«Ich weiss noch nicht, ob ich Nägelin empfehle»

SVP-Grossrat Patrick Hafner will in die Regierung. Dass Parteikollege und Mitkandidat Lorenz Nägelin ihn nicht als Sicherheitsdirektor empfiehlt, nimmt er ihm nicht übel. «Ich habe dieses Vorgehen so einfach noch nie erlebt», sagt er im Interview.

Das Zweier-Ticket der SVP für die Regierungsratswahl: Grossrat Patrick Hafner und Ratskollege Lorenz Nägelin (Bild: pd)

SVP-Grossrat Patrick Hafner will in die Regierung. Dass Parteikollege und Mitkandidat Lorenz Nägelin ihn nicht als Sicherheitsdirektor empfiehlt, nimmt er ihm nicht übel. «Ich habe dieses Vorgehen so einfach noch nie erlebt», sagt er im Interview.

Patrick Hafner, sind Sie enttäuscht von Lorenz Nägelin?

Nein, wieso sollte ich enttäuscht sein?

Vielleicht weil er als SVP-Kollege und Mitkandidat Sie nicht empfiehlt

Ich bin nicht beleidigt. Ich habe dieses Vorgehen so einfach noch nie erlebt. Und man hat es bisher auch nicht so gemacht, das haben mir auch andere Politiker gesagt. Aber ja… es ist sein Entscheid.

Haben Sie eine Erklärung für diesen Entscheid?

Er hat seinen offiziellen Wahlkampf eröffnet, Geld in die Hand genommen für die Kampagne, eine Medienkonferenz einberufen, da ist doch klar, dass er in diesem Teil als Einzelmaske in Erscheinung tritt. Das heisst aber nicht, das wir uns nicht verstehen. Ich mache ihm da keinen Vorwurf.

Sie denken nicht, dass die fehlende Wahlempfehlung mit dem Streit bei der Wahl des SVP-Parteivorstandes zwischen Ihnen und Sebastian Frehner zu tun hat? Nägelin steht ja Frehner nahe.

Das glaube ich nicht. Sebastian Frehner hält sich sehr zurück, was den kantonalen Wahlkampf angeht. Er hat auch die führenden Aufgaben in diesem Zusammenhang alle an Joël Thüring übergeben …

… der wiederum Kampagnenleiter bei Nägelin ist.

Das ist auch eine gute Wahl, er hat ein Gespür dafür. Joël Thüring hat auch mir angeboten, mich zu unterstützen. Aber um die Frage zu beantworten: Ich habe noch am Abend der Parteiversammlung lange mit Sebastian Frehner gesprochen. Und für ihn ist die Sache gegessen – wie auch für mich.

Sind Sie nie angefeindet worden in der Partei?

Es gab einige, die mir übel genommen haben, dass ich Frehner als Parteipräsident in Frage gestellt habe. Ich habe aber an der Nominationsveranstaltung für die Regierungsratswahlen zur Partei gesprochen, meine Sicht dargelegt, eingestanden, dass es ein Fehler war und gesagt, dass es für Sebastian Frehner und mich erledigt ist. Danach gab es Applaus, ich glaube, diese Angelegenheit ist aus der Welt geräumt.

Werden Sie Nägelin empfehlen nach seinem Auftritt?

Das kann ich jetzt nicht sagen, weiss ich noch nicht. Es hängt damit zusammen, was ich im Wahlkampf machen werde. Für mich stellt sich diese Frage nur, wenn ich einen Flyer mache mit einer konkreten Empfehlung. Vielleicht schreibe ich dann Nägelin und Hafner, vielleicht nur Hafner. Aber er kandidiert für das Präsidium, ich sehe mich als Sicherheitsdirektor und ich werde auch so Wahlkampf machen. Am wahrscheinlichsten ist deshalb, dass ich einfach schreibe: «Wählen Sie mich als Sicherheitsdirektor.» Da trete ich ihm nicht auf die Füsse. Die Frage wird sich wohl gar nicht stellen. Ich habe nur bescheidene Mittel zur Verfügung.

