«Ich fürchte mich nicht»

Strukturelles Defizit, falsche Investitionen, Lebenswelten im Oberen und im Unteren Baselbiet, sein Glaube, seine möglichen Gegner. Eric Nussbaumer ist seit heute Donnerstag offizieller und einziger Kandidat der Baselbieter SP für den Regierungsrat.

Alle gegen Nussbaumer. Thomas Weber, Hanspeter Ryser, Thomas de Courten, Paul Wenger, Dominik Straumann (alle SVP) und Gerhard Schafroth (GLP) wollen gegen den SP-Nationalrat antreten. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Strukturelles Defizit, falsche Investitionen, Lebenswelten im Oberen und im Unteren Baselbiet, sein Glaube, seine möglichen Gegner. Eric Nussbaumer (52) ist offizieller und einziger Kandidat der Baselbieter SP für den Regierungsrat.

Eric Nussbaumer, tut es gut, endlich offen über Ihre Kandidatur für den Baselbieter Regierungsrat sprechen zu dürfen?

Ich habe mich noch wohl gefühlt in der Rolle desjenigen, der sich noch ein paar Gedanken macht und sich noch nicht entschieden hat.

Was geschwindelt war.

Nein! Ich habe während der Session in Bern vom Rücktritt von Adrian Ballmer erfahren. Da hat man den Kopf voll mit anderen Dingen, ich musste tatsächlich noch etwas überlegen. Aber der Entscheid fiel noch vor Weihnachten – sonst wäre ich heute nicht so parat gewesen.

Aber es ist doch schon lange Ihr Ziel, in die Baselbieter Regierung gewählt zu werden.

Schon. Aber gleichzeitig bricht auf nationaler Ebene in Bern eine sehr spannende Phase an. Zu Beginn meiner Zeit als Nationalrat wurde ich als Hinterbänkler geschildert, später als «Auferstandener». Tatsächlich habe ich in Bern in energiepolitischen Fragen eine Rolle erhalten, die ich vor zwei Jahren so noch nicht hatte. Das hat meine Entscheidung beeinflusst. Gleichzeitig reizt mich politische Führungsarbeit und für mich war klar: Nur wegen einer energiepolitischen Vernehmlassung darf ich diesen Moment im Baselbiet nicht vorbeiziehen lassen.

Man kann keinen Kanton führen, der jedes Jahr mehr ausgibt als er einnimmt.

FDP-Landrat Balz Stückelberger hat die Problematik des Kantons in einem Interview mit der TagesWoche auf eine einfache Formel gebracht: Der Kanton hat keinen Stutz. Das ändert auch ein sozialdemokratischer Finanzdirektor nicht.

Schnell wird er es nicht ändern. Aber er kann konsequent auf dem heute schon eingeschlagenen Kurs bleiben. Klar ist: Das strukturelle Defizit muss weg. Man kann keinen Kanton führen, der jedes Jahr mehr ausgibt als er einnimmt. Was ich aber sicher anders machen werde als ein bürgerlicher Finanzdirektor: Ich werde nicht schon heute die nächsten Steuersenkungen versprechen. Zuerst muss der Kanton an einen Punkt kommen, an dem er wieder Handlungsfreiheit hat.

Also Stutz.

Ja. Heute sind wir jedes Jahr auf Null oder im Minus. Wir müssen die bestehenden Investitionen viel stärker priorisieren, so wie es die Regierung im Ansatz bereits gemacht hat und wie ich es wohl auch gemacht hätte.

Wo hat in den vergangenen Jahren die Disziplin gefehlt?

Wir hatten zu viele unnütze Investitionsvorhaben. Nehmen Sie den Sissacher Umfahrungstunnel. Der stand mit 150 Millionen Franken im Finanzplan, hat aber effektiv 300 Millionen gekostet. Das sind Welten! Auch die H2 wird massiv teurer, als wir je geplant hatten. Wir müssen in Zukunft Fehler verhindern: Es darf auch keine Spitalplanung geben, die man nach 13 ausgegebenen Millionen wieder abbricht.

Sie haben an der Medienorientierung gesagt, dass man ausgabenseitige Entlastungsmassnahmen nur in Grenzen vornehmen dürfe. Das war ziemlich vage.

Was ich sage: Wenn der Landrat der Regierung mehr Aufgaben zuschanzt und wenn der Bund den Kantonen mehr Aufgaben überwälzt oder mit Gesetzesänderungen den Steuerertrag massgeblich verändert – Stichwort Unternehmenssteuerreform – dann braucht es eine Balance zwischen Ausgaben und Mehrerträgen. Mein erster Satz: Man kann einen Staatshaushalt, der ständig neue Aufgaben erhält, nicht ausschliesslich mit einer Kürzungspolitik im Gleichgewicht halten. Aber, und das ist der zweite Satz, niemand will Steuererhöhungen. Entscheidend ist, dass wenn es hart auf hart kommt, die Regierung transparent alle Fakten auf den Tisch legt. Bisher wurde im Versteckten gehandelt. Die Regierung sagte, Steuererhöhungen sind des Teufels und strich beispielsweise gleichzeitig den Abzug für Krankheitskosten – was eine versteckte Steuererhöhung für nur eine Zielgruppe, die Kranken, war.

Nach der Medienkonferenz haben Sie in den verschiedenen Interviews immer wieder von Ihrem Rucksack gesprochen, den Sie dem Kanton zur Verfügung stellen wollen. Sie haben uns stark an Christoph Blocher erinnert – der hat auch immer gesagt, dass er das Amt eigentlich nicht wolle, aber wenn es ihn brauche, dann sei er da.

