Für den CDU-Abgeordneten Armin Schuster gehört die Empörung über den Schweizer Volksentscheid zur Zuwanderungsinitiative zu den politischen Ritualen. Die Folgen für die Schweiz könnten gleichwohl verheerend sein, sagt der Vertreter des Landkreises Lörrach-Müllheim im Interview.
Armin Schuster mahnt zur Gelassenheit. Der CDU-Politiker vertritt seit 2009 den Landkreis Lörrach-Müllheim im deutschen Bundestag. Im Interview erklärt er, weshalb die Schweiz in den anstehenden Verhandlungen mit der Europäischen Union keine Unterstützung braucht.
Wie haben Sie den Schweizer Volksentscheid vom letzten Wochenende aufgenommen?
In erster Linie verstehe ich ihn als einen Weckruf der Schweizer an ihre Regierung. Das fast unentschiedene Ergebnis offenbart aber auch einen ziemlich tiefen Graben. Daraus wird sich für die Schweiz innen- wie aussenpolitisch eine schwierige Situation ergeben. Immerhin hat das Land eine beachtliche Wirtschaftsleistung und quasi Vollbeschäftigung. Da stellt sich schon die Frage, wie man das in Zukunft halten will, bei weniger qualifizierter Zuwanderung.
Haben die Schweizer die Tragweite ihres Entscheids unterschätzt?
Ich vermute, dass einigen Befürwortern nicht klar war, dass der Ausstieg aus der EU-Personenfreizügigkeit dazu führen kann, dass sämtliche bilaterale Verträge mit der EU nicht mehr gelten. Ich sehe derzeit nicht, wie die schweizerische Wirtschaft eine sehr strikte Umsetzung dieser Initiative verkraften soll. Deshalb finde ich es sehr beruhigend, dass sich unsere Nachbarn im Kanton Basel-Stadt mehrheitlich gegen die Initiative ausgesprochen haben. Das zeigt eine hohe Sensibilität.
«Noch mehr Zugeständnisse an die Schweiz sind schwer vorstellbar.»
Hätten die Deutschen in dieser Frage anders entschieden?
Das können Sie schon aus der aktuellen deutschen Diskussion über Armutsmigration erkennen. Bei einem Ausländeranteil von knapp 25 Prozent hätten wir in Deutschland 20 Millionen Zuwanderer und dann sicher eine ähnliche Stimmungslage. Die Empörung über diese Initiative ist in Teilen auch politisches Ritual. Es ist sicher kein Zufall, dass es keine konkreten Festlegungen auf Quoten gibt, sodass die Regierung immer noch Handlungsspielraum hat. Letztlich sollten wohl in erster Linie die Ängste und Befürchtungen der Menschen transportiert werden.
Wie weit soll und kann die EU der Schweiz entgegenkommen?
Die Schweiz hat sich in der Vergangenheit in ihren diplomatischen Vereinbarungen mit der EU an einen optimalen Punkt heran verhandelt. Noch mehr Zugeständnisse sind schwer vorstellbar. Sollte die Schweiz sogar auf eine harte Linie einschwenken, muss die EU die rote Karte zeigen. Ich empfehle zunächst einmal Gelassenheit, das ist auch eine konstruktive Haltung. Die Schweiz ist jetzt am Zug und hat die Chance, durch innenpolitische Initiativen zu zeigen, dass sie den Weckruf verstanden hat. Von der Europäischen Union darf man sich nicht allzu viel Bewegung erhoffen.
«Ich habe es noch nicht erlebt, dass die Eidgenossen Beistand brauchen.»
Kann Deutschland als Vermittler auftreten?
Wir sind prinzipiell um ein gutes Verhältnis zur Schweiz bemüht. Allerdings muss sich um das diplomatische Verhandlungsgeschick der Schweiz niemand sorgen. Ich habe es noch nicht erlebt, dass die Eidgenossen hier Beistand brauchen.
Hat der Entscheid auch positive Aspekte?
Die jetzt stark einsetzende gesellschaftspolitische Debatte darüber und über die notwendige Vernetzung innerhalb der EU halte ich für einen positiven Aspekt des Entscheids, der vielleicht auch überfällig war.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 14.02.14