Wieviel haben Sie vor zu investieren?

Ein Teil kommt ja von der Partei, die für die Grossrats- und die Regierungsratswahlen ein Budget hat. Wie viel ich selbst investiere, ist noch nicht klar. Es hängt etwas davon ab, wer mich unterstützt, wie viel Geld ich erhalte – was ich für Möglichkeiten habe.

Sind Sie nicht etwas spät dran, wenn Sie jetzt noch nicht wissen, was Sie machen wollen?

Nein. Ich glaube nicht an die grossen Publikumsaktionen. Die beeinflussen die Wähler nur wenig. Es kommt vielmehr darauf an, was ich in den vergangenen vier Jahren gemacht habe. Und da stehe ich ja gut da: Ich war Grossratspräsident, Bürgerratspräsident, habe gezeigt, dass ich gut mit Leuten zusammenarbeiten kann. Ich bin wieder gewählt worden als Bürgerrat und habe das Gremium nicht gesprengt. Ich bin also auch teamfähig. Wenn die Leute das sehen, da spielt es keine Rolle, ob ich noch auf irgendwelchen Plakaten bin. Auf den Wahlzetteln gibt es ja auch keine Bilder. (lacht)

Warum hat die SVP überhaupt zwei Kandidaten aufgestellt?

Es erwartet niemand, dass beide gewählt werden. Das ist klar. Aber ich glaube auch nicht, dass zwei FDPler gewählt werden. Und damit wäre diese Frage auch beantwortet: Wenn die FDP das Gefühl hat, sie kann zwei Kandidaten aufstellen, dann kann das die SVP längst. Wir haben mehr Wählerprozente, substanziell mehr.

Das Potenzial könnte man aber auch in einer Person bündeln.

Ich bin da nicht so der Fachmann. Wahlkampftaktiker sagen, dass es gut ist für einen ersten Wahlgang zwei Kandidaten zu haben, einen für das Regierungspräsidium und einen als Sicherheitsdirektor. Im zweiten Wahlgang – den es höchst wahrscheinlich geben wird – kann man dann zuspitzen auf eine Person, einen Akzent setzen. Das finde ich eine vernünftige Überlegung.

Und wenn es soweit ist: Heisst es Nägelin oder Hafner?

Entschieden ist noch nichts. Einerseits hängt das wohl vom Abschneiden im ersten Wahlgang ab. Andererseits von der Frage: Was will die Partei erreichen? Gibt es noch Chancen das Präsidium anzugreifen oder ist das gelaufen? Wenn es gelaufen ist, weiss ich noch nicht, wie Nägelin reagiert. Er hat die Herausforderung, dass er bei der Wahl zum Sicherheitsdirektor unter Umständen gegen seinen zukünftigen Chef antritt. Und ob er das tut – das hat er bereits gesagt – hängt sehr davon ab, wie er im ersten Wahlgang abschneidet. Er will es sich ja nicht verderben mit seinem neuen Chef. Dieses Thema haben wir auch schon in der Partei besprochen. Das ist auch der Grund, warum er nicht alleine antritt. Ich habe da kein Problem, meine Arbeitsstelle ist ausserkantonal. Ich könnte einen heissen Wahlkampf führen, wenn es um die Wurst geht.

Spielt es überhaupt eine Rolle, wer von Ihnen beiden gewählt wird? Sie werden wohl für die gleichen Sachen einstehen: Aufstockung des Polizeikorps, mehr Grenzkontrollen, mehr Videoüberwachung wie Nägelin bereits angekündigt hat…

