächlich wie geplant heulen würden. Ebenso funktionieren müssten auch die neuen Notfallpläne des Bundes. Doch daran wird stark gezweifelt.

Blick auf den Bildschirm in der Einsatzzentrale der Kantonspolizei Zürich. (Bild: Keystone)

Heute Mittwoch wird getestet, ob bei einem Ernstfall alle Sirenen auch tatsächlich wie geplant heulen würden. Ebenso funktionieren müssten auch die neuen Notfallpläne des Bundes. Doch daran wird stark gezweifelt.

Heute Mittwoch um 13.30 Uhr heulen in der ganzen Schweiz wieder einmal die Sirenen. Und wieder wird den einen oder anderen dabei ein ungutes Gefühl beschleichen. Ein Gefühl, das gar nicht nötig ist – eigentlich. Denn der Alarm ist nur ein Test.

Dennoch machen sich auch die Behörden Sorgen wegen eines möglichen Ernstfalls. Darum lanciert das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) in diesen Tagen eine neue Informationskampagne. Die Menschen, die im Umkreis von 20 Kilometern zu einem Atomkraftwerk leben, erhalten eine neue «Checkliste für das richtige Verhalten im Ereignisfall» und eine «praktische Kunststoffmappe für die dauerhafte Aufbewahrung der Unterlagen» und der bereits abgegebenen «Jodtabletten». Das teilte das BABS am Dienstag mit.

Noch am gleichen Tag gab es auch schon Kritik. Die Planung habe «mit der Realität wenig zu tun», hielten die Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz fest. Das habe spätestens die AKW-Katastrophe in Fukushima deutlich gemacht, bei der Menschen im Umkreis von 40 Kilometern ihre Häuser verlassen mussten.

Darum können die Ärztinnen und Ärzte nicht verstehen, warum Evakuierungen in der neuen Broschüre kein Thema sind. «Der Katastrophenschutz ist bei schweren Unfällen nicht gewährleistet», folgern die Ärzte – und schlagen eine radikale Lösung vor: die Stilllegung der alten AKW Mühleberg und Beznau.

Doch das ist in Bundesbern kein Thema. Stattdessen stellt das BABS Evakuierungspläne für später in Aussicht. Die ETH Zürich arbeite zusammen mit einer Berliner Universität daran. Bis Ende Jahr soll der Schlussbericht vorliegen.

Umstrittene Gefahrenzone

Ein weiterer Streitpunkt ist die Grösse der eigentlichen Gefahrenzonen 1 und 2 rund um die AKW. Bis jetzt hat der Bundesrat diese auf 20 Kilometer festgelegt. Neben einer ganzen Reihe von Aargauer und Solothurner Gemeinden gehören in der Nordwestschweiz auch 45 Baselbieter Gemeinden zu diesem Gebiet. Die darüber hinausgehende Gefahrenzone 3 umfasst die übrige Schweiz in mehr als 20 Kilometern Enfernung zu einem AKW. «Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung» seien dort «während des Durchzugs einer radioaktiven Wolke aller Voraussicht nach nicht notwendig», hiess es in einer Informationsbroschüre des Kantons Basel-Landschaft von 1994.

Eine zweifelhafte Aussage. «Wir müssen uns fragen, ob unsere Szenarien realistisch sind», sagte auch Marcus Müller, Leiter des Baselbieter Krisenstabes, nach der Katastrophe in Fukushima. Darum setzte er sich auf Bundesebene für die Ausdehnung der Zone 2 ein, in der auf Kosten der AKW-Betreiber vorsorglich Jodtabletten verteilt werden. Die Unterstützung zumindest der atomkritischen Basler Regierung war ihm gewiss. Denn für sie ist klar, dass ein Unfall in einem Aargauer oder Solothurner AKW für die gesamte Region schwerwiegende Auswirkungen haben könnte, wie sie in ihren Stellungnahmen zu neuen AKW-Projekten mehrfach schrieb.

Trotz der Einwände ändert sich bis auf Weiteres aber gar nichts an der umstrittenen Zonierung. Die soeben lancierte Infokampagne des BABS basiert noch genau gleich wie das veraltete Infoheft von 1994 darauf. Änderungen sollen erst in fünf bis zehn Jahren vorgenommen werden. Solange soll die neue Broschüre aktuell sein – falls sie nicht heute schon veraltet ist, wie zumindest die Kritiker sagen.

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