«Ich habe nie von Zensur gesprochen»

Der Basler Regierungspräsident Guy Morin über Ärger mit den Medien, seine Gesundheit und seine Wahlkampfstrategie für 2012.

Guy Morin wollte mit seinem Qualitätszirkel nur für Diskussionen sorgen. Mehr sei nicht angedacht gewesen, sagt er. (Bild: Stefan Bohrer)

Der Basler Regierungspräsident Guy Morin über Ärger mit den Medien, seine Gesundheit und seine Wahlkampfstrategie für 2012.

Wenige Tage vor seiner Tumor­operation Mitte Dezember empfängt uns ein gut gelaunter und optimistisch gestimmter Guy ­Morin zum Gespräch. ­Thema ist der bewegte Monat November, in dem die Basler Regierung mehrmals in die Schlagzeilen geriet.

Mitte November war dem Basler ­Regierungspräsidenten der Kragen ­geplatzt. Auf seiner Facebook-Seite ­kritisierte Morin die lokalen Medien scharf und forderte die Chefredaktoren auf, journalistischen Verstössen künftig mit ­einem «Qualitätszirkel» vorzubeugen. Grund für ­Morins Ärger: «Tele­basel» hatte Regierungsrat Hans-Peter Wessels in einer kompromittierenden Pose blossgestellt. Der Bau­direktor ­hatte nach einem Interview über den U-Abo-Streit beim Herum­albern mit dem «Telebasel»-Journalisten kurz die Zunge herausgestreckt – nicht ­ahnend, dass der Journalist diese ­Szene nachträglich in seinen Bericht einbauen würde. Die «Basler Zeitung» wiederum nutzte den journalistische Fauxpas des ­Lokal-TV für eine Generalabrechnung mit Hans-Peter Wessels.

Nur wenige Tage später wurde erneut über die Qualität der Medien debattiert, nachdem Sicher­heits­direktor Hans­peter Gass mitgeteilt hatte, dass er bei der Gesamterneuerungswahl 2012 nicht mehr antreten werde. Gass war im Zusammenhang mit den Vandalenakten auf der Voltamatte von den lokalen Medien zum Teil harsch angegriffen worden. Nach Gass’ Rücktritts­ankündigung machte der Vorwurf der «Medienhetze» in Basler Politiker­kreisen die Runde.

Herr Morin, Sie forderten kürzlich auf ­Facebook einen «Qualitätszirkel» für Medien. Sind Sie so unzufrieden mit den Medien?

Guy Morin: Nein, im Allgemeinen nicht. Aber ­di­verse Berichterstattungen hinter­liessen bei mir den Eindruck, dass die Medien ihre Sorgfaltspflicht nicht ­immer wahrnehmen. Gerade bei Hans-Peter Wessels: «Telebasel» hat seine Mimik mit der Zunge in einen redaktionellen Zusammenhang gestellt. Das finde ich sehr heikel. Ich spüre, dass die Medien stark unter Druck sind. Das führt wohl auch dazu, dass die Sorgfalt zuweilen darunter leidet. Ich wollte mich mit diesem Facebook-Eintrag hinter meinen Kollegen stellen und diese Idee einfach mal ins Spiel bringen.

Eine Idee, die nach Zensur klingt.

Ich habe nie von Zensur gesprochen, sondern von Qualitätssicherung. Es liegt nicht an Politikern, zu sagen, was die Medien zu tun haben. Aber Medienschaffende ­erwarten von uns ja auch Sorgfalt in der Kommunikation. Es ist deshalb nicht zu viel verlangt, wenn auch wir das einfordern.

Gebracht hat Ihr Vorstoss nichts.

Das finde ich nicht. Der Qualitäts­zirkel hat auf Facebook und auch bei den ­Medienschaffenden für Diskus­sionen gesorgt. Genau das wollte ich damit ­erreichen. Mehr war nicht angedacht.

Vielleicht haben Sie den Qualitätszirkel ja ins Spiel gebracht, weil Sie selber oft kritisiert werden und eine dünne Haut haben?

