Nicht ganz synchron in Takt und Ton

Wer sein Leben der Politik verschreibt, hat auch Rückschläge zu verkraften. Doch keine Regel ohne Ausnahmen.

September 1967: Alfred Schaller, als Nationalrats­präsident auf dem Gipfel seiner politischen Karriere, schlägt für die damals zwölfjährige Veronica die Trommel. Jahre später gab auch sie den Takt an. (Bild: Kurt Wyss)

Wer sein Leben der Politik verschreibt, hat auch Rückschläge zu verkraften. Doch keine Regel ohne Ausnahmen.

Alfred Schaller war eine jener wenigen Ausnahmeerscheinungen, deren Biografie sich ohne irgendwelche Eselsohren liest. Zumindest für jeden, der die knapp vierzehn Zeilen ausdruckt, die das Historische Lexikon der Schweiz für wissbegierige Nachzeitgenossen bereithält. Schaller, Alfred, geboren 1908 in Flüelen, Bürger von Wauwil sowie ab 1948 von Basel-Stadt, wo er nach der Matura am Kollegium Schwyz und einer ersten Berufserfahrung als SBB-Stationsbeamter 1935 das Studium der Volkswirtschaft mit dem Doktortitel abschloss.

Ab 1936 bewies er als Präsident der Jungliberalen Bewegung der Schweiz sein politisches Talent, sass von 1938 bis 1950 als Linksfreisinniger (Radikaler) im Basler Grossen Rat und wurde 1947 in den Nationalrat gewählt, dem er bis 1978 angehörte und den er im Amtsjahr 1966/1967 als «höchster Schweizer» präsidierte. Parallel dazu amtete Schaller von 1950 bis 1966 auch als Finanzdirektor im Basler Regierungsrat.

Dankbares Opfer

Als herausragende Persönlichkeit geschätzt, lebte Alfred Schaller noch bis im Juli 1985. Nicht zuletzt seiner Körperfülle wegen war er stets auch ein dankbares Opfer für die Basler Schnitzelbänggler, die ihn mit unvergesslichen Versen liebevoll aufs Korn nahmen.

Weit weniger störungsfrei verlief die politische Laufbahn einer weiteren Repräsentantin aus dem Hause Schaller, auch wenn der Start durchaus beeindruckend war: Die 1955 geborene Veronica, die sich nach ihrem Studium als Gewerkschaftssekretärin in den Dienst der Sozialdemokratie stellte, wurde bereits mit 37 Jahren in den Basler Regierungsrat gewählt, wo sie das Sanitätsdepartement übernahm bis sie – nur wenige Monate vor ihrer Abwahl – noch für kurze Zeit ins Erziehungsdepartement wechselte.

Die Gründe für ihr Scheitern sind schnell erzählt. Erstens stand sie als erfolgreiche Newcomerin von Anfang an unter Dauerbeschuss aus dem bürgerlichen Lager, das sich zum Teil auch nicht scheute, sie in aller Öffentlichkeit mit primitiven Kampagnen bis weit unter die Gürtellinie zu verunglimpfen. Zweitens hatte sie sich mit wenig diplomatischem Gespür für besonders heikle Fragen auch selbst in Schwierigkeiten gebracht.

Schaller eckt an

Die Rechnung für ihre mehr und mehr als arrogant empfundene Art wurde ihr im Jahr 2000 mit der Abwahl präsentiert. Heute lebt und arbeitet Veronica Schaller in Bern, nach verschiedenen Stationen seit 2008 als Leiterin der städtischen ­Abteilung Kulturelles. Und auch in dieser Funktion eckt sie gelegentlich an.

Zu lernen gäbe es aus den beiden Biografien hauptsächlich dies: Selbst wenn die familiären Voraussetzungen noch so günstig scheinen – seines Glückes Schmied wird ein jeder eben doch nur durch und aus sich selbst.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 04.01.13

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