Ja, er will

Baschi Dürr ist einer der interessantesten Politiker der Stadt. Und einer der ambitioniertesten. Seit dem Verzicht von Peter Malama hat er beste Chancen Basler Regierungsrat zu werden.

Hier macht sich jemand bereit. Baschi Dürr, baldiger Regierungsratskandidat in Basel. (Bild: Michael Würtenberg)

Baschi Dürr ist einer der interessantesten Politiker der Stadt. Und einer der ambitioniertesten. Seit dem Verzicht von Peter Malama hat er beste Chancen Basler Regierungsrat zu werden.

Es war ein Abend, an dem jeder mit dem entsprechenden Bedürfnis sich wieder einmal vor Augen führen konnte, wie klein doch unsere Stadt ist. Auf der Bühne erzählte Regierungsrat Carlo Conti in seinem sympathisch-verschliffenen Hochdeutsch etwas von Zusammenarbeit und Life Sciences und prostete dann den geschätzten zweihundert Männern und Frauen im abgedunkelten Volkshaus zu, die in dieser Woche an verschiedener Stelle auf Kosten von anderen (dem Kanton, der Wirtschaftskammer etc.) trinken dürfen.

Es sind immer die gleichen Gesichter an diesen Anlässen. Der Malama, der Auderset, die Regierungsmenschen (also die Basler, die Landschäftler schwänzten), der Ueberwasser, der Lüchinger, der Stolz, der Schäfer, der Vögtli und natürlich all die Journalisten und Mediensprecher in dieser an Journalisten und Mediensprechern nicht armen Stadt.

Einer aber fehlte. Einer, der sonst nie fehlt. Einer, der seit gut fünfzehn Jahren zum politischen Inventar in Basel gehört und der nun zum Sprung auf jene Bühne ansetzt, auf der am Montagabend Carlo Conti stand. Aber Baschi Dürr, ehemals LDP, heute FDP, Grossrat und Präsident der Finanzkommission, war an diesem Abend nicht am regierungsrätlichen Empfang im Volkshaus. Er war in der Oper. «Carmen». Lange abgemacht, nicht zu verschieben.

«Ein Zufall», sagt Dürr am nächsten Tag, und es tönt etwas kokettierend. Wie immer sieht der Politiker, der noch bis vor Kurzem in der BaZ hartnäckig als «Jungpolitiker» betitelt wurde, beinahe zu schick aus, der Mantel, der Anzug, die Krawatte, das Hemd, der Hut mit dem sauber rasierten Kopf darunter, die Packung Davidoff-Zigaretten vor sich auf dem Tisch.

Die Zufälle

Beschäftigt man sich etwas länger mit dem adrett gekleideten jungen Mann (er ist 34), stösst man auf einige solcher Zufälle. Eigentlich zu viele. Der Übertritt von den Liberalen zu den Freisinnigen im Jahr 2005 («Das war der Situation geschuldet. Die Liberalen wollten nicht mit der FDP fusionieren. Also habe ich selber fusioniert.»); die Wahl zum Präsidenten der Finanzkommission («Das war wirklich Zufall. Erstens, dass ich auch für die FDP weiterhin in der Kommission blieb. Zweitens, dass Hanspeter Gass im zweiten Wahlgang zum Regierungsrat gewählt und damit das Präsidium vakant wurde.»). Dann der Aufbau des lokalen PR-Büros von Farner und die damit verbundene Vergrösserung des schon vorher nicht kleinen Kontaktnetzes von Dürr. Schliesslich der unerwartete Rücktritt von Regierungsrat Hanspeter Gass. Alles Zufälle. Glücksfälle, wenn man es aus der Perspektive von Baschi Dürr betrachtet. Schon als Jugendparlamentarier hat er gesagt, er wolle Bundesrat werden, seinem damaligen Duktus ist er treu geblieben. Nie hat er seine Ambitionen verhehlt, seinen Ehrgeiz hinter Floskeln versteckt. «Alles andere wäre nicht ehrlich. Ich traue mir etwas zu und sage das auch.»

Die beste Situation

Damit ist er bisher gut gefahren. Ob die vielen Zufälle wirklich nur – von Dürr bestens genutzte – Zufälle waren, oder ob die verschiedenen Schritte seiner Karriere zielgerichtet auf die heutige Situation hin geplant waren – es spielt keine Rolle. Fakt ist, dass sich Baschi Dürr seit der Rücktrittsankündigung von Hanspeter Gass in einer äusserst komfortablen Situation befindet. Er galt schon Stunden nach dem Rücktritt von Gass als Favorit für das FDP-Ticket, seit Gewerbedirektor Peter Malama an seinem Neujahrsapéro den Verzicht auf eine Kandidatur verkündete, sind seine Chancen auf das Ticket und damit das Amt noch einmal gestiegen.

Dürr selber will noch nicht sagen, ob er offiziell für den Regierungsrat kandidiert, und bedient sich dabei einer jener Phrasen, die er eigentlich nicht mag. «Ich prüfe das.» Vor einer Woche hat er via Twitter seine Follower gefragt, ob sein Wäsche-Freitagmorgen wohl auch noch als Regierungsrat drinliege. Ein Experiment sei das gewesen, eine Diskussion über Arbeitszeitmodelle habe er damit anstossen wollen. «Alles, was zurückkam, waren Fragen nach der Kandidatur und blöde Sprüche.»

Natürlich waren die Sprüche blöd, natürlich kamen Fragen nach der Kandidatur. Zu offensichtlich ist, dass Dürr offiziell zwar «prüft», sich selber aber schon lange entschieden hat. Natürlich will er Regierungsrat werden. Einzig aus Anstand gegenüber seiner Partei sagt er dies heute noch nicht.

Man kann seine Kandidatur nicht verkünden, bevor sich die eigene Partei über das weitere Vorgehen bei der Nomination einig geworden ist. «Da laufen noch viele Gespräche», sagt Dürr, und man denkt, aha. Natürlich laufen da Gespräche. Und sie laufen zu genau einem Zweck: um das schon lange geplante Vorgehen möglichst breit abstützen zu lassen. Parteipräsident Daniel Stolz sagt jedem, der es hören möchte, dass er mit einem Zweier-Ticket in die Wahl steigen will. Und auf diesem Ticket wird Dürr stehen.

Der Liberalismus-Detektor

Ziel der Bürgerlichen ist es, die rot-grüne Mehrheit in der Basler Regierung zu stürzen. Was schwierig werden dürfte. Für Dürr selber sieht es dennoch nicht so schlecht aus. In einem Eins-gegen-Eins gegen Malama hätte er gute Chancen gehabt. Und auch gegen die anderen möglichen Kandidaten aus der FDP – Daniel Stolz, Christophe Haller oder ähnliche – hat Dürr die Nase vorn. Er ist frischer, unverbrauchter. Und politisch fassbarer.

Der Finanzpolitiker rühmt sich gerne mit seiner «urliberalen» Einstellung, und das wohl auch zu Recht. «Smartvote hat gezeigt, dass ich bei den Nationalratswahlen einer der vier liberalsten Kandidaten der gesamten Schweiz war.» Man kann das politisch verwerflich finden, man kann aus guten Gründen gegen diesen fortwährenden und etwas kalten Appell an die «Eigenverantwortung» eintreten – aber wenigstens weiss man, was man hat. Beurteilt Dürr einen politischen Sachverhalt, macht er das immer und zuallererst aus einem liberalen Standpunkt. Egal, ob das Gesundheitsthemen sind (Dürr will rauchen lassen), es um die Armee geht (Dürr ist Zivildienstler) oder die Gestaltung von Steuermodellen (Dürr will den gleichen Steuertarif für alle) – Dürr lässt alle Fragen durch seinen Liberalismus-Detektor laufen und hält dann an dessen Ergebnis fest.

Vielleicht ist auch das der Grund, warum sich Baschi Dürr in seiner bisherigen Karriere so wenig Feinde gemacht hat. Besser gesagt: keine. Es gibt niemanden, der schlecht über ihn redet (und die gibt es sonst immer). Er kann es mit den Leuten, er kann es auch mit den Linken (seine Lebenspartnerin ist bei der SP). Er schafft es sogar, bei Farner, einer der unerbittlichsten und berüchtigsten PR-Firmen der Schweiz, anzuheuern und sich dabei schadlos zu halten.

Verlässlichkeit sei wichtig, sagt Dürr, Berechenbarkeit, Aufrichtigkeit und vor allem: der richtige Ton. Zur Arbeit der aktuellen Regierung, deren Mehrheitsverhältnisse er im Oktober umdrehen will, sagt er: «Die machen das pragmatisch und gut. Aber: Man könnte es noch besser machen.»

Bei den Steuern zum Beispiel, im Umgang mit der Pharma (vor seinem Farner-Engagement war Dürr Sprecher der Roche), beim Ausgabenwachstum, bei der Lobby-Arbeit in Bern, bei der etwas hilflosen Zusammenarbeit unter den Regionen und im Verständnis des Kollegiums als Kollegium. Es sind Details, die Dürr anführt. Es geht Basel zu gut, um glaubhaft und erzürnt gegen die Regierenden zu wettern.

Es ist auch gar nicht nötig. Dürr muss nicht die Regierung schlechtmachen, er muss nur seinen freisinnigen Kontrahenten schlagen, um genau in diese Regierung gewählt zu werden. Und falls das nicht klappt, bleibt ihm immer noch seine anderen Mandate. Er halte es ganz grundsätzlich so: «Man darf dem Glück nicht zu stark nachrennen. Sonst verkrampft man sich.»

Quellen

Baschi Dürrs Internetauftritt

Baschi Dürr auf Twitter

Baschi Dürr auf Smartvote

Der Internetauftritt von Farner

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06/01/12

Redaktionsschluss für diese Ausgabe war Mittwoch, 4.1. Tags darauf verkündete Peter Malama, dass er nicht für eine Kandidatur zur Verfügung steht. Damit haben sich die Chancen von Baschi Dürr noch verbessert.

Auch der letzte Abschnitt wurde nach einem Hinweis aus der Leserschaft überarbeitet.

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