Jungpolitiker setzen ihre Interessen mit ähnlichen Mitteln durch wie die Erwachsenen

Seit 1981 steht der Lohngleichheitsartikel in der Bundesverfassung. Tatsache ist die Lohngleichheit dennoch nicht. Die Teilnehmer der Jugendsession weisen mit einer Durchsetzungspetition darauf hin – und hinterfragen damit aktuelle Entwicklungen auf dem Polit-Parkett.

(Bild: Matthias Käser/Tink.ch)

Seit 1981 steht der Lohngleichheitsartikel in der Bundesverfassung. Tatsache ist die Lohngleichheit dennoch nicht. Die Teilnehmer der Jugendsession weisen mit einer Durchsetzungspetition darauf hin – und hinterfragen damit aktuelle Entwicklungen auf dem Polit-Parkett.

Ein Volksbegehren wird gutgeheissen. Dann wird seine Umsetzung verschleppt. Und irgendwann platzt findigen Politikern der Kragen und sie verschaffen ihrem Anliegen Nachachtung. Konkreter müsse man die Forderungen nun formulieren, finden sie. Tatsachen sollen geschaffen werden. Dem säumigen Staat wird mit klaren Direktiven auf die Pelle gerückt. 

Die Geschichte kennen wir – doch die Teilnehmenden der Jugendsession haben sie am Sonntag neu geschrieben.

33 Jahre Forderung nach Lohngleichheit

Bereits 1975 reichte die Schweizer Frauenbewegung eine Initiative ein. Sie forderte die wirtschaftliche Gleichstellung von Mann und Frau. Die Vorlage sah eine Übergangsfrist von fünf Jahren vor. Schliesslich erarbeitete das Parlament einen Gegenvorschlag ohne Übergangsfrist. Inhaltlich war der Gegenvorschlag aber weitgehend identisch. Daraufhin wurde die Volksinitiative zurückgezogen. Der Gegenvorschlag wurde 1981 mit über 60 Prozent Zustimmung vom Stimmvolk angenommen.

Trotzdem müssen Frauen noch jahrelang den gleichen Lohn für gleiche Arbeit einfordern. Bis heute verdienen sie im Schnitt 23,6 Prozent weniger als Männer. Davon sind 8,7 Prozent nicht durch andere Faktoren als das Geschlecht erklärbar.

33 Jahre nach der Annahme des Verfassungsartikels zur Lohngleichheit hat sich deshalb die Generation von morgen an der Jugendsession mit Verfassungsartikel 8, Rechtsgleichheit befasst. Während vier Tagen feilschten Jugendliche in Arbeitsgruppen und im Nationalratssaal um das beste Mittel, um dem Recht zur nötigen Geltung zu verhelfen.

Am Ende ist mit 132 zu 37 Stimmen eine Petition überwiesen worden. Sie verlangt eine Instanz, welche die Kompetenz hat, bei Lohndiskriminierungen Strafen zu verhängen – im Wissen darum, dass der Bundesrat bereits Massnahmen zur Erreichung der Lohngleichstellung erarbeitet. Der Name für die Petition war rasch gefunden: «Durchsetzungspetition».

Zwei Jahre Forderung nach Ausschaffung

Dieses Instrument kommt einem bekannt vor. Auch die SVP hat nach der Annahme ihrer Ausschaffungsinitiative eine Durchsetzungsinitiative gestartet. Die Behörden würden die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative «verweigern», war die Begründung.

Die Parallelen zwischen der SVP-Durchsetzungsinitiative und der Durchsetzungspetition der Jugendsession sind frappant. Doch es gibt auch gewichtige Unterschiede. 

  • Zwischen der Ausschaffungsinitiative der SVP und der Durchsetzungsinitiative lagen zwei Jahre. Bei der Lohngleichheitsvorlage sind seit der Annahme 33 Jahre vergangen.
  • Die Ausschaffungsinitiative erreichte eine knappe Ja-Mehrheit von 52,3 Prozent. Bei der Lohngleichheitsforderung stimmten über 60 Prozent zu. 
  • Nach einer allfälligen Annahme der Initiative stünde in der Bundesverfassung eine Liste mit Delikten, die länger ist, als dieser Text. Mit Annahme der Petition formuliert die Jugendsession (wohl auch, weil sie keine weitergehenden Mittel hat) eine erneute Forderung. Der Bundesrat soll einen konkreten Vorschlag erarbeiten, der Text landet nicht in der Verfassung.
  • Bei der Lohngleichheitsforderung war ursprünglich eine Übergangsfrist von fünf Jahren vorgesehen. Diese wurde im Gegenvorschlag gestrichen. Mit der Durchsetzungsinitiative zur Ausschaffungsvorlage wurde die Bestimmung über die fünfjährige Übergangsfrist angenommen. Bis zur Lancierung der Ausschaffungsinitiative war sie noch nicht verstrichen. 

Die Jungpolitiker zeigen damit dieselbe Beharrlichkeit wie ihre erwachsenen Kollegen, wenn es um die Durchsetzung ihrer Interessen geht. Doch sie lassen den Institutionen des Bundes mehr Zeit, ehe sie zum legislativen Zweihänder greifen. Und eigentlich greifen sie dann auch nicht zum Zweihänder, sondern eher zum Rüstmesserchen. Im Vergleich zur vereinigten Bundesversammlung wirken die Teilnehmenden der Jugendsession dennoch geduldiger und überlegter. Oder mit anderen Worten: irgendwie erwachsener.

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Das Jugendmagazin Tink.ch hat die Jugendsession 2014 hautnah und live begleitet. In ihrem Dossier zum Thema finden sich weitere Artikel, Videos, Podcasts und vieles mehr.

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