Gummischrot: Im Ausland geächtet, in Basel Mittel der Wahl

Der Gummischrot-Einsatz vom Sonntag hat wohl mindestens eine Person schwer verletzt. Die umstrittene Waffe wird bald auch auf politischer Ebene diskutiert werden.

Hinter der Muttenzerkurve waren am Boden diese Geschosse zu finden.

Der Polizeieinsatz am Sonntag hat aufseiten der Matchbesucher mindestens ein Opfer gefordert. Dies bestätigte der Sicherheitschef des FC Basel, Beat Meier, am Dienstag. «Die Sanität musste eine Person mit schwerer Augenverletzung ins Spital bringen. Danach erfolgte eine Notoperation.» Mehrere Augenzeugen berichteten übereinstimmend von weiteren Verletzungen, die durch den Einsatz von Gummischrot verursacht wurden.
Dieser Vorfall wirft erneut die Frage auf, ob Gummischrot ein geeignetes Mittel ist, um in solchen chaotischen und unübersichtlichen Situationen eingesetzt zu werden. Die Gefahr von Querschlägern ist auf dicht bebautem Gelände wie etwa der Eventplattform enorm, auch werden die Projektile beim Abfeuern breit gestreut. 

Zwei Systeme: Präzision und Streuwirkung

Die Kantonspolizei Basel verfüge über zwei Systeme zur Abgabe von Gummigeschossen, erklärt Sprecher Andreas Knuchel. Mit dem sogenannten Mehrzweckwerfer werden Schrotladungen abgefeuert, die 35 prismaförmige Projektile enthalten, sich nach dem Austritt rasch verteilen und eine entsprechende Streuwirkung entfalten. Der Mehrzweckwerfer ist ein umgebauter Karabiner mit Holzschaft. «Der Mindestabstand beträgt ausser bei Notwehr und Notwehrhilfe (wie am Sonntag) 20 Meter», sagt Knuchel.

Beim anderen System handle es sich um einen 40-mm-Werfer, der einzelne, kugelförmige Gummigeschosse abfeuert. Dieses System stehe nur «speziell ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern» zur Verfügung, sagt Knuchel. Auch mit diesem System dürfe die Mindestdistanz von «5 bis 30 Metern» bei Notwehr unterschritten werden.

Während Gummigeschosse im europäischen Ausland kaum eingesetzt werden beziehungsweise sogar verboten sind, greift die Basler Polizei regelmässig zu dieser Waffe. So wurde etwa eben erst Anfang März eine Demo im Kleinbasel mit Gummischrot aufgelöst. Auch dort gab es Verletzte, eine ältere Teilnehmerin des Umzuges wurde im Gesicht getroffen. Die Juso reichten deswegen später eine Anzeige ein.

«Gummischrot ist ein ungeeignetes Mittel, die Verletzungsgefahr ist zu hoch», sagt SP-Grossrat Pascal Pfister.

SP-Grossrat Pascal Pfister legt politisch nach und reicht «in den nächsten Tagen» eine schriftliche Anfrage zum Thema ein. In einem Entwurf des Dokumentes fragt Pfister beispielsweise nach den Einsatzrichtlinien der Kantonspolizei. Ausserdem will er wissen, ob polizeiintern über polizeitaktische Alternativen zu den Gummigeschossen nachgedacht werde. «Ich halte Gummischrot ganz generell für ein ungeeignetes Mittel. Die Verletzungsgefahr ist einfach viel zu hoch», sagt Pfister.

Eine andere Sichtweise vertritt Partei- und Parlamentskollege und früherer Fanarbeiter Thomas Gander. «Die Schweizer Polizei arbeitet auf Distanz und auf Auflösung, während in Deutschland die Konfliktparteien stärker aufeinandertreffen. Dort kommen Schlagstöcke viel mehr zum Einsatz.» Es stelle sich letztlich die Frage, was man lieber sehe. «Würde die Polizei im grossen Stil mit Schlagstöcken auf Leute losgehen, wäre der Aufschrei mindestens so gross wie bei Gummischrot.»

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Die Berichterstattung zu den Ausschreitungen am 10. April rund um den St.-Jakob-Park:

» Ein Forscher erklärt, weshalb es zwischen Fans und Polizei zu Ausschreitungen kommt

» So will die Regierung auf die Ausschreitungen reagieren

» Die Rekonstruktion der Ereignisse

» Suche nach Augenzeugen

» Die Eskalation am Tag der Geschehnisse

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