Nein, überhaupt nicht. Ich habe in letzter Zeit eher den Eindruck, dass die Medien sehr wohlwollend und sachlich mit mir umgehen.

Was für ein Verhältnis haben Sie eigentlich zu den Medien?

Ich glaube, dass ich ein relativ offenes Verhältnis zu den Medienschaffenden habe. Ich spreche das aus, was ich denke – ohne irgendeine versteckte Agenda. In den sieben Jahren als ­Regierungsrat hatte ich nur zweimal das Gefühl, dass ich falsch dargestellt und missverstanden wurde. Ich habe dann auch dagegen interveniert. Sonst mach ich das nie. Und ich glaube auch, dass ich relativ grosszügig beim ­Gegenlesen von Interviews bin.

Kommen wir auf die BaZ zu sprechen: Vor Kurzem wurde bekannt, dass Christoph Blocher tatsächlich seine Finger im Spiel hat und der Tessiner ­Finanzier Tito Tettamanti wieder das Sagen hat. Die BaZ ist für Sie als Grüner bestimmt in falschen Händen.

Die Basler Regierung hat Transparenz gefordert, die haben wir jetzt. Nun können die Leserinnen und Leser ­eigenständig entscheiden. Wichtig ist, dass die redaktionelle Unabhängigkeit gewahrt bleibt. Und mir ist es wichtig, dass es in der Region eine Medienvielfalt gibt. Für Basel ist es wichtig, dass wir eigenständige Medien haben, die auch südlich des Juras wahrgenommen werden.

Hans-Peter Wessels hat die BaZ gekündigt, weil er mit deren Ausrichtung unzufrieden ist. Haben Sie sie auch abbestellt?

Nein. Ich will und muss mich auch mit Beiträgen aus­einandersetzen, die nicht meiner Meinung entsprechen. So lese ich auch die «Weltwoche». Ich lese allgemein sehr viele Zeitungen: neben der BaZ auch «20 Minuten», die «Basel­land­schaft­liche Zeitung» oder den «Blick».

Sie scheinen als Regierungs­präsident viel Zeit zu haben.

(lacht) Mit der Zeit weiss man, was man alles überspringen kann.

Apropos Präsidium: Die Bürger­lichen werden nicht nur den Sitz von Hanspeter Gass verteidigen, sondern auch Ihnen den Sitz ­streitig machen. Nervt Sie das?

Nein.

Und wenn es so wäre, würden Sie es nicht ­zugeben.

Im Ernst: Ich habe keine Angst. Es ist gut, wenn das Amt eine Ausstrahlung hat. Es ist das erste Mal, dass die Bürgerlichen das Präsidium als erstrebenswert erachten. Vor drei Jahren wollte keiner gegen mich ­antre­ten. Jetzt schon. Das zeigt doch, dass ich eine wichtige Funktion habe. Das spüre ich auch in der Bevölkerung: Man schätzt meine Funktion. Ich stelle mich dem Wettbewerb gern und bin zuversichtlich, dass ich es nochmals schaffe.

Sie und Ihr Departement werden im kommenden Wahljahr ­bissige Kritik zu hören bekommen.

Das gehört im Wahlkampf zum Spiel. Es ist logisch, dass SVP und FDP mich angreifen – sie müssen ja! Aber die Wähler sind sehr sensibel und entscheiden sofort, ob die Kritik berechtigt oder nur rein parteipolitisch ist.

Bei ­Ihnen wurde vor Kurzem ein ­Tumor diagnostiziert … Dürfen wir Sie danach ­fragen und mögen Sie antworten?

Ja, das ist schon in Ordnung. Der ­Tumor wurde in einem frühen Sta­dium entdeckt, bei einer Vorsorge­untersuchung. Ich hatte also keine Symptome. Die Ärzte haben mir ­gesagt, dass der Tumor mit einem einmaligen chirurgischen Eingriff entfernt werden kann und die Chancen sehr gross sind, dass ich dann geheilt bin. Ich gehe mal davon aus, dass es so ist. 100 Prozent sicher ist man natürlich nie. Aber ich glaube, dass ich demnächst wieder gesund bin und wieder normal arbeiten kann. Und wenn es das Schicksal anders will, muss ich weiterschauen. Es ist eine mühsame Sache. Aber jeder Mensch muss mit Krankheiten umgehen können. Klar hätte ich es mir anders gewünscht.