Oh, da haben wir ganz unterschiedliche Vorstellungen. Ich bin absolut gegen eine flächendeckende Videoüberwachung. Ich würde sogar sagen, ich bin ein scharfer Gegner davon. Ich glaube nicht an technokratische Lösungen. Am Anfang meiner Karriere hätte ich vielleicht auch gesagt: Videoüberwachung sei gut, kostet nicht viel, bindet nicht viel Personal und bringt dennoch etwas. Aber da habe ich aufgrund meiner Erfahrungen nun eine ganz andere Haltung: Es braucht Menschen – gerade bei der Polizei, das ist ein «People’s Job». Es braucht sichtbare, greifbare Menschen, mit denen man reden kann, sagen kann: «Sie, ich hab da etwas gesehen, ich bin nicht ganz sicher, wollen sie nicht mal schauen?» Das kann Technik nicht. An einzelnen Orten macht es vielleicht Sinn, aber flächendeckend auf keinen Fall. Ich habe eine andere Idee, die ich gerne verfolgen würde.

da bin ich gespannt.

Ich stelle mir ein Modell mit zwei Arten von Polizisten vor. Die bisherigen Polizisten sind höchst ausgebildet, tragen eine Waffe und machen oft auch Jobs, für die sie eigentlich überqualifiziert und zu teuer sind. Hier die Gerbergasse hinuntergehen, Präsenz markieren, Fragen der Touristen beantworten, dafür brauchen wir sie nicht. Mir schwebt eine Quartierpolizei vor, Basler Bobbys sozusagen. Diese unbewaffneten Polizisten, die gar nicht unbedingt eine vollständige Polizeiausbildung hinter sich haben müssen, sollen vor Ort sein, greifbar, ansprechbar, da für die Leute. Und wenn etwas passiert, sollen diese Quartierpolizisten, die – ich nenne sie mal Profis – alarmieren, die dann ausrücken.

Dafür müssten Sie das Korps aber auch aufstocken.

Ja, aber nicht mit der bisherigen Art Polizisten – von denen braucht es nicht mehr – sondern ich würde das bisherige Community Policing stärken. Das wäre mein Plan, aber selbstverständlich würde ich das dem Parlament vorlegen und auch dem Volk. Dann sehen wir mal, ich glaube, die Leute würden es begrüssen. Sicherheit ist ein grosses Thema.

Wie sicher fühlen Sie sich in Basel?

Ich fühle mich relativ sicher, bis auf wenige Ausnahmen. Ein Beispiel: Ich bin an einem Donnerstagabend durch die Steinenvorstadt gegangen. Zunächst habe ich einen getroffen, der pinkelte gerade an eine Bauabschrankung, ein paar Meter weiter rempelten sich irgendwelche Typen gegenseitig an, weiter hinten standen irgendwelche Gestalten in dunklen Ecken herum. Da wäre ich froh gewesen, ich hätte einen Polizisten gesehen, der mir entgegenkommt oder herumsteht. Mir ist nichts passiert, aber das Gefühl …

Sie haben vor vier Jahren schon einmal für den Regierungsrat kandidiert, sind gescheitert. Bei den Nationalratswahlen sind Sie gescheitert. Warum tun Sie sich diesen Wahlkampf nochmals an?

Da gibt es eine gute Antwort: Ich habe bei der vergangenen Regierungsratswahl 8000 Stimmen mehr gehabt als Baschi Dürr. 8000 mehr als Christophe Haller, 8000 mehr als Nägelin und auch 8000 mehr als Emmanuel Ullmann. Die haben nämlich keine gemacht, sie sind nicht angetreten. Ich glaube, ich habe den Vorteil, dass ich schon mal hingestanden bin. Die Leute kennen mich. Ich war der beste Nichtgewählte. Ich schaue das nicht als ständiges Probieren an.

Ihre Kandidatur hat trotzdem überrascht. Hinter vorgehaltener Hand sprach man sogar von einer Verlegenheitslösung der SVP.

Ich sage das jetzt offen – das ist nicht meine Art, weil ich mich nicht gerne selber lobe – aber schauen wir uns die fünf Kandidaten an: Wer ist der beste Sicherheitsdirektor? Wer hat die konsequenteste Sicherheitspolitik gemacht? Ich habe im Parlament Vorstösse zum Thema gemacht. Ein Baschi Dürr sagt nichts zur Sicherheitspolitik, Nägelin kann nicht viel sagen, weil er in diesem Departement angestellt ist, Christophe Haller ist bisher nicht als Sicherheitspolitiker in Erscheinung getreten und Ullmann auch nicht. Wer ist also ein guter Sicherheitsdirektor? Es klingt vielleicht angeberisch, aber meine Kandidatur ist nicht aus der Luft gegriffen.

