Grossratspräsidentin Dominique König: Im Alter wird sie radikaler

Am 3. Februar leitet Dominique König (SP) erstmals die Grossrats-Sitzung. Diese Jahreszeit ist für sie schwierig, vor einem Jahr verlor sie ihren Sohn.

Eine Frau von magistralem Kaliber: Grossratspräsidentin Dominique König.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Ob Gott den Menschen oder der Mensch Gott erschaffen hat, ist umstritten. Eines hat Gott aber ganz sicher geschafft: Er hat mitgeholfen, Dominique König-Lüdin in den Grossen Rat zu bringen – in Zusammenarbeit mit Christoph Blocher.

Wir sitzen im Café des Literaturhauses. Die 59-Jährige ist mit dem Velo durch die eisige Kälte geradelt, bestellt einen Tee und erzählt, wie sie in die Politik gekommen ist.

Stimmen von Mitgläubigen 

Es war eben nicht nur Königs verstorbener Vater Frank Lüdin, der FDP-Landrat, Baselbieter Verfassungsrat und Verleger der «Basellandschaftlichen Zeitung», der den Ausschlag gegeben hat, sondern es war auch Blocher. Als der 2003 Bundesrat wurde, dachte König: «Jetzt muss ich etwas tun, sonst verbläst es mich vor Wut.» Deshalb trat sie mit 47 Jahren in die SP ein und kandidierte für den Grossen Rat. 

König wurde auf Anhieb gewählt. Das verdankt sie – und hier sind wir wieder bei Gott – unter anderem auch ihrem Glauben. Sie engagierte sich jahrelang in der Gellertkirche. «Ich habe viele Stimmen aus der Gemeinschaft erhalten», sagt sie.

Dass es König «fast verbläst vor Wut», ist kaum vorstellbar, so ruhig antwortet sie auf Fragen, so freundlich, ernst – professionell. Sogar, wenn man sie auf das letzte Jahr anspricht, bleibt König gefasst. Sie versteckt ihre Gefühle nicht und fängt sofort an zu weinen, doch sie wirkt nicht aufgelöst. König hat das Schlimmste erlebt, was einer Mutter passieren kann: Sie hat ihren Sohn in einem Lawinenunglück verloren.

«Ich versuche zu leben»

Das war am 31. Januar 2015. Jetzt, ein Jahr später, am 3. Februar, beginnt ihre Amtszeit als Grossratspräsidentin. Dazu gehört auch, dass sie ihren Einstand mit einem Fest für alle Grossräte feiert. «Das wird nicht leicht», sagt König. Sie müsse sich hin und wieder zurückziehen.

Doch der totale Rückzug ist nicht Königs Lösung. «Ich versuche zu leben», sagt sie. Wenn sie daheim sitze, versinke sie in Trauer. Der Glaube ist ihr keine Hilfe. «Ich habe nach dem Tod meines Sohnes sehr mit Gott gehadert», sagt sie.

Sport hilft besser. Ein paar Tage nach dem Unglück ging König auf eine Skitour in den Bergen. «Ich musste meinen Körper spüren», sagt sie. Auch das Cembalospielen tut ihr gut, und neue Herausforderungen wie ein Jodelkurs und ein neues Instrument, die Handorgel, helfen bei der Trauerarbeit. Und natürlich ihr Partner, ihre beiden Töchter und ihre Enkelin. «Sie ist das pure Leben.»

Als Präsidentin auch mal tough

König hat kein Problem damit, über ihren Verlust zu sprechen. «Doch ich möchte nicht, dass man mich nur noch darüber definiert.» Darüber muss sich König keine Sorgen machen. Dafür ist sie zu respektiert.

Als ehemalige Präsidentin der Geschäftsprüfungskommission (GPK), derjenigen Kommission, die der Regierung und der Verwaltung auf die Finger schaut, hat sie sich einen Namen als fähige Sachpolitikerin mit Führungskompetenzen gemacht. Und das auch bei den Bürgerlichen.

