Ex-Wirtschaftskammerboss Hans Rudolf Gysin versucht in einer stundenlangen Verteidigungsrede seine Haut im Subventionsskandal bei der Schwarzarbeitskontrolle ZAK zu retten. Der Kanton Baselland gibt sich unbeeindruckt – und fordert 380’000 Franken zurück.
Der Schachzug von Hans Rudolf Gysin ist nicht aufgegangen. In einer eilig einberufenen Medienkonferenz wollte der ehemalige Wirtschaftskammerboss und Präsident der Zentralen Arbeitsmarkt-Kontrolle (ZAK) die Deutungshoheit über die Vorwürfe rund um mutmasslich erschlichene Subventionen, mangelnde Kontrolltätigkeit und überhöhte Rechnungen bei der ZAK gewinnen. Zur Gysin-Show später mehr.
Kaum war die PK beendet, kommunizierte der Kanton sein hartes Urteil: Er fordert Subventionen in der Höhe von 380’000 Franken zurück. 650’000 Franken bezahlt der Kanton mit Beteiligung des Bundes an die ZAK jährlich, damit diese Schwarzarbeit auf Baustellen bekämpft. Mehr als die Hälfte verlangt er nun aus zwei Gründen zurück:
- «Mit einem Verhältnis von rund 1 zu 3 zwischen den effektiven Kontroll-Lohnkosten und dem Overhead ist die wirksame Mittelverwendung infrage gestellt.»
- «Sowohl bezüglich der gesamthaft abzuschliessenden Kontrollen als insbesondere auch der spezifisch verlangten Zahl der abzuschliessenden Betriebskontrollen sind die Ziele deutlich verfehlt worden.»
Dramatischer Rückgang der Kontrollen
Die ZAK schloss 2014 nur 42 Betriebskontrollen ab – der Leistungsauftrag verlangte mindestens 200. Lange behauptete die ZAK, der Einbruch sei auf einen Wechsel des Erfassungssystems zurückzuführen. Mittlerweile meldet Gysin, das Problem liege darin begründet, dass der Leistungsauftrag mit einem Jahr Verzögerung, also rückwirkend, beschlossen worden sei und zudem grosse Anpassungen aufgrund der neuen Vorgaben notwendig gewesen wären.
Das sieht der Kanton anders. Er will jetzt beim Landrat grünes Licht für die Rückforderung holen. Dann soll Gysin Gelegenheit erhalten, seine Sicht der Dinge einzubringen und so die Strafe allenfalls abzuschwächen.
Bizarrer Auftritt
Daran stösst sich Gysin. In seiner mehrere Stunden dauernden, teilweise bizarren Verteidigungsrede am Dienstagmorgen, warf er dem Kanton vor, die Verfassung verletzt zu haben, indem ihm das rechtliche Gehör verweigert worden sei. In der Verwaltung wundert man sich gegenüber der TagesWoche über diesen Vorwurf: «Er verlangt allen Ernstes, dass jene Partei, die untersucht wird, am Untersuchungsbericht mitarbeiten darf.»
Die Untersuchung war eingeleitet worden, nachdem die ZAK ihren Jahresbericht mit Verspätung vorgelegt hatte. Zahlreiche Ungereimtheiten bei der ZAK und der im Umfeld der Wirtschaftskammer angesiedelten Firma AMS AG sind in den letzten Monaten ans Licht gekommen. Die AMS führt im Auftrag der ZAK die Kontrollen durch und lässt sich dafür entschädigen. Mit überhöhten Lohnangaben seien Subventionen des Bundes erschlichen worden, lautet der gewichtigste Vorwurf. Die Baselbieter Staatsanwaltschaft ermittelt in der Sache, auch der Bund hat einen Bericht des Kantons verlangt.
Schuld sind die Anderen
Der Untersuchungsbericht wird derzeit vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) gesichtet, der Entscheid aus Bern wird im Januar erwartet. Das Seco übernimmt die Hälfte der Personalkosten der Arbeitsinspektoren. Auch dass er dazu keine Stellung nehmen durfte, ärgert Gysin. Sämtliche Fehler die passiert sind, seien auf Unzulänglichkeiten der Baselbieter Verwaltung, namentlich des Gewerbeamts Kiga, zurückzuführen, behauptet Gysin. Diese habe falsche Angaben gemacht. Beim Kiga will man sich unter Verweis auf die laufende Untersuchung nicht äussern.
Für Gysin wird die Luft immer dünner. Er selber hat seinen Rücktritt als ZAK-Präsident auf Ende Jahr angekündigt. Dieser habe aber nichts mit den skandalträchtigen Vorkommnissen zu tun, er habe sein Mandat bei der ZAK von Anfang an auf drei Jahre begrenzt.
Monatelanges Schweigen
Auch dass seine Pressekonferenz mit der Verabschiedung des Untersuchungsberichts durch die Regierung zusammenfalle, sei reiner Zufall: «An einem Anlass nach den Bundesratswahlen ist jemand aus dem Umfeld von Johann Schneider-Ammann auf mich zugekommen und hat gesagt: ‹Hey Gysin, du musst das aufklären, wir kennen ja nur die eine Sicht, das sieht einfach nicht gut aus.›»
Davor schwieg Gysin monatelang. Die Essenz seiner Rechtfertigung ist schnell erzählt: Wenn irgendwo ein Fehler passiert ist, trägt das Kiga die Schuld dafür. Die AMS habe sich nicht auf Kosten der ZAK und des Steuerzahlers bereichert, sondern im Gegenteil viel zu wenig für seine Leistungen verlangt.
Keine Beweise
Auf andere Anwürfe gibt es abenteuerliche Erklärungen: Dass eine Zahlung über 75’000 Franken an die Gewerkschaften für eine angebliche Anlaufstelle nicht in der Buchhaltung der ZAK auftauche, liege daran, dass der Betrag über dasselbe Konto rein- und rausgeflossen sei.
Überprüfen lässt sich nichts davon: Die vollständigen Unterlagen der AMS AG, deren Präsident Gysin ebenfalls ist, hält Gysin mit dem Verweis auf Datenschutz und Geschäftsgeheimnisse zurück. Gewisse Dinge dürfe man gar nicht offenlegen, das verhindere das Datenschutzgesetz. Das, selbstredend, ist grober Unfug: Private Firmen dürfen offenlegen, was immer sie wollen.