Erst war es nur ein Planspiel. Jetzt wird daraus Realität aus Stahl und Beton: das moderne Hochhaus-Basel. Der Kanton muss damit umgehen lernen.
Da steht er jetzt also. Dieser Roche-Turm, 178 Meter hoch, ein steiles Mahnmal wirtschaftlicher Potenz mit seinen rund 2000 Arbeitsplätzen, die die Architekten in die Vertikale stapelten. Das höchste Gebäude der Nation in Weiss und Grau, ein Pfeiler im Stadtbild.
Schon bald folgt sein Bruder, grösser noch mit 205 Metern, und dann stehen sie vereint am Rheinknie, zwei Riesen helvetischer Baukunst, die bald Postkarten, Briefmarken und Poster schmücken werden.
Nein, Basel-Stadt ist nicht bescheiden, wenn es um die Erschliessung der dritten Dimension geht. Dabei markieren die Bauten des Pharmagiganten Roche, denen bald Hochhäuser des Konkurrenten Novartis folgen dürften, nur die Spitze einer Entwicklung, die schon lange Normalität ist und den Weg in die Zukunft weist.
Der Grosspeter-Tower, der 2017 fertig sein soll. (Bild: Visualisierung Burckhardt+Partner)
Luxusloft statt «Kaninchenstall»
Basel-Stadt ist klein, die Stadt stösst in der Horizontalen an ihre Grenzen; das hat der Kanton in Abstimmungskämpfen wie dem um die Stadtrandentwicklung Ost genug betont. Und Basel-Stadt wächst schon lange in die Vertikale.
Lesen Sie mehr über Basels Hochhaus-Projekte in unserem Dossier.
Seit den Anfangszeiten des Wohnturmbaus in den 1950er-Jahren haben sich die Menschen an die Hochhaus-Siedlungen gewöhnt. Sie gelten als probates Mittel, um der Raumknappheit des Stadtkantons zu begegnen. Sie gelten nicht nur als zweckmässig, sondern sie haben auch längst den Mief der «Kaninchenställe» der frühen 1970er-Jahre abgeschüttelt. Wer es sich leisten kann, bezieht gern eine Loftwohnung mit ansprechender Sicht über die Stadt bis ins Dreiland.
In der Debatte um Hochhäuser sind drei Typen zu unterscheiden:
- Bauten, die den Wohnraum in der Stadt erhöhen, indem sie die knappe Fläche durch Höhe kompensieren; Projekte also wie die Stadtrandentwicklung Ost, die vor allem wegen des Neins aus der Landgemeinde Riehen abgelehnt wurde.
- Bauten, die Arbeitsplätze schaffen, gleichzeitig aber zu Prestige-Objekten werden, kraft ihrer Grösse und Ästhetik zu Landmarken werden, ob sie nun gefallen oder nicht.
- Bauten, die eine Mischform anbieten, die Geschäftsgebäude und Wohnraum vereinen und allein ihrer Wirtschaftlichkeit wegen nicht unendlich in die Höhe spriessen können.
Debattiert also die Stadt über Hochhäuser, debattiert sie oft über unterschiedliche Dinge in einem. Wohnhochhäuser stossen in Basel kaum mehr auf grosse ästhetische oder gesellschaftliche Debatten. Es sind die Prunkbauten von Unternehmen, die grossen Dinger, die eine Kontroverse entfesseln – die sich aber meist in Wortgefechten erschöpft.
Eine Ausnahme bleibt vielleicht der umstrittene Claraturm. Aber dabei geht es letztlich mehr um die wirtschaftlichen Verlustängste der angrenzenden Betriebe als um die Grundsatzfrage Turm Ja oder Nein.
Die architektonischen Träume von einst sind heute Tatsachen aus Stahl und Glasfassaden, die Orkanböen standhalten – und ästhetischen Grundsatzdiskussionen ohnehin.
Die Visionen von einst sind heute Realität: Basel hat eine neue Skyline. Erst der Messeturm, jetzt der Roche-Turm, bald die Neubauten der Novartis sowie die Türme entlang der Geleise: Die stadtplanerischen und architektonischen Träume sind Tatsachen aus Stahl, Beton und Glasfassaden geworden, die Orkanböen standhalten – und ästhetischen Grundsatzdiskussionen ohnehin.
Entscheidend ist also nicht, ob die Türme ein altes Stadtbild ins Heute überführen oder nicht. Entscheidend ist, wie die Stadt ihren Hochhausbau plant.
Ein entscheidender Schritt für Basel war das Hochhauskonzept zur Zonenplanrevision aus dem Jahr 2010. Zu klären ist nicht das «Ob» und «Warum». Zu klären sind das «Wo» und das «Wie». Dass Hochhäuser und Türme gebaut werden, ist eine Realität, ob man sie nun als Zweckmässigkeit hinnimmt oder als bereichernden Schritt in die Zukunft empfindet.
Das Leben im gebauten Raum
Es geht um die Frage des Lebens im gebauten und oftmals verbauten Raum. Glückliche Fügung: Wegen der geringen Expansionsmöglichkeit in der Breite ist Basel gezwungen, sich umfassend mit der Entwicklung in die Höhe zu beschäftigen.
Aussicht über den Campus der Künste durch die Glasfassade in der Florenzstrasse 1e. Untermalt vom dreispitzüblichen Baustellenlärm. (Bild: Daniela Gschweng)
Dazu gehört die Auseinandersetzung mit den Grünflächen genau so wie mit der Verkehrsanbindung, der Umweltverträglichkeit und nicht zuletzt – gerade im Wohnbereich – mit der sozialen Herausforderung: Gerade in den neuen, grossen Türmen sind kaum günstige Mietwohnungen zu haben. Dort stehen die Renditevorstellungen in Konflikt mit den politischen Forderungen nach erschwinglichem Wohnraum in der an Leerwohnungen armen Stadt.
Welches Leben aber wollen wir in der Höhe?
Was bleibt, ist die Realität, dass sich Basel in die Höhe entwickelt, aber auch die Tatsache, dass sie den Willen zeigt, ihre Entwicklung zu prägen. Doch statt bei jedem neuen Hochhaus zurück auf Feld eins der Diskussion zu springen und sich jedes einzelne Mal aufs Neue zu fragen, ob Basel mit diesem oder jenem Haus höher werden soll oder nicht, stellt sich vielmehr die Frage: Wie gehen wir mit der Wohnlage in der Vertikalen um? Und welches Leben wollen wir eigentlich im höher und immer höher gebauten Raum?
Hochhauskonzept, Planungsgrundlagen, demokratische Mitbestimmung durch Bebauungspläne bei besonders hohen Bauten und der Versuch einer Kanalisierung des Hochhausbaus über ausgewiesene Zonen: Die Stadt hat sich bereit gemacht für Visionen von hohen und noch höheren Häusern.
Jetzt muss sie sich nur noch bereit machen für die eigentliche Herausforderung: Die Realität, die von gebauten Visionen geschaffen wird.
Auch die Universität Basel will hoch hinaus: Das neue Biozentrum «Croma» wird 75 Meter hoch und soll auf dem Schällemätteli-Areal entstehen. (Bild: shbpam)
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