Was werden Sie unternehmen, um Ihren Sitz zu verteidigen?

Ich werde einfach meinen Job gut ­machen. Und ich werde weiterhin ­authentisch, aufrichtig und sorgfältig sein. Das ist der beste Wahlkampf.

Werden Sie wieder eine Stil­beraterin anstellen?

Die hatte ich ja schon! (lacht laut)

Wie finden Sie die Vorstellung, dass FDP-Gewerbedirektor Peter Malama demnächst mit Ihnen in der Regierung sitzen könnte?

Das entscheiden die Wählerinnen und Wähler. Ich habe in den letzten Jahren einige Wechsel in der Regierung mitbe­kommen. Wenn jemand Neues kommt, muss er sich halt einfügen. Wichtig ist, dass wir immer geschlossen als Gremium auftreten, auch wenn wir in der Regierung viel streiten. Ich sehe es als Regierungspräsident auch als meine Aufgabe, die Geschlossenheit herzustellen.

Falls es mit dem Regierungs­präsidium nicht mehr klappen sollte, können Sie doch Sicherheitsdirektor werden.

(schweigt lange) Davon gehe ich nicht aus. Ich kandidiere für das Präsidium.

Glauben Sie Hanspeter Gass, dass er nie im Sinn hatte, mehr als zwei Legislaturperioden im Amt zu bleiben und nicht die zum Teil harsche Kritik der Medien an ­seiner Person Grund für seine Rücktritts­ankündigung ist?

Er hat mir in einem persönlichen ­Gespräch sehr glaubhaft dargelegt, dass dies schon immer sein Plan war und sein Rücktritt nichts mit den ­Medienberichten rund um die Villa Rosenau und die Voltamatte zu tun hat. Selbstkritisch kann ich sagen: Wir als Regierung hätten diese Sache professioneller angehen müssen.

Inwiefern?

Bei den Sachbeschädigungen rund um den Voltaplatz hätten wir besser kommunizieren müssen. Das heisst, wir hätten schneller hinstehen und sagen sollen, was Sache ist. Das war nicht der Fall, deshalb ist es zu Verunsicherungen gekommen. Unsere Botschaft war von Anfang an nicht klar und geschlossen. Es gab ein Schwarzpeter-Spiel zwischen der Polizei und den    ­politisch Verantwortlichen. Das finde ich heikel. So etwas darf nicht passieren. Bei der Kommunikation haben wir noch ein wenig Optimierungsbedarf.

Und was haben Sie dagegen unternommen?

Wir haben Gespräche mit der Polizei und mit dem Medienverantwortlichen der Polizei geführt. Es ist klar, solche Ereignisse wie am Voltaplatz lasssen sich nie vermeiden, aber wir können als Regierung klare Botschaften bringen. Wir müssen nach solchen Ereignissen mit einer Stimme reden.

Was war das beste Erlebnis für Sie im Jahr 2011?

Unsere Bevölkerungsbefragung. Die Leute fühlen sich in Basel wohl. Der Anteil von Leuten, die sich gerne bis sehr gerne in Basel aufhalten, hat sich gegenüber 2007 nochmals auf 98 Prozent gesteigert. Auf diesen Wert können wir sehr stolz sein.

Das war jetzt ein sehr fachliche Antwort. Etwas persönlicher?

Die vielen Kontakte mit der Bevölkerung, die ich hatte.

Und was ist Ihr Ziel für das kommende Jahr?

Ganz klar: Wieder gesund werden! Und dann möchte ich mich natürlich ­voller Elan für die Bevölkerung und die Region einsetzen. Es gibt viel zu tun für diesen Kanton. Darauf freue ich mich.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 30/12/11

1.1.12: Link zu Guy Morins Facebook-Eintrag eingefügt.

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