Hauchdünne Mehrheit für Sparpaket

Der Landrat stimmte heute selbst den umstrittensten Punkten im Sparpaket zu, das den Haushalt des Kantons Baselland um 180 Millionen Franken jährlich entlasten soll. Allerdings mehrfach nur mit einer einzigen Stimme Unterschied und einmal sogar erst, nachdem die SVP eine Wiederholung der Abstimmung verlangt hatte.

Dunkle Zeiten im Baselbiet: Die Finanzen sind in Schieflage. Jetzt sucht der Landrat nach einem Ausweg. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Der Landrat stimmte heute selbst den umstrittensten Punkten im Sparpaket zu, das den Haushalt des Kantons Baselland um 180 Millionen Franken jährlich entlasten soll. Allerdings mehrfach nur mit einer einzigen Stimme Unterschied und einmal sogar erst, nachdem die SVP eine Wiederholung der Abstimmung verlangt hatte.

Groteske Situation im Landrat: Nachdem es der Rat denkbar knapp mit 43 zu 42 Stimmen abgelehnt hatte, Beiträge an unrentable Postautolinien zu kürzen, verlangte die SVP eine Wiederholung der Abstimmung. Grund: SVP-Landrat Georges Thüring habe zwar per Knopfdruck abgestimmt, seine Stimme sei jedoch nicht erfasst worden. In der zweiten Abstimmung zur selben Vorlage kehrte der Landrat dann den Entscheid um und sagte plötzlich mit 44 gegen 43 Stimmen ja zur Sparmassnahme von 1.7 Millionen Franken. 

Das ärgerte vor allem Linke und Grüne, die vergeblich dafür gekämpft hatten, dass das Angebot im öffentlichen Verkehr vor allem im oberen Baselbiet nicht ausgedünnt wird. «Wo bleibt der service publique für Randregionen?», fragte etwa SP-Landrat Martin Rüegg.

Regierungsrätin Sabine Pegoraro (FDP) hingegen betonte, wenn der Kanton sparen wolle, müsse er den Hebel bei den unrentablen Linien ansetzen und dies sei die Bahnlinie S9 und diverse Buslinien. Dort, wo das ÖV-Angebot zu wenig genutzt werde, seien Postauto-Kurse aus finanziellen Gründen auch nicht haltbar.

Eigentlicher Gewinner der heutigen Debatte war aber Regierungsrat Adrian Ballmer, obwohl er fast nichts sagte und die Debatte in scheinbar stoischer Ruhe über sich ergehen liess. Sämtliche Anträge, einzelne Sparmassnahmen zu streichen, scheiterten. Das ist vor allem bei den Sparmassnahmen im öffentlichen Verkehr und der Schlössern Wildenstein und Bottmingen, die der Kanton einer Stiftung übergeben will, entscheidend: In beiden Fällen genügt ein einfacher Landratsbeschluss, eine Urnenabstimmung ist nicht mehr nötig. Allerdings sammeln bereits Initiativkomitees Unterschriften – sowohl für den Erhalt der Schlösser wie auch für den öffentlichen Verkehr.

Denkbar knappe Entscheide

Auch nur mit einer einzigen Stimme Unterschied hat der Landrat beschlossen, die Schulzeit der Berufsvorbereitenden Schule BVS2 zu halbieren. Der Antrag der Bildungskommission, das Brückenangebot bei zwei Jahren zu belassen unterlag mit 41 gegen 42 Stimmen. Damit sollen jährlich 1.6 Millionen Franken gespart werden. Weitaus deutlicher mit 51 gegen 33 Stimmen stellte sich der Rat hinter die Sparmassnahme, Schülerinnen und Schüler von Privatschulen nicht mehr mit 2500 Franken zu unterstützen. Damit sollen jährlich 2.4 Millionen Franken gespart werden.

Auch stellte sich das Parlament hinter eine indirekte Steuererhöhung und zwar deutlich mit 64 gegen 21 Stimmen. Konkret soll beim Steuerabzug ein Selbstbehalt für Krankheitskosten eingeführt werden. Das bedeutet, dass Krankheitskosten bei den Steuern nur noch dann abgezogen werden können, wenn diese fünf Prozent des steuerbaren Einkommens übersteigen. Diese indirekte Steuererhöhung brächte dem Kanton Mehreinnahmen von 15 Millionen Franken jährlich.

