Umfragen entscheiden keine Abstimmungen. Doch sie können Parteien und Kandidaten wertvolle Hinweise liefern, wo sie ihre Wahlkampfressourcen am effizientesten einsetzen können.
Elisabeth Ackermann hat einen Sprung nach vorne gemacht. Die zweite Runde der Umfrage, welche die TagesWoche zusammen mit der «bz Basel» durchführen liess, zeigt, wie die grüne Regierungsratskandidatin in den letzten Wochen an Bekanntheit und Beliebtheit gewonnen hat. Oder sie offenbart zumindest, wie es ihr gelingt, immer mehr Wähler davon zu überzeugen, dass sie die richtige Kandidatin für die Nachfolge von Guy Morin (Grüne) ist.
Bei der Wahl in den Regierungsrat hat Ackermann innert Monatsfrist fünf Prozentpunkte zugelegt (neu 45 Prozent). Noch grösser ist der Sprung beim Rennen um das Amt des Regierungspräsidenten, wo sie ganze sieben Prozentpunkte besser abschneidet als noch im September (neu 37 Prozent) und ihrem Konkurrenten Baschi Dürr (FDP) damit dicht auf den Fersen ist.
Beeinflussung oder Bereicherung?
Da stellt sich zwangsläufig die Frage, welche Rolle die Publikation der ersten Umfrageergebnisse bei diesem Popularitätsgewinn gespielt hat. Wurden die Linken aufgerüttelt, weil Ackermann Anfang September noch Kopf an Kopf mit dem ungeliebten SVPler Lorenz Nägelin stand? Sind Ackermann und ihre Wahlkampfhelfer nach dem enttäuschenden ersten Ergebnis aufgewacht und haben einen Gang zugelegt? Und falls es diesen Effekt gibt, stellen Umfragen damit eine unstatthafte Beeinflussung der politischen Meinungsbildung dar oder bereichern sie vielmehr den Diskurs?
Thomas Milic ist beim Forschungsinstitut Sotomo für den Bereich Abstimmungen & Wahlen zuständig und einer der Autoren der TagesWoche-Umfrage. Ihn überrascht das bessere Abschneiden von Ackermann nicht. «Der Wahlkampf hat inzwischen angefangen, die Plakate hängen, sie hat an Bekanntheit gewonnen», sagt der Politologe. Dennoch will er einen Einfluss der ersten Umfrageergebnisse nicht ausschliessen. Es sei denkbar, dass vor allem auf der linken Seite eine Mobilisierung stattgefunden habe, weil das Rennen zwischen Ackermann und Nägelin derart knapp ausfalle. «Aber das Gleiche liesse sich prinzipiell auch vom bürgerlichen Lager sagen.»
Insgesamt schätzt Milic den direkten Einfluss einer Umfrage jedoch als gering ein. «Ich halte es für unwahrscheinlich, dass sich jemand aufgrund einer Umfrage in seiner politischen Meinung beeinflussen lässt.» Viel eher sehe er einen indirekten Effekt: «Die Umfragen motivieren die Parteien dazu, sich stärker im Wahlkampf zu engagieren und das wiederum wirkt sich auf die Mobilisierung der Wählerschaften aus», sagt Milic.
Präzise Strategie statt Blindflug
Die Parteien und ihre Kampagnenleiter zählen denn auch zu den dankbarsten Abnehmern solcher Umfragen, wie Louis Perron bestätigt. Perron betreibt in Zürich das international tätige, politische Beratungsbüro «Perron Campaigns» und gibt an der Uni Zürich Vorlesungen zum Thema politisches Marketing. «Qualitative und quantitative Meinungsforschung gehören in anderen Ländern längst zum Werkzeugkasten politischer Kampagnenplaner.»
In der Schweiz hingegen werden diese Instrumente noch kaum genutzt. Ein Versäumnis, wie Perron glaubt. «Denn dadurch können Argumente bei verschiedenen Zielgruppen getestet werden, was eine viel differenziertere und strategischere Planung einer Kampagne ermöglicht.» Werde beispielsweise ein knappes Resultat vorhergesagt, könne damit gut mobilisiert werden im Sinne von «jede Stimme zählt».
Die Umfrage von TagesWoche und «bz Basel» lieferte zum ersten Mal harte Informationen im Vorfeld einer Wahl in Basel. Diese Informationen konnte bis jetzt vor allem Elisabeth Ackermann zu ihrem Vorteil nutzen. Sie habe in den letzten Wochen gemäss eigener Aussage ihr «Profil geschärft» und sei vermehrt bei Standaktionen der SP aufgetreten. Denn die erste Umfragerunde hat gezeigt, dass Ackermann die Anhänger dieser Partei noch zu wenig mobilisieren konnte. Zumindest als Weckruf kann eine Umfrage also durchaus dienen.