Ägypten führt seinen eigenen Kampf gegen die Jihadisten auf dem Sinai. Die haben die selbe Ideologie wie der Islamische Staat. Der hat zwar noch keine eigenen Zellen in Ägypten, aber es gibt Anzeichen dass er versucht, auch im grössten Land der Region Fuss zu fassen.
Im Propaganda-Stil des Islamischen Staats (IS) veröffentlichte die ägyptische Jihadisten-Gruppe Ansar Bayt al-Maqdis dieser Tage zum zweiten Mal ein Video, in dem die Enthauptung von drei Menschen publik gemacht wird. Die Exekutierten «gestehen» für den israelischen Geheimdienst und die ägyptische Armee spioniert zu haben.
Bayt al-Maqdis (Unterstützer Jerusalems) ist die grösste der zahlreichen Jihadisten-Gruppen, die sich in den vergangenen Jahren auf der Sinai-Halbinsel eingenistet haben. Ihre neusten Videos sind Zeugnis, dass die Brutalität der islamistischen Extremisten auch in Ägypten eine neue Stufe erreicht hat.
Kommunikation über Internet
Bayt al-Maqdis hat seit der blutigen Entmachtung der Muslimbrüder im Sommer 2013 ihre Anschläge auf Armee und Sicherheitskräfte, die sie als Racheakte deklariert, massiv erhöht. Mehrere Hundert Polizisten und Soldaten wurden getötet. Die meisten von ihnen auf der Sinai-Halbinsel.
Aber es gab auch Anschläge im Rest des Landes bis hin zur libyschen Grenze, wo ein Checkpoint überfallen und 21 Soldaten getötet wurden. Auch für das eben zu Ende gegangene Eid al-Adha, das muslimische Opferfest, hatte die Gruppe «einen schwarzen Tag für den ungläubigen Innenminister und seine Verbündeten» angekündigt und damit die Sicherheitskräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.
Die ägyptischen Behörden gehen davon aus, dass IS selbst noch keine eigenen Zellen im Land hat, aber ideologisch sind die salafistischen Sinai-Jihadisten mit dem IS verwandt und über Internet und soziale Netzwerke wird auch kommuniziert und koordiniert. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte einen Militanten von Bayt al-Maqdis aus dem Sinai, der erklärte, IS liefere Anleitungen, um effektiver zu operieren.
Aufruf zu Anschlägen
Zudem hat der IS die ägyptischen Jihadisten kürzlich ganz konkret aufgerufen, ihre Anschläge auf die Sicherheitskräfte auszuweiten. «Tötet sie von hinten… platziert Sprengstoff auf den Strassen und in ihren Hauptquartieren, stürmt ihre Häuser und trennt ihre Köpfe ab», lautete der Audio-Aufruf, der IS-Sprecher Abu Mohammed al-Adnani zugeschrieben wird.
Darüber hinaus haben ägyptische Sicherheitskräfte am vergangenen Wochenende nach Berichten der staatlichen Nachrichtenagentur vier Mitglieder einer militanten Zelle festgenommen, denen vorgeworfen wird, Kämpfer für IS im Irak und Syrien zu rekrutieren.
Schlange mit vielen Köpfen
Die von der Armee gestützte Führung des neuen Präsidenten Abelfattah al-Sisi hat den Kampf gegen den Terror zu ihrer wichtigsten Priorität erklärt. Regelmässig berichtet sie über Erfolge. Nach einem Gefecht, bei dem sieben führende Mitglieder getötet worden sein sollen, verkündete Innenminister Mohammed Ibrahim, 99 Prozent des Potentials von Bayt al-Maqdis seien eliminiert worden.
Unabhängige Informationen aus dem Krisenherd gibt es kaum. Experten bezweifeln die offizielle Version. Nicht zuletzt weil immer wieder neue Gruppen auftauchen und die Verantwortung für Anschläge übernehmen.Wie zuletzt «Anjad Masr» (Soldaten von Ägypten), die mit der Zündung eines improvisierten Sprengsatzes in der Nähe des Aussenministeriums in Kairo zwei Polizisten getötet hatten.
Internationaler Kampf gegen Terror
Den Kampf gegen den Terror im eigenen Land sieht die ägyptische Regierung als Teil des internationalen Kampfes gegen den Terror. Sie unterstützt deshalb auch die von den USA geschmiedete Allianz gegen den IS politisch. Einen militärischen Einsatz ausserhalb der Landesgrenzen schliesst Kairo dagegen kategorisch aus.
Man hilft aber mit Geheimdienstinformationen, versucht die Geldströme an Terrorgruppen auszutrocknen und möglichst zu verhindern, dass in Ägypten Kämpfer für den IS rekrutiert werden. Insbesondere haben sich auch religiöse Institutionen engagiert, die dem IS jede religiöse Legitimität absprechen und seine Mitglieder als gewöhnliche Kriminelle diskreditieren.
Ägypten als IS-Transitland
Die Gefahr, dass der IS in Ägypten, dem bevölkerungsreichsten Land der Region, Fuss fassen könnte, ist dennoch real. Es gibt Experten, die aus der Entwicklung der letzten Monate schliessen, er sei schon da. Tatsache ist, dass es in den Nachbarländern Libyen und Sudan Extremistengruppen gibt, die sich dem IS bereits angeschlossen haben.
Der Weg über die porösen Grenzen in die Kriegsschauplätze führt für Kämpfer und Waffen oft durch Ägypten. Im eigenen Land besteht neben dem Sinai auch in Oberägypten – einer traditionellen Hochburg der Salafisten, die in den 80er-Jahren auch zu den Waffen gegriffen hatten – das Risiko, dass sich religiöse Extremisten dem IS anschliessen könnten.
Die politische Gewalt des vergangenen Jahres hat dieses Risiko wohl eher noch erhöht. Und schliesslich könnten Hunderte Ägypter, die bereits in den Reihen des IS kämpfen, bei ihrer Rückkehr zu einer tickenden Zeitbombe werden.