Günstiger Wohnraum: Basler Abrisspolitik gerät in Kritik

In Basel wird fleissig abgerissen und neu gebaut. Architektin Barbara Buser kritisiert diesen Trend aus ökonomischen und städtebaulichen Gründen scharf. Auch politisch steigt der Druck: Braucht Basel einen Kurswechsel? 

Es geht grad viel kaputt in Basel: Die Linke fordert einen stärkeren Abbruchschutz. (Bild: Nils Fisch)

Ihr erstes Zeichen hat Barbara Buser schon gesetzt. Die Architektin, bekannt geworden durch zahlreiche erfolgreiche Zwischen- und Umnutzungen, ist neu Mitglied der Stadtbildkommission – und noch vor der ersten Sitzung kritisiert sie ein Neubauprojekt scharf. 

Es geht um den Fall Mattenstrasse, wo ein katholischer Verein historische Wohnhäuser abreissen will und dabei günstigen Wohnraum zerstört. Das Ziel des Vereins ist es, mit einem 6,5 Millionen Franken teuren Neubau die Wohnfläche zu verdoppeln und finanzschwache Mieter zu subventionieren.

Christen wollen Gutes tun und schmeissen ihre Mieter raus

«Der Abbruch der Mattenstrassenhäuser bedeutet eine Verarmung unseres Stadtbildes», stellt Buser in einem Leserkommentar fest. Sie fragt: «Muss es denn sein, dass die letzte Lücke in unserer Stadt mit neuen Häusern aufgefüllt wird, die alle ähnlich aussehen? Dass der letzte von der Ausnutzungsziffer erlaubte Quadratmeter auch gebaut wird?»

Am 22. August hat Buser ihr erstes Treffen mit den Kollegen von der Stadtbildkommission. Sie hofft, dass das Projekt an der Mattenstrasse 74 und 76 dann auf der Traktandenliste steht. Es wird ein Testlauf, ob die Stadtbildkommission mit Buser korrigierend auf die vollends auf Erneuerung ausgerichtete Basler Wohnpolitik einwirken kann.

Das Verschwinden der Altbauten

Buser stört sich an der Abrisspolitik in Basel. «Was in Basel gerade passiert, ist schlimm – und es macht mich traurig», sagt sie auf Anfrage. «Bei jedem Erbgang, jedem Verkauf geht ein altes Haus verloren, wenn die mögliche Ausnutzungsziffer höher ist als der Bestand.» Beispielhaft sei die Situation im Gundeli-Quartier, wo durch die Aufzonung höhere Häuser möglich wurden. «Das ist der Tod der alten Häuser, eins nach dem anderen wird abgerissen», sagt Buser.

Die letzten zwei Jahre wurden mehr Stadtwohnungen abgebrochen als in den fünf Jahren davor zusammen.

Dass auf dem Basler Wohnbaumarkt die Intensität steigt, zeigt ein Blick auf die Statistik. Mit 2 Milliarden Franken wurde 2016 so viel Geld in Beton verplant wie nie zuvor. Davon entfallen knapp 500 Millionen auf den Wohnsektor. Das Volumen nimmt Jahr für Jahr zu, auch weil so viel abgerissen wird wie seit Jahren nicht mehr. 225 Wohnungen wurden in den vergangenen zwei Jahren auf Stadtgebiet abgebrochen – mehr als in den fünf Jahren davor zusammen.

Im Vergleich mit der Stadt Zürich, wo in den letzten Jahren ein in der Schweiz einzigartiger Bauboom zu beobachten ist, zeigt sich die Situation in Basel allerdings ruhig. In Zürich wurden alleine 2015 über 1000 Wohnungen abgerissen. 

Was beide Städte verbindet, ist der erklärte politische Wille hinter dieser Entwicklung.  Mit dem Wohnraumfördergesetz von 2014 hat es Basel profitorientierten Playern erleichtert, Häuser abzureissen. Dazu treiben staatliche Bürgschaften für gemeinnützige Träger aufwendige Sanierungen und Neubauten im Genossenschaftsbereich voran.

Wie günstig ist alter Wohnraum?

Von links wird nun eine Kurskorrektur gefordert. Tonja Zürcher, Co-Parteichefin der linken BastA! wünscht sich ein strengeres Abbruchgesetz, das den Abbruch nur noch in wenigen Ausnahmefällen zulässt. Dann nämlich, wenn die Gebäude wirklich baufällig sind und ein Sicherheitsrisiko darstellen. Ansonsten soll das Gesetz den Bestand an Altbauwohnungen schützen. «Es stört mich sehr, wie viele günstige Altbauten derzeit abgerissen werden», so Zürcher.

Einen kleinen Erfolg hat die Politikerin schon erwirkt. Sie hat eine Gesetzesänderung durchs Parlament gebracht, die eine Ausweitung der Bürgschaften vorsieht. Künftig sollen auch Vereinigungen wie das Mietshäuser Syndikat mit Bürgschaften gestützt werden, das Häuser gemeinsam mit den Bewohnern aufkauft und so günstige Mieten schützt.

«Es lohnt sich, in alte Häuser zu investieren», ist Umnutzerin Barbara Buser überzeugt. 

Für strengere Abbruchvorschriften dürften der Linkspartei aber die Mehrheiten fehlen. Das weiss auch Zürcher: «Auf dem parlamentarischen Weg wird es sehr schwierig, solange die Sozialdemokraten nicht bereit sind, mit uns zusammenzuarbeiten.» Die SP müsse von ihrer Doktrin abweichen, wonach eine hohe Bautätigkeit automatisch zu günstigem Wohnraum führe. Sie hofft, dass von der Basis Druck gemacht wird auf die Parteileitung, die Wohnpolitik zu überdenken.

Beda Baumgartner, Vizepräsident der SP, lässt durchblicken, dass sich die Wohnpolitik der Partei nicht grundlegend verändern wird: «Der Wohnungsbestand muss früher oder später erneuert werden.» Wichtig sei jedoch, wie das Ganze sozial begleitet werde und dass sanfte Sanierungen geprüft würden. 

Es sei falsch, den Neubau von Genossenschaftswohnungen grundsätzlich infrage zu stellen. Neuer gemeinnütziger Wohnraum und der Erhalt des Altbestands sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden. Handlungsbedarf sieht Baumgartner beim Abbruchschutz: «Hier müssen wir uns darüber unterhalten, ob es eine schärfere Formulierung braucht.»

Den Fall Mattenstrasse nochmals prüfen

Für die Bewohner an der Mattenstrasse 74 und 76 kommt die politische Debatte zu spät. Dort versucht man den Eigentümer, den karitativen katholischen Vinzenzverein, zur Einsicht zu bewegen und einen Neubau zu verhindern. 

Stadtbildschützerin und Architektin Barbara Buser glaubt, dass es sich für den Verein lohnen würde, nochmals über die Bücher zu gehen. Sie sei bereit, sich die Häuser anzuschauen und zu überprüfen, wie die Bausubstanz mit einer sanften Sanierung erhalten bleiben kann – und wieviel Wohnraum dazu gebaut werden kann, ohne den Charakter des Häuser-Ensembles zu zerstören. 

Busers bestes Argument dürfte ein ökonomisches sein: «Ich habe zig Liegenschaftsrechnungen gemacht. In den meisten Fällen ist die Rendite mit einem Neubau nicht höher als bei einer sanften Sanierung. Häufig ist die Schätzung der Baukosten bei Neubauten zu optimistisch, und trotz höherer Neubaumieten ist die Rendite letztendlich sogar tiefer. Es lohnt sich deshalb, in alte Häuser zu investieren.»

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