LDP-Grossrat Thomas Strahm war bereits in der GPK, als König die Leitung übernahm. «Wenn nötig, hat sie die Kommission tough geführt, wenn möglich, liess sie uns Freiheiten», sagt Strahm anerkennend.

Autonome Denkerin

König kennt ihre Dossiers, und ist sattelfest in verschiedensten Themen  – von Motorfahrzeugsteuern und Strommarktpreisen über Lärmschutz bei Autobahnen und dem Beschaffungswesen bis hin zur Kinderbetreuung.

Urs Müller (BastA!), ebenfalls Mitglied der GPK, sagt: «König denkt autonom – sie plappert nie einfach dem Parteibüchlein nach.» Ausserdem bleibe sie hartnäckig an Themen dran und lasse sich nicht einfach von der Regierung abspeisen.

Beispiel häusliche Gewalt: Hier herrschte der Verdacht, dass das Verhalten der Staatsanwaltschaft Opfer davon abhielt, gegen die Täter zu klagen. König blieb am Thema dran und erreichte, dass die Staatsanwaltschaft nun enger mit der Fachstelle Häusliche Gewalt zusammenarbeitet.

Garderobenständer schweissen zusammen

Auch ausserhalb der GPK wird König geschätzt. FDP-Grossrat Christoph Haller zeigt sich fast schon als Fan, «obwohl sie naturgemäss in der falschen Partei ist». «Dominique König ist extrem engagiert, handelt überlegt und ist undogmatisch», sagt er.

Ausserdem teilten sie einige Gemeinsamkeiten, betont er mehrmals. Sie hätten den gleichen Jahrgang und seien im gleichen Jahr gewählt worden, sie seien beide Grosseltern und – das ist auch nicht zu unterschätzen – «unsere Garderobenständer im Grossen Rat stehen nebeneinander».

Haller ist überzeugt, dass Basel es König zu verdanken hat, dass der Weihnachtsmarkt heute auch auf dem Münsterplatz stattfindet. Ihre schriftliche Anfrage ist zwar bei der Regierung abgeblitzt, aber «sie hat den Weg geebnet». 

Lohngleichheit und Vaterschaftsurlaub

Führungspersönlichkeit, Sachkompetenz, professioneller Auftritt, – diese Frau scheint von magistralem Kaliber und wie geschaffen für ein Regierungsratsamt. Doch König winkt ab. Sie will nicht in die Exekutive, in der sie die eigene politische Meinung dem Kompromiss unterordnen müsste. «Als Parlamentarierin bin ich viel freier, meine politische Meinung zu vertreten.»

Ausserdem werde sie mit den Jahren nicht gemässigter, sagt König: «Je älter ich werde, desto radikaler werde ich.» Wieder so ein Satz, den man nicht erwartet aus dem Mund der ruhigen König. Doch sie hat Beispiele – es geht vor allem um Gleichstellung. «Dass Frauen immer noch weniger verdienen als Männer, ist inakzeptabel», sagt sie.

Ausserdem sei es Zeit für den Vaterschaftsurlaub. 2011 hat sie in einem Anzugzwei Wochen bezahlten Urlaub für frisch Vater Gewordene im Kanton gefordert, ist damit aber gescheitert.

Jesus, der Sozi

Ein weiteres Anliegen: «Grosseltern sollten ihre Betreuungsarbeit bei der AHV anrechnen können.» Schliesslich leisteten sie Gemeinschaftsarbeit, sagt König. Sie selbst hütet ein Mal pro Woche ihre dreijährige Enkelin.

König ist und bleibt auch eine Familienfrau – das kommt in ihrem Lebenslauf an erster Stelle, vor dem Beruf Musikpädagogin. Und damit sind wir wieder bei Gott. Es waren ihre Kinder, die König zur Kirche brachten. «Ich wollte ihnen Werte mitgeben», sagt sie. «Schliesslich war Jesus der erste Sozialdemokrat – er gibt denen, die in Not sind.»

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Die Antrittsrede von Dominique König im Grossen Rat können Sie hier lesen.

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