Im Quartier der kleinen Wunder

Glücklich ist, wer richtig fest nachdenken muss, damit ihm die kleinen Ärgerlichkeiten an seinem Wohnort auffallen. Die Bewohner des St. Johann, so viel können wir nach dem Besuch mit dem Kaffeemobil sagen, müssen sehr fest nachdenken.

(Bild: Philipp Loser)

Glücklich ist, wer richtig fest nachdenken muss, damit ihm die kleinen Ärgerlichkeiten an seinem Wohnort auffallen. Die Bewohner des St. Johann, so viel können wir nach dem Besuch mit dem Kaffeemobil sagen, müssen sehr fest nachdenken.

Das Kaffee-Mobil stand an diesem Samstagmorgen beim St.Johanns-Tor, auf dem Platz vor dem Park. Der Blick geht weit an dieser Stelle der Stadt: über den grünen Park, über den Rhein, ins Kleinbasel, bis nach Deutschland. Und immer auch zur neuen Bar am Eingang des Parks. Die Eröffnung von «Jonny Parker» Mitte Juni und die Neugestaltung des Spielplatzes hat die Atmosphäre des gesamten Quartiers verändert. Und zwar zum noch Besseren.

Denn, und da sind sich eigentlich alle Kaffeetrinker einig: «Das St. Johann ist ein wunderbares Quartier.»

Lebenswert und farbig und gut durchmischt. «Ich habe tolle Nachbarn», sagt etwa Monika Winter, die seit zwanzig Jahren im St. Johann wohnt und die Entwicklung des Quartiers als sehr positiv empfindet. Der Voltaplatz sei viel besser gestaltet, und eben, der Park. Hier macht Winter aber eine Einschränkung: «Ich kann nicht verstehen, warum man damals die alternative Szene nicht im Park gelassen hat.» Damals in den 80er-Jahren, als junge Menschen die Stadtgärtnerei als Zeichen gegen den Mief der Stadt und der Zeit verstanden. Frei sein wollten, Freiräume beanspruchten und mit ihren Forderungen nicht weit von jenen jungen Menschen entfernt sind, die heute gegen ein Zuviel an Stadtentwicklung und ein Zuviel an Aufwertung durch die Strassen marschieren und manchmal auch eine Scheibe einschlagen.

Asylschiff kein Thema

Die Bewegung heute hat nicht mehr den gleichen Sog wie die Bewegung damals. Die Jungen von damals sind älter und bürgerlicher geworden. Sie waren als Studenten im St. Johann und sind auch hier geblieben, als sie den ersten richtigen Job bekamen, das erste Kind. Und so entwickelt sich auch das Quartier vom aufmüpfigen Studenten zum bürgerlichen Erwachsenen. Immer noch etwas hip, immer noch sehr urban. Aber auch etwas gediegener.

Kevin Widmer, ein Student noch, ist erst vor fünf Monaten aus dem Bachletten-Quartier ins St. Johann gezogen und er bereut keinen Tag davon. «Immer läuft etwas, das Quartier ist total belebt.» Ihm gefalle die Vielfalt und Farbigkeit seines neuen Wohnorts. An jeder Ecke höre er eine andere Sprache, wunderbar sei das.

Apropos verschiedene Sprachen: Das Asylschiff, das nach den Plänen des Regierungsrats unten am Rhein und gleich beim Park ankern soll, war am Samstagmorgen beim Kaffee-Mobil nur ein peripheres Thema. «Das Asylschiff ist kein Thema im Quartier», sagte eine Besucherin, «die Gegner des Schiffs wurden in den Medien überrepräsentiert.»

Vielleicht wird das Schiff auch erst zu einem echten Thema, wenn es auch tatsächlich angelegt hat. Bis dahin haben die Bewohnerinnen und Bewohner des St. Johanns beneidenswert kleine Sorgen – was ihnen auch bewusst ist. Ausnahmslos alle Anwohner, die den Stand der TagesWoche besuchten, sind im Grundsatz äusserst glücklich mit ihrem Quartier. Nur in den Details gäbe es noch das eine oder andere:

– Verkehr. Die Bewohner des Voltaplatzes sind zwar nicht mehr so belastet wie vor und während dem Umbau, aber noch immer wälzt sich jeden Morgen eine Autokolonne über den Platz. Vorschlag eines Anwohners: Warum öffnet man nicht die Autobahnausfahrt auf der Kleinbasler Seite? Ausserdem: Warum sperrt man die Elsässerstrasse nicht für Lastwagen? Ausserdem 2: Warum ist die St.Johanns-Vorstadt immer noch eine Einbahnstrasse für Velofahrer?

– Cafés. Auch wenn seit zwei Monaten der Jonny Parker geöffnet hat (auch bekannt unter den Namen «Pärklibär»), fehlen noch zwei drei Cafés (am liebsten mit Wlan) im Quartier. Vor allem da so viele Alteingesessene die noch älteren und traditionellen Quartierbeizen vermissen uns sich einen Begegnungsort wünschen.

– Veloparkplatz beim neuen Coop an der Elsässerstrasse. Der ist in der Tiefgarage. Ein Blödsinn. Und auch ein paar Velowege würden nicht schaden, sagt Ruedi Häger.

– Kannenfeldpark. Der schönste Park der Stadt gehört ebenfalls zum St. Johann. Zwei Verbesserungsvorschläge vom Samstag: Die Toiletten müssten dringend renoviert werden und auch das Café ist nicht mehr unbedingt auf dem neuesten Stand.

– Abfall. Zu früh auf die Strasse gestellte Bebbi-Säcke; Bebbi-Säcke, die als temporäre Abfallhalden missbraucht werden; Jugendliche, die den Platz vor dem Kiosk von Aydin Sen vollmüllen – wie überall in der Stadt ist auch im St. Johann der Abfall ein Dauerthema. Die Stadtreinigung kommt zwar regelmässig, monierten die Bewohner, aber zu wenig oft. «Mehr Abfalleimer in den Strassen wären auch gut.»

– Geschlossener Campus. So ein schöner Campus. Aber leider nur für die Novartis.

– Kein richtiger Markt. Der wöchentliche Markt wurde auf den Vogesenplatz verlagert, was schade ist. Und Anwohner Theo Keel macht sich Sorgen, dass der Fokus sich noch mehr auf den Voltaplatz richten könnte.

– Störende Rasenmäher. Noch einmal der Voltaplatz, noch einmal der gleiche Anwohner: «Es ist nicht verständlich, warum die Mitarbeiter der Stadtgärtnerei die Wiese regelmässig am Samstagmorgen um 7 Uhr mähen müssen.»

Aber wie gesagt: Das sind kleine Klagen im Vergleich mit der hohen Gesamtzufriedenheit, die wir an diesem Samstagmorgen festgestellt haben. Haben wir das echte St. Johann gespürt? Oder erlagen wir einer Täuschung? Wir werden es hoffentlich bis zum Ende der Woche wissen, wenn wir in regelmässigen Abständen auf www.tageswoche.ch über das Quartier berichten.

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