Halt halt. Mir fehlt eine wichtige Komponente von Blocher: der unbedingte Drang zur Macht. Es geht bei meiner Kandidatur nicht darum, dass ich darin meine Lebenserfüllung finde. Gleichzeitig habe ich auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass mir die Politik gefällt, das Gestalten, die Führungsverantwortung. Ich würde ja nicht antreten, wenn ich dieses Amt nicht möchte. Darum: Ja, ich will Regierungsrat werden.

Ich weiss gar nicht, mit welcher Botschaft sie in die Regierung wollen.

Wen fürchten Sie von den potenziellen Gegnern am meisten?

Ich fürchte mich nicht vor den Leuten, die jetzt im Rennen sind. Sie wollen den Kanton nicht voranbringen. Bis auf Thomas de Courten haben sich alle SVP-Kandidaten in der Abstimmung zur mehrjährigen Finanzplanung enthalten. Der Weber hat sich enthalten, der Straumann hat sich enthalten und der Wenger wahrscheinlich auch. Ich weiss gar nicht, mit welcher Botschaft sie in die Regierung wollen.

Sie wollen schlicht eine bürgerliche Mehrheit.

Ja, aber nun wollen die Gleichen in die Regierung, die sich im Dezember geweigert haben, den Sanierungskurs mitzutragen. Sie wollen einfach die Steuern senken. Die machen mir keine Angst.

Sollten Sie siegen, wäre das Baselbiet von einer rotgrünen Mehrheit regiert. Ein Nachteil im Wahlkampf?

Es wird extrem hochgespielt. Dieser Etikette kann man einfache Sätze entgegenhalten, wie den von Adrian Ballmer in der «Basler Zeitung». Ballmer hat gesagt, Grün ist nicht gleich links.

Er hat damit auf den Grünen Justizdirektor Isaac Reber angespielt. Finden Sie auch, dass Reber kein Linker ist?

Das habe nicht ich gesagt, sondern Adrian Ballmer. Die Aussage verdeutlicht, dass die Etikette falsch ist. Wenn die Etiketten zum Thema werden, stehe ich hin und sage, das ist der Nussbaumer und diese ehrlichen Pläne hat er. Ich lege meine Überlegungen transparent auf den Tisch. Das muss reichen.

Wegen der Finanzprobleme des Baselbiets ist eine andere Debatte in den Hintergrund gerückt, die uns sicher wieder beschäftigen wird: Jene nach der Identität des gespaltenen Kantons. Wie wollen Sie diesen Riss schliessen?

Es gibt im Kanton Baselland zwei Welten. Es gibt das urbane Leben im Unterbaselbiet und das geerdete Leben im Oberbaselbiet. Wenn das dazu führt, dass man ständig streitet und sich Vorwürfe macht, läuft etwas falsch. Die Regierung hat die Aufgabe, das immer wieder richtig einzuordnen. Der Regierungsrat muss diese Unterschiede akzeptieren, aber stets betonen, was alle zusammen stark macht. Als der Streit um die Finanzierung des Basler Theaters aufbrach, hat die Regierung nicht gemeinsam Position bezogen. Das war ein Fehler. In der Finanzpolitik sassen immerhin alle fünf an den gleichen Tisch, auch wenn der Schluss lautete: Wir wissen nicht weiter.

Ich werde die Fusion prüfen und wenn das Positive überwiegt, werde ich zustimmen.

Müsste das Verhältnis zu Basel gleich funktionieren: Man weiss um die Unterschiede, aber noch wichtiger ist die gemeinsame Stärke?

Diese Region lebt wesentlich vom Zentrum Basel. Wer das Zentrum ablehnt oder es für böse hält, schädigt auch dem Baselbiet. Die Fusion ist eine Perspektive, die man auf keinen Fall verwerfen darf. Ich werde der Fusion prüfen und wenn das Positive überwiegt, werde ich zustimmen.

Was ist Ihre Lebenswelt?

Ich bin ein Zuzüger. Ich bin Baselbiet-affin, meine Grossmutter kommt aus Füllinsdorf, mein Urgrossvater aus Eptingen. Ich hatte immer familiäre Verbindungen ins Baselbiet, bin aber im Züribiet aufgewachsen. Als Zuzüger hat man grosse Mühe, die Konflikte zwischen Unter- und Oberbaselbietern, zwischen Landschaftlern und Städtern zu verstehen, wenn man sie denn je begreift. Das braucht viel Zeit. Ich habe durch meine Arbeit und die Politik eine Nähe zu meinem  Wohnkanton erhalten. Ich habe aber auch immer noch genügend Distanz, wenn wieder eine kleingeistige  Auseinandersetzung ausbricht. Meine Gene verhindern, dass ich gleich überschäume.

Sie haben kürzlich in der BaZ gesagt, Gott ist Links. Man weiss zwar um Ihren Glauben, gleichwohl thematisieren sie ihn ungern. Verstecken Sie Ihren Glauben, um keine Wähler abzuschrecken?

Manche Leute sagen, Glaube sei Privatsphäre. Andere meinen, es hat einen öffentlichen Charakter. Ich suche den Mittelweg. Es ist sicher nicht so, dass ich vor jeder Entscheidung eine auf meinem Glauben beruhende Wertediskussion mit mir selber führe. Natürlich aber sind meine Werte auch geprägt von meinem Glauben. Wenn mich jemand deshalb nicht wählen will, ist das sein gutes Recht. Ich will mich deswegen nicht verbiegen.

Quellen

Die Finanzplanung des Kantons Basel-Landschaft.

Eric Nussbaumer auf Facebook und auf Twitter.

Ein Porträt der BaZ über Eric Nussbaumer.

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