Überlebt die Basler LDP das Ende der Amtszeit von Christoph Eymann? Eine Bestandesaufnahme.
Patricia von Falkenstein reicht es langsam. «Oh, nicht schon wieder! Das nervt!», sagt sie aufbrausend, aber dennoch freundlich. Die Präsidentin der Liberalen mag die Fragen nach «dem von den Medien prophezeiten Untergang» ihrer Partei nach der Ära Christoph Eymann nicht mehr hören.
Für von Falkenstein dreht sich die Welt auch ohne Christoph Eymann weiter, das war schon einmal so und wird auch nach seinem angekündigten Rücktritt aus der Regierung so bleiben. «Nur die Medien sehen ein Problem. Aber die Partei besteht nicht nur aus Christoph Eymann, wir haben einige bekannte Köpfe», sagt sie.
Von Falkenstein mag teilweise recht haben. Dennoch werden die nächsten Wahlen zur Härteprobe für die LDP. Die goldenen Zeiten, in denen die Liberalen mit Ueli Vischer und Christoph Eymann noch mit zwei Sitzen in der Regierung vertreten waren, sind nur noch im Staatsarchiv zu finden.
Spätestens nach den Gesamterneuerungswahlen 2016 kann die LDP, die seit ihrer Gründung vor 108 Jahren immer in der Regierung war, froh sein, wenn sie überhaupt noch eine Rolle in der Exekutive spielt. Und die Personaldecke an aussichtsreichen Kandidaten ist dünn. So hat einer der Hoffnungsträger der Liberalen, Grossrat und Bankratspräsident Andreas Albrecht, gegenüber der TagesWoche bereits seinen Rücktritt aus der Politik angekündigt.
Zu grosse Nähe zu Eymann
Der zweite aussichtsreiche Kandidat, Conradin Cramer, zeigt zumindest im Moment keine Ambitionen für eine Regierungsratskandidatur. Der Advokat der Kanzlei Vischer und Grossratspräsident sagt: «Momentan habe ich kein Bedürfnis, meinen Beruf zu wechseln.» Es sei aber auch noch zu früh, um sich über die nächsten Wahlen in drei Jahren Gedanken zu machen. Er werde sich zu gegebener Zeit intensiv mit dieser Frage auseinandersetzen.
Eine Person, die sich bereits selbst in Position für das Regierungsamt gebracht hat, ist Patricia von Falkenstein. Sie kann bei einer Kandidatur auf den Frauenbonus hoffen – und gleichzeitig eben auch nicht. Denn gerade in ihrer Partei haben nicht wenige Männer ein altmodisches Frauenbild und sähen ein derart anspruchsvolles und prestigeträchtiges Mandat ungern in Frauenhand.
Zum Nachteil könnte von Falkenstein auch ihre Nähe zu Christoph Eymann gereichen. Immer wieder ist zu hören, dass es skurril wäre, den Sitz von Eymann durch seine ehemalige Lebenspartnerin und Mutter seiner beiden Kinder zu ersetzen. Es gibt Parteivertreter, die befürchten, dass Eymann über von Falkenstein weiterhin Einfluss nehmen könnte. Viele wünschen sich neue Impulse.
Von Falkenstein sagt dazu: «Was geht das diese Leute bitte an? Es ist für gewisse Menschen wohl nicht nachvollziehbar, dass man eine gute Beziehung zu seinem ehemaligen Partner pflegen kann.»
Schwache Jungpartei
Aber nicht nur um ihre Stellung in der Regierung muss die «Partei der Intelligenz und des Reichtums», wie sie früher genannt wurde, kämpfen. Zwar wäre es vermessen zu behaupten, dass sie keine wichtige Rolle mehr im Ratsbetrieb spielt, aber der Einfluss der LDP hat sich in den letzten 20 Jahren verringert. 1987 war die Partei mit einem Stimmenanteil von 12,3 Prozent noch stärkste bürgerliche Kraft, heute kommt sie nur noch auf 9,6 Prozent. Immerhin: Bei den letzten Grossratswahlen 2012 legte sie um einen Sitz auf insgesamt zehn Mandate zu.
Es ist inzwischen eine bunte Truppe, die im Grossen Rat für die LDP politisiert. Auf der einen Seite stehen die klassischen Liberalen wie aus dem Bilderbuch: Conradin Cramer, Andreas Albrecht oder der Daig-Vertreter Heiner Vischer.
