Halali auf Basels Jäger

Das geforderte Jagdverbot bringt die baselstädtischen Jäger unter Druck. Ein Besuch in ihrem Revier.

Anlegen und warten. Wenn Wildschweine Schäden auf den Feldern verursachen, zählen die Bauern auf die Treffsicherheit der Jäger. (Bild: Basile Bornand)

Das geforderte Jagdverbot bringt die baselstädtischen Jäger unter Druck. Ein Besuch in ihrem Revier.

Geht es nach Brigitta Gerber, dann fällt in den Basler Wäldern demnächst der letzte Schuss. Die Gross­rätin (Grüne/BastA!) verlangt gemeinsam mit 13 weiteren Parlamentariern die Abschaffung der Jagd. In ihrer Motion bezeichnen die Politiker die Jagd als «Relikt aus vergangenen Zeiten». Es gebe keine wildbiologischen Gründe, diese aufrechtzuerhalten. Dabei verweisen die Politiker auf den Kanton Genf, wo die Jagd seit 40 Jahren erfolgreich verboten ist.

Der schiesswütige Naturverschandler

An der politischen Motion hat sich in der Zwischenzeit eine Grundsatzdiskussion entzündet. Seit Wochen liefern sich Gegner und Befürworter eine Debatte auf sämtlichen Kanälen. Diese dreht sich um das Wohlbefinden der Wildtiere, die Notwendigkeit der Jagd zur Regelung der Bestände, und dazwischen wird immer wieder ein gängiges Klischee bedient: Der Jäger als schiesswütiger Naturverschandler.

Es gibt sie tatsächlich, die Basler ­Jäger. Drei Pächter teilen sich die ­beiden Jagdreviere zwischen Riehen, Bettingen und der Chrischona. Ins­gesamt haben zwölf Jäger eine Be­willigung für das rund 350 Hektar grosse Gebiet. Jahrelang hat kaum jemand Notiz von ihnen genommen, der politische Vorstoss katapultierte sie nun mitten auf das politische Parkett. Dabei stehen die Männer lieber im Wald als in der Öffentlichkeit. Doch was sein muss, muss sein. Und so tun sie zurzeit ihr Möglichstes, um das Bild des schiesswütigen Rambos zu zer­streuen.

Die Störenfriede sind die andern

Der Jurist Marco Balmelli ist einer der drei Pächter. Gemeinsam mit Peter Hupfer, einem zweiten Pächter, zeigt er auf einer Rundfahrt sein Jagdrevier. Hinter dem Bettinger Gemeindehaus steigt der Fahrweg an und führt hinein in den herbstfarbenen Wald. «Viele Tiere sieht man hier jedes Jahr wieder aufs Neue. Ich kenne fast jedes zweite Reh beim Vornamen», sagt Balmelli. Hupfer parkiert den Wagen an einem Waldweg. Balmelli lässt seinen Jagdhund von der Leine und schreitet über das Laub zu einem Hochsitz. Unter einem Stück Holz sind Maiskörner ausgestreut, um Wildschweine anzulocken. Einige Meter weiter zieht sich ein wassergefüllter Graben um einen Baumstrumpf. «Hier scheuern sich die Schweine die Milben aus dem Fell», erklärt Balmelli. 

 «Ich kenne fast jedes zweite Reh beim Vornamen.»  Marco Balmelli, Jäger

Mit dem Geländewagen seines Jagdkollegen Hupfer geht es weiter hinein in den Wald. Balmelli macht halt bei einer Mountainbike-Strecke, die Botschaft ist klar: Die echten Störenfriede sind die da, nicht wir. Balmelli bezeichnet die angewandte Jagd­methode als «zurückhaltend». «Wir wollen keinen Druck auf das Wild ausüben.» So werde ein Grossteil der Rehe in einer einmaligen Drückjagd im November erlegt. Dazwischen würden nur vereinzelt Rehe geschossen. 

Auf engem Raum

Im vergangenen Jahr waren Balmelli, Hupfer und ihre Jagdkollegen besonders effizient. Insgesamt schossen sie 24 Rehe, so viele, wie seit Langen nicht mehr. Zudem 53 Wildschweine, 10 Füchse und 5 Dachse. «Im vergangenen Jahr», gesteht Balmelli ein, «waren es etwas viel Abschüsse.» Das Fleisch verkaufen die Jäger an Privatpersonen, von Zeit zu Zeit kauft ihnen auch ein Beizer aus Bettingen etwas ab. 

Der Geländewagen fährt vorbei an einer Schulklasse, alle paar Meter führen Wanderwege durchs Revier. Tiere, Freizeitnutzer und Jäger begegnen sich hier auf engem Raum. Gibt es in einem so stark genutzen Gebiet noch Platz für die Jagd? «Wenn die Freizeitnutzung weiter stark zunimmt, hat es für das Wild und die Jagd bald keinen Platz mehr, wie das Beispiel der Langen Erlen zeigt», sagt Balmelli.

Am Vorabend der Revierbegehung war er an einem Vortrag des Tier­inspektors aus dem Kanton Genf, wo die Jagd seit bald 40 Jahren verboten ist. «So weit sind wir von dem Genfer Modell gar nicht enfernt», meint Balmelli. Auch dort werden weiterhin Wildschweine geschossen, um den Bestand zu regulieren. Auf den Abschuss von Rehen will Balmelli jedoch nicht verzichten. Aus Freude an der Jagd und auch, weil der Abschuss in einem so kleinen Revier notwendig sei. Seine These: Werden weniger Tiere geschossen, würden mehr auf der Strasse überfahren.

Die nächtliche Ruhe

Hupfer steuert den Geländewagen zurück nach Bettingen. Dort treffen die beiden auf einen weiteren Kollegen, der sich am Waldrand gerade ­einen Jagdsitz einrichtet. Zum Leidwesen der Bauern hat eine Gruppe Wildschweine tiefe Löcher in das Feld gegraben. Es ist Aufgabe der Jäger, die Tiere zu erlegen. Wildschäden auf den Feldern müssen sie aus eigener Tasche bezahlen.

Vor der Hütte ihres Jagdkollegen erklären die Männer ihre Faszina­tion. Sie erzählen von der meditativen Ruhe nachts im Wald und von den vielen Tagen, die sie auf der Pirsch verbringen, ohne einen einzigen Schuss abzugeben. «Ich bin fast jeden Tag im Wald unterwegs. Für mich ist das ein wichtiger Lebensinhalt», sagt Hupfer. Und Balmelli ist zuver­sichtlich, auch in Zukunft seiner Leidenschaf nachgehen zu können. «In der Regel gewinnt die Vernunft über die Ideologie.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 18.10.13

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