In die Empörung über die Baselbieter Honorar-Affäre mischt sich auch ein bisschen Stolz. Immerhin hat man das Abkassieren zum Thema gemacht. In anderen Kantonen wie Basel-Stadt können sich die Regierungsräte nur schon vom Gesetz her sehr viel mehr herausnehmen.
Es ist eine fast schon irrwitzige Kombination: Der Kanton Baselland hat kein Geld und darum einen Regierungsrat, der in allen Bereichen sparen will – ausser offenbar bei sich. Die Finanzkontrolle hat jedenfalls aufdeckt, dass allen voran der frühere Sparminister Adrian Ballmer (FDP) Geld in die eigene Tasche abgezweigt hat, das eigentlich dem Staat gehört hätte. Bei ihm geht es um 150’000 Franken aus den vergangenen fünf Jahren. Insgesamt sollen es rund 320’000 Franken sein, die dem Kanton an Entschädigungen für die Mitarbeit in Verwaltungsräten staatsnaher Unternehmen entgangen sind. Das Geld soll nun nachträglich überwiesen werden. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Ballmer und die anderen mutmasslichen Profiteure unter den Regierungsräten und Chefbeamten.
In den ersten Reaktionen mischen sich Unglaube und Empörung mit ein klein bisschen Stolz. Bester Beleg dafür – der Community-Beitrag von Martin Imhof:
Ob strafrechtlich relevant oder nicht sollen die entsprechenden Gerichte prüfen. In einem Kanton, wo anscheinend jeder Rappen zweimal umgedreht werden muss, sind die hier erwähnten Beträge jedenfalls überhaupt kein Pappenstil. Die jetzigen Regierungsräte haben hingegen Anstand bewiesen, indem sie sofort Massnahmen ergriffen und die Sache öffentlich gemacht haben. An anderen Orten (oder vielleicht auch «in anderen Zeiten»…) hätte es Monate gedauert, bis der Bericht über irgendwelche Kanäle an die Öffentlichkeit «geleakt» worden wäre. Wenn das der frische Wind im Regierungsrat ist – immerhin mal ein Anfang.
Ausgerechnet Wüthrich
Wobei sich auch im jetzigen Regierungsrat zumindest Urs Wüthrich ein paar unangenehme Frage gefallen lassen muss. Der Bildungsdirektor muss als einziger noch amtierender Regierungsrat mit einem Strafverfahren wegen zu hohen Bezügen rechnen, ausgerechnet er, der SP-ler, der anfangs Jahr im hauseigenen Magazin noch die Freiwilligenarbeit hochgelobt hat – als «Fundament, Rückgrat und Kopf des kulturellen Lebens».
Das Hohelied auf die Freiwilligenarbeit und das Gemeinwohl gelte aber offensichtlich «definitiv nicht» für Regierungsräte und Chefbeamte, schreibt Christoph Meury:
Wenn sie Zusätzliches fürs «Gemeinwohl» tun, dann lassen sie sich kräftig dafür entschädigen. Sitzungsgelder, Pauschalentschädigungen, VR-Honorare, Spesenentschädigungen, Gratis-Essen, Reiseentschädigungen, Gratis-Eintritte, Aperos, etc. Wohl bekomms!
Man kann die ganze Affäre so sehen wie Meury – ironisch bis zynisch. Man kann aber auch ein bisschen stolz sein wie Imhof. Denn in einigen anderen Kantonen wäre ein solcher Umgang mit Ämtchen und Honoraren nie zum grossen Thema geworden. Nicht unbedingt, weil die Regierungsräte und Chefbeamte dort sehr viel bescheidener wären als im Baselbiet. Nein: ganz einfach, weil es ihnen dort amtlich erlaubt ist, in den Verwaltungsräten die hohle Hand zu machen, wie eine Umfrage der TagesWoche schon vor zwei Jahren gezeigt hat.
20’000 Franken als Nebenverdienst für Regierungsrat
Damals ging es um die Rheinsalinen AG, in der sich die Finanzdirektoren aus der ganzen Schweiz vier Mal pro Jahr zu einer Sitzung treffen; sie sind dort von Amts wegen Mitglied im Verwaltungsrat. Dafür gibt es pro Vertreter 700 Franken Sitzungsgeld, Spesen und ein Jahres-Honorar von 4000 Franken. Ganz besonders lohnt sich das für die Basler Finanzdirektorin Eva Herzog (SP) und ihre St.Galler, Schwyzer und Innerrhoder Amtskollegen: Sie können alles behalten, alle anderen Deutschschweizer Regierungsräte sind gemäss ihren kantonalen Gesetzen verpflichtet, das Honorar abzuliefern. Die Delegierten von Zug und Schaffhausen dürfen nicht einmal das Sitzungsgeld behalten. Eine Regelung, wie sie nach dem Streit um die hohen Alpiq-Bezüge des inzwischen abgetretenen Finanzdirektors Christian Wanner (FDP) nun auch in Solothurn beschlossen worden ist.
Ist das nicht ungerecht?
Kein ungutes Gefühl wegen dieser Ungleichheit, Frau Herzog? Die Antwort damals lautete: nein, warum auch? Gemäss Basler Lohngesetz stehe nicht nur dem Regierungsrat, sondern allen Mitarbeitern des Kantons Basel-Stadt zusätzliches Honorar von maximal 20’000 Franken zu.
Nicht schlecht, neben einem Lohn von rund 300 000 Franken. Wenn das Gesetz auch im Baselbiet so grosszügig wäre, hätten ein paar Spitzenpolitiker und Chefbeamte wahrscheinlich ein paar Sorgen weniger.