Jedes Jahr entstehen 40 Millionen Tonnen Elektroschrott. Das Basel Action Network (BAN) hat mithilfe von Trackern untersucht, wo der Elektromüll hinwandert. Elektroschrott ist ein lukratives und gleichsam schmutziges Geschäft, an dem nur wenige profitieren.
Smartphones und andere elektronische Geräte sind eine Blackbox. Man weiss nicht, was drinsteckt, woher die Materialien kommen (etwa seltene Erden aus Afrika), in welchen chinesischen Fabrikhallen die Geräte zusammengeschraubt werden (etwa bei Apples Auftragsfertiger Foxconn) und wo die Geräte nach ihrer Nutzung landen.
Das Aktionsbündnis Basel Action Network (BAN) hat in einem Versuch 200 ausrangierte Drucker mit Trackern versehen und die Geräte an mehreren Entsorgungsstationen in den USA abgegeben. Mithilfe von GPS konnten die Aktivisten den Weg der Geräte verfolgen und die endgültige Entsorgungsstelle lokalisieren. Die Ergebnisse wurden in einem kürzlich veröffentlichten Bericht («Disconnect: Goodwill and Dell Exporting the Public’s E-Waste to Developing Countries») festgehalten. Demnach landete fast ein Drittel der Drucker in Ländern (insbesondere in Hongkong und Taiwan), in denen der Import von Elektroschrott gesetzlich verboten ist.
Tracker im Drucker
Ein LCD-Drucker, der am 11. Dezember 2014 in einer Niederlassung des Abfallentsorgers Goodwill im US-Bundesstaat Michigan abgegeben wurde, gelangte zunächst mit dem Zug über Ohio und Indianapolis nach Kalifornien. Von dort ging es weiter nach Tijuana in Nordmexiko und zurück zur Firma Golden Valley Trading in Kalifornien. Von dort wurde der Drucker via Hongkong nach Keelung in Taiwan verschifft, wo der er schliesslich in einer Deponie in Miaoli County landete. Das GPS-Gerät teilte regelmässig den aktuellen Standort mit.
Jim Puckett, ein Mitarbeiter des BAN, machte sich in Taiwan mit weiteren Aktivisten auf Spurensuche und fand den alten Drucker schliesslich auf einer Müllhalde an einem Ortsrand. Einen Drucker, der angeblich in Las Vegas verschrottet wurde, fanden die Aktivisten wenige Wochen später auf einer Grünfläche in den New Territories in Hongkong – zwischen alten Flachbildschirmen und Fernsehgeräten.
Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Vereinten Nationen 43,8 Millionen Tonnen Elektromüll produziert.
Einige der Endlagerstätten haben die Aktivisten für ihr Projekt in Augenschein genommen. Auffällig ist, dass die Druckergeräte zum Teil über ein Dutzend Stationen ins Ausland transportiert werden. Offensichtlich verdienen mehrere Stellen bei der Entsorgung mit. Elektroschrott ist ein lukratives und gleichsam schmutziges Geschäft. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der Vereinten Nationen 41,8 Millionen Tonnen Elektromüll produziert. In den Schrottteilen sind neben giftigen Bestandteilen (Blei, Quecksilber und Kadmium) auch wertvolle Edelmetalle wie Gold enthalten, insgesamt 300 Tonnen Gold.
Elektroschrott ist eine Goldgrube. Mit der Entsorgung wurden allein im Jahr 2014 rund 48 Milliarden Euro verdient. Das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung vom 22. März 1989, auf dessen Einhaltung das BAN pocht, soll den Export gefährlicher Abfälle kontrollieren. Die USA sind jedoch nicht Unterzeichnerstaat und somit an den völkerrechtlichen Vertrag nicht gebunden.
Afrikas Lumpenproletariat
Im westafrikanischen Ghana kommen jeden Tag containerweise ausrangierte Elektrogeräte am Hafen an. In den staubigen Strassen der Hauptstadt Accra werden Hotelfernseher aus Holland für nicht einmal 20 Euro verkauft, auf Bazars Elektrogeräte wie Mikrowellen oder Kühlschränke aus zweiter Hand verschachert. Laut einer Reportage des Senders Al Jazeera haben niederländische Hotels mit ghanaischen Händlern Verträge zur Abnahme alter TV-Geräte geschlossen. Diese werden dann wiederum in Secondhand-Geschäften verkauft und zirkulieren weiter in der Schattenwirtschaft, wo die Geräte ausgeschlachtet werden.
In Agbogbloshie, einem Slum, suchen Arme auf einer riesigen Mülldeponie nach verwertbaren Teilen in alten Elektrogeräten. Sogar Kinder hämmern auf die Geräte ein, in der Hoffnung, ein paar wiederverwertbare Metallstücke zu ergattern. Die «E-Waste-Boys», wie die Müllsammler genannt werden, verbrennen kiloweise elektrische Kabel, um Kupfer zu extrahieren und dieses für ein paar Cedis (so heisst die Landeswährung von Ghana) auf dem Markt zu verkaufen. Dabei atmen sie giftige Dämpfe ein, die ihre Lungen und damit ihre Gesundheit ruinieren. Die toxischen Dämpfe verpesten auch die Luft, kontaminieren den Boden und das darauf wachsende Gemüse.
Es ist dieses Lumpenproletariat in Afrika, das die seltenen Erden für unsere schicken Smartphones schürft und am Ende nur die verbauten Kabelreste als letztes Glied der Verwertungskette bekommt.