Gerangel um Ämter, Animositäten und Alleingänge in der Fraktion – die Basler Sozialdemokraten haben den Schwung verloren, den ihnen der letzte Wahlerfolg verliehen hatte.
Sie sind Basler Vorzeigepolitikerinnen, mit Glanzresultaten gewählt worden, zwei Sozialdemokratinnen, die dank ihrer Ausstrahlung immer ein bisschen über den Niederungen des Politalltags stehen. Aber Eva Herzog und Anita Fetz können nicht miteinander.
Was bislang ein vernachlässigbares Problem war, weil die eine weit weg in Bern politisierte, erhält jetzt plötzlich Dringlichkeit. Fetz bestätigt auf Anfrage, dass sie trotz parteiinterner Amtszeitbeschränkung über 2015 hinaus im Ständerat bleiben möchte: «Ich stehe gerne für eine weitere Amtszeit zur Verfügung, wenn die Partei das will. Die Parteispitze ist darüber informiert.»
Herzog wird schon lange nachgesagt, dass sie nach ihrer blamablen Bundesratskandidatur 2010 nun als nächsten Karriereschritt den Ständerat auserlesen hat. Auch sie steht als Finanzdirektorin vor der Amtszeitguillotine. Und nun könnte ihr ausgerechnet Anita Fetz im Weg stehen.
Aufstieg blockiert
Die Auseinandersetzung geht über den Konflikt zweier mächtiger Frauen hinaus: Sollte Fetz im Ständerat bleiben und Herzog ihrerseits im Regierungsrat, würde das auch den Aufstieg einer Reihe ambitionierter SP-Grossräte behindern. Für Nervosität ist gesorgt.
Zumal eine weitere etablierte SP-Frau gerne weitermachen will. Auch Nationalrätin Silvia Schenker sagt, sie spiele mit dem Gedanken, im Amt zu bleiben. Einen vorzeitigen Rücktritt, wie er von der Partei immer mal wieder diskutiert wurde, um einem Nachrückenden Platz zu machen, lehnt sie ab: «Rücktritt ist kein Thema für mich. Im Moment bin ich am Überlegen, ob ich nochmals zu den Wahlen antrete, wenn dies dem rot-grünen Lager hilft, den dritten Nationalratssitz zurückzuerobern.»
Schenker steht wie Herzog im Gespräch mit der Parteileitung. Diese will die Personalien nicht kommentieren. «Dazu äussere ich mich zu diesem Zeitpunkt nicht», sagt SP-Präsidentin Brigitte Hollinger, die in einer schwierigen Lage ist. Sie muss abwägen, was besser ist: die Erneuerung des Spitzenpersonals vorantreiben oder auf sichere Werte setzen.
Einzelinteressen dominieren
Das Gerangel um die Topjobs ist nicht die einzige Sorge bei den Sozialdemokraten. In der Fraktion im Grossen Rat brodelt es schon eine ganze Weile. Hinter vorgehaltener Hand beklagen mehrere SP-Leute, der ganze Schwung nach den letzten Wahlen sei weg. Die Fraktion werde von Einzelinteressen blockiert. Klassische Klientelpolitiker vom Schlag des Kulturförderers Tobit Schäfer hätten das Sