Jetzt nimmt sich die grösste Bohrmaschine der Schweiz das Baselbieter Juragestein vor

Zwischen Solothurn und Baselland entsteht ein Loch mit 14 Metern Durchmesser: der Sanierungstunnel Belchen. Jetzt haben Weissweingläser im Herzen des Bergs geklimpert – zum Kantonswechsel.

Menschen wirken in der gigantischen Röhre wie Zwerge.

(Bild: Lucas Huber)

Zwischen Solothurn und Baselland entsteht ein Loch mit 14 Metern Durchmesser: der Sanierungstunnel Belchen. Jetzt haben Weissweingläser im Herzen des Bergs geklimpert – zum Kantonswechsel.

Noch ist das Licht am Ende des Tunnels nicht zu sehen. Noch versperren 2,2 Kilometer massives Juragestein der S-947 den Weg. Sie ist die grösste Tunnelbohrmaschine, die je in der Schweiz im Einsatz stand.

Mit ihrer Hilfe wird derzeit der sogenannte STB von Hägendorf nach Eptingen gebohrt: der Sanierungstunnel Belchen. Diese dritte Röhre wird den Verkehrsfluss aufrechterhalten, während die bestehenden Tunnelröhren nach und nach saniert werden.



Die Wände sind hier verkleidet: Über einen Meter dick iist die Beton-Verschalung gegen den Berg.

Die Wände sind hier verkleidet: Über einen Meter dick iist die Beton-Verschalung gegen den Berg. (Bild: Lucas Huber)


Einen runden Kilometer tief in den Berg hat sich die Maschine aber schon gebohrt und gemalmt, seit sie im vergangenen Februar anlässlich einer musikumrahmten Andrehfeier in Betrieb genommen wurde.

Dieser Kilometer ist eine Wegmarke, denn er beschreibt die Kantonsgrenze zwischen Solothurn und Baselland. Das bedeutet eine Erweiterung der territorialen Zuständigkeit, was heissen will: Im Ereignisfall würde, je nach Unglücksstelle, die Staatsanwaltschaft des jeweiligen Kantons in die Pflicht genommen.

Weisswein tief im Berg

Dieses Ereignis nahmen die Regierungsräte der beiden Kantone zum Anlass, die Grenzüberschreitung in den Tiefen des Berges zu begiessen, die Idee dazu ist während der Andrehfeier entstanden.

So mussten vergangenen Freitagnachmittag mehr als die magistralen Terminkalender zusammenpassen, damit die Regierungsräte Sabine Pegoraro (BL) und Roland Fürst (SO) mit Jürg Röthlisberger, Direktor des Bundesamts für Strassen, Urs Aeschlimann, Gesamtprojektleiter des STB, und weiteren geladenen Gästen samt Medien im Schlepptau die Gläser klimpern lassen konnten. Beispielsweise wurde die Revision der Tunnelbohrmaschine vorverlegt, damit sie nicht eigens für den Anlass abgestellt werden musste.



...misst 14 Meter im Durchmesser.

…misst 14 Meter im Durchmesser. (Bild: Lucas Huber)

Mit einem Transporter geht es also in den Tunnel hinein, im Portalbereich fehlt nur noch die Fahrbahn, die Wände sind hier bereits verkleidet, 1,11 Meter Beton und Verschalung gegen den Berg, der von allen Seiten drückt.

Je weiter es hineingeht, desto roher ist der Ausbau, nackte Rohre verlaufen, Kabel liefern Strom, Scheinwerfer streuen ein gespenstisches Licht. Auf halber Strecke verlegt gerade ein Team Dämmfolien über der ersten Betonschicht; sie verhindert das Eintreten von Wasser.

2600-Tonnen-Koloss

Ein Fussmarsch führt schliesslich zu diesem stählernen Koloss, der Tunnelbohrmaschine: 4,2 Megawatt Leistung, 2600 Tonnen Gewicht, 25 Treppenstufen führen in ihr Gehirn, die Kommandozentrale, Sicherungskästen, eine Führerkabine, Treppen, die Höhe eines Mehrfamilienhauses.

Kreischend rauscht das Förderband neben dem Tisch mit den Gläsern vorbei und bringt das ausgebohrte Gestein ans Tageslicht. Es ist warm, verblüffend warm, es rattert und wimmert, es dröhnt und vibriert – und die Luft ist viel weniger staubig, als man es erwartet hätte; die Baustelle des STB ist sauber.



Die Grenze, tief unter dem Juragestein: Ein Meilenstein, der mit Weisswein begossen wurde.

Die Grenze, tief unter dem Juragestein: Ein Meilenstein, der mit Weisswein begossen wurde. (Bild: Lucas Huber)


Dann: Die Maschine verklingt, das Riffelblech unter den Füssen verstummt und der Staub setzt sich. Unter dem Bild der beiden Kantonswappen, die die Grenze symbolisieren, und das auf die rohen Tunnelwände gesprayt wurde, folgen die Ansprachen.

Man freut sich über das unfallfreie Vorwärtskommen, über gemeisterte Schwierigkeiten, von denen keine der Rede wert gewesen sei, dankt den anwesenden Bauarbeitern, vorwiegend Italienern wie vor 100 Jahren am Hauenstein, die sich ebenfalls zuprosten, «salute ragazzi», staubige, lächelnde Männer.



Blick auf die Rückseite der Tunnelbohrmaschine – die grösste, die je in der Schweiz im Einsatz stand.

Blick auf die Rückseite der Tunnelbohrmaschine – die grösste, die je in der Schweiz im Einsatz stand. (Bild: Lucas Huber)


Eine halbe Milliarde Franken kostet der Sanierungstunnel Belchen, 470’000 Kubikmeter Gestein werden dem Berg entnommen. Für den kommenden Sommer ist der Durchstich in Eptingen vorgesehen, bis 2019 wird der Rohbau abgeschlossen, nach dreijährigen Installationsarbeiten folgt 2022 die Inbetriebnahme.

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Allen Interessierten steht am Südportal in Hägendorf das Infocenter Belchen jeden ersten Samstag im Monat von 9 bis 12 Uhr offen. www.belchentunnel.ch



Eine gigantische Kletterwand: Die Röhre des Sanierungstunnels...

Die Röhre des Sanierungstunnels, 14 Meter Durchmesser, wird für Arbeiter zur gigantischen Kletterwand. (Bild: Lucas Huber)

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