Nach der Eintretensdebatte mit all den Appellen der Fraktionen, das Sparpaket nicht aufzuschnüren, gingen die Haltungen schon im ersten Detailpunkt auseinander: Es ging darum, dass die fünf Bezirksgerichte zu zwei Kreisgerichten zusammengelegt werden sollten. Sparpotential: 230’000 Franken. So wehrte sich etwa Georges Thüring, SVP, dagegen; aber auch die CVP sprach sich gegen die Zusammenlegung aus. Abgestimmt wurde nach der ersten Lesung aber noch nicht.

Kritik am Sparpaket

Zuvor hatte zum ersten Debattentag über das Baselbieter Sparprogramm Marc Joset (SP), der Präsident Finanzkommission, erläutert, dass zunächst rund 40 Millionen durchberaten würden.

Er bemerkte aber auch, dass in der Kommission Kritik laut geworden sei: Es fehle eine grundsätzliche Analyse, wie es zu dieser finanziellen Situation hatte kommen können – und das Sparpaket sei ein Sammelsurium von Einzelmassnahmen. Die Eintretensdebatte zeigte denn auch unterschiedliche Grundhaltungen.

Regierungsrat Adrian Ballmer (FDP) betont dazu, dass mit dem Entlastungspaket nur mit voller Wirkung der Haushalt bis 2015 wieder ins Gleichgewicht zu bringen sei: «Wir brauchen eine Wirtschaftsoffensive für mehr Steuerertrag.»  Das Sparpaket könne nur funktionieren, wenn alle Betroffenen mitmachen und auch Kröten schlucken würden. Es gebe viele Lobbies: für Lehrpersonen, für Mobilität, für Schlösser, für Beschilderung von Wanderwegen – keine Lobby gebe es aber für einen ausgeglichenen Staatshaushalt. Ballmer warnte davor, das Entlastungspaket aufzuschnürren.

Steuererhöhung «kein probates Mittel»

In den Stellungnahmen der Fraktionen sagt Hans-Jürgen Ringgenberg für die SVP, «das Leben auf Pump muss ein Ende haben.» Er warnte davor, überall sparen zu wollen ausser dort, wo es einen selbst treffe. Steuererhöhungen seien aber kein probates Mittel, um das strukturelle Defizit in den Griff zu bekommen. «Nötig wären nämlich zwanzig Prozent höhere Steuern. Es ist heute nicht der Moment, um partikulare Interessen zu vertreten.»

Naturgemäss die genau umgekehrte Position vertritt die SP mit Sprecherin Mirjam Würth, die verlangt, die Ertragsseite müsse verbessert werden und alles müsse unternommen werden, um neue Unternehmen anzusiedeln. «Es muss gehandelt werden. Wir sind bereit, Einbussen in Kauf zu nehmen.» Das Sparpaket sei aber nicht so ausgewogen, dass man nicht die eine oder andere Massnahme in Frage stellen könne. Über drei Vierteln, also Einsparungen von 150 Millionen Franken, stimme die SP zu. Nur den letzten rest lehne die SP ab.

Steuersenkungen waren für Familien

Die FDP begrüsst das Sparpaket laut Marianne Hollinger. Der Kanton mit seinen Finanzen sei in «Seenot». Deshalb sei es wichtig, dieses Rettungspaket nicht lange hin und her zu schieben. Sie verteidigt die Steuersenkungen: Davon hätten im Baselbiet Familien und wenig Verdiendende profitiert, nicht Reiche.

Felix Keller, Fraktionssprecher CVP/EVP, hält das Sparpaket für verkraftbar. Eine Steuererhöhung müsse der Landrat vermeiden, damit würden nur Begehrlichkeiten geweckt. In ein paar Jahren werde der Spareffekt vorbei sein. Die Sparmassnahmen im Bildungswesen mache der Fraktion aber Sorgen.

Die Grünen unterstützen laut Lotti Stokar einen Grossteil der Sparmassnahmen, wie die SP, allerdings nicht bei der Bildung und im öffentlichen Verkehr. Die Grüne Fraktion werde geschlossen gegen Sparmassnahmen im öffentlichen Verkehr stimmen. «Wir bedauern, dass das Entlastungspaket an den Kantonsgrenzen halt macht.» Es gehe darum, weitere strukturelle Sparmassnahmen zu erkennen und umzusetzten.

Die heftigste Kritik am Sparpaket kommt via Gerhard Schafroth von der glp: «Das Entlastungspaket hat keinen roten Faden. Es ist ein Sammelsurium an Massnahmen.» Der Regierungsrat mache den Eindruck, er sei mehr Problemverwalter als Visionär. Das Entlastungspaket sei nicht überzeugend.

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