Vor vier Jahren haben Sie noch gesagt, Sie würden gerne ins Bau- und Verkehrsdepartement. Sie hätten viele Ideen und seien der Richtige.

Natürlich, ich hätte auch einige Ideen für die anderen Departemente, auch Kritik an der bisherigen Arbeit. Aber das steht nicht zur Debatte: Es geht ums Sicherheitsdepartement und ich will hier keinen möglicherweise zukünftigen Kollegen kritisieren. Es gibt bei jedem etwas, das man ansprechen könnte und was ich anders machen würde. Ich fahre niemandem an den Karren, wenn ich es nicht muss.

Sie werden oft als pingelig und bünzlig beschrieben. Sie sagen von sich selbst Sie seien zu Hause eine chaotische Person. Wie passt das zusammen?

Das passt sehr gut. Es gibt den Bereich der öffentlichen Verantwortung und den der privaten. Und ich denke, im privaten Raum darf jeder machen, was er will. Das ist auch der Grund, warum ich gegen Videoüberwachung bin: die Privatsphäre muss geschützt bleiben. Im öffentlichen Raum muss man sich aber benehmen. Wenn das jemand nicht tut, muss man ihm das sagen. Einmal, zweimal, vielleicht auch dreimal. Wenn er sich aber nicht daran hält, dann brauchen sie Nachhilfe – wie beim Abfall. Es wird so viel informiert, aber die Leute foutieren sich weiterhin darum. Deshalb muss man etwas tun.

Sie haben als Grossratspräsident oft Sudokus gelöst. Werden Sie als Sicherheitsdirektor auch zurücklehnen und Zahlenrätsel lösen?

(lacht) Sie können gerne meine ehemalige Statthalterin Annemarie von Bidder fragen. Ich mag Sudokus gelöst haben, ich habe aber nie den Anschluss oder Faden verloren. Wenn ich so etwas mache, dann darf der Job nicht darunter leiden. Der Reiz des Sudokus ist, dass es im Prinzip etwas sehr Einfaches ist. Es ist überblickbar: Es gibt nur eine Lösung und man kann mit vernünftigem Aufwand zum Ziel kommen. Es ist nicht wie in der Politik oder im realen Leben, wo es eine Bandbreite von möglichen Lösungen gibt; nicht alles sofort umsetzbar ist und alles viel, viel vielschichtiger ist, als man denkt.

… aber Sudokus lösen als Grossratspräsident!

Ach, schauen Sie doch, was der da oben macht. Er sagt, wer, wann dran kommt und dann wartet er. Es ist in ganz wenigen Fällen eine wichtige Funktion: Wenn es um Entscheidungen geht. Aber dann war ich auch nicht mit Sudokus beschäftigt. Der grosse Job des Grossratspräsidenten findet ausserhalb des Rates statt: Es ist die Repräsentationsfunktion. Zu den Polizeibeamten an den Apéro gehen, bei Vereinsanlässen vorbei schauen, wenn man eingeladen wird. Den Leuten dort genau zuhören und es mitnehmen. Die Sitzungen leiten, ist der kleinste Teil.

Also keine Sudoku-Pausen für die Angestellten im Sicherheitsdepartement in Zukunft?

Wenn jemand eine Sudoku-Meisterschaft im Departement organisieren will, unterstütze ich ihn gerne dabei. Es steigert schliesslich das Denkvermögen…(lacht)

Patrick Hafner, 47, unterrichtet Strategisches Management an der Fachhochschule Bern, ist seit 2005 für die SVP im Grossen Rat. Sitzt in diversen Kommissionen des Parlaments, einigen Aufsichtgremien und im Bürgerrat von Basel. Er wohnt im Gundeli-Quartier.

 

 

 

 

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