Auf der anderen Seite finden sich der ehemalige Kulturchef Michael Koechlin, der sich für die Wagenleute am Hafen eingesetzt hat, oder der Populist André Auderset, der auch in der SVP bestens aufgehoben wäre. Redet man mit linken oder bürgerlichen Politikern, sind viele lobenden Worte für die Fraktion zu hören. Als «intelligent», «umgänglich», «unkompliziert» und «nett» wird sie beschrieben.
Eine bunte Truppe
Ein Muster wiederholt sich in der Biografie der Partei: Die profilierten und prägenden Köpfe ziehen sich irgendwann vom politischen Parkett zurück. So geschehen bei Ueli Vischer und Andreas Burckhardt (Baloise-Verwaltungsratspräsident), bald folgen Andreas Albrecht und Christoph Eymann. Sie alle spielen ihre Rolle auf der «Baseldytsche Bihni» (auch so wird die LDP genannt) so lange, bis ein anderes Engagement lockt.
Die Liberalen werden grauer und grauer – und Nachwuchs ist kaum mehr in Sicht. Die Jungliberalen nimmt man im Unterschied zu früher nicht mehr wahr. Dass die konservative Partei mit ihren rund 450 Mitgliedern durchaus auch eine wilde Jungpartei neben sich goutiert, bewies sie vor zehn Jahren. Damals war Conradin Cramer Präsident der Jungliberalen und bezeichnete das Militär als zu aufgebläht, zu teuer und zu schwerfällig. Die Parteioberen waren schockiert über seine Haltung.
Überhaupt sorgten Cramer und seine Gefährten immer wieder mit ungewöhnlichen Aussagen oder Ideen für Aufsehen, beispielsweise, als sie die Schaffung eines Basler Botschafterpostens in Bern und dafür die Streichung eines Regierungssitzes forderten. Heute ist von dieser Aufmüpfigkeit bei den Jungliberalen nichts mehr zu spüren, die Partei unter Philip Schotland wirkt zuweilen konservativer als ihre Mutterpartei.
Daig weniger stark präsent
Es gibt noch eine Frage, die Patricia von Falkenstein nicht mehr erträgt: diejenige nach einer Fusion mit der FDP. Nur noch in Basel und im Waadtland gibt es die Liberalen als eigenständige Partei. Überall sonst fusionierten sie 2008 mit der FDP. «Solange ich Präsidentin bin, gibt es keine Fusion. Eins und eins gibt normalerweise zwei, bei der FDP und LDP in Basel wäre dies aber nicht der Fall. Wir sind zu verschieden.»
Vehementer Gegner einer Fusion mit der FDP ist auch alt Regierungsrat Peter Facklam (1980–1992). Er sagt: «Natürlich waren wir früher stärker, aber wir sind nicht so schwach geworden wie die FPD. Deshalb sind wir besser dran, wenn wir eigenständig bleiben.» Facklam ist seit mehr als 50 Jahren LDP-Mitglied. Die Partei habe sich nicht gross verändert und sei immer noch sehr staatskritisch, sagt er. Einen Unterschied stellt er aber trotzdem fest: «Der Daig hat eine grosse Rolle in dieser Partei gespielt. Das ist aber nicht mehr so. Heute sind wir durchmischter.»
Verwurzelt und verstrickt
Facklam macht sich offenbar wenig Sorgen um die Zukunft seiner Partei nach der Ära Eymann. «Wir haben gute Köpfe», sagt er. Zudem habe die LDP in Basel eine «lange Tradition» und eine «treue Stammwählerschaft».
Vielleicht unterschätzen jene, die die Partei gerne totreden, diese beiden Tatsachen. Wurde die nationale Mutterpartei, die Liberale Partei Schweiz (LPS) erst 1913 gegründet, gab es die LDP in Basel bereits seit 1905. Wohl noch relevanter ist: Die Liberalen sind in Basel zutiefst verwurzelt und verstrickt. Die Seilschaften werden schon in jungen Jahren, an Hochschulen und in Studentenverbindungen, geknüpft.
Natürlich wäre der Verlust einer Regierungsvertretung schmerzhaft. Aber die Liberalen sind in dieser Stadt derart gut vernetzt, dass ihr Einfluss und ihre Existenz nicht von einzelnen politischen Mandaten abhängt. Dazu sitzen ihre Vertreter in zu vielen anderen wichtigen Gremien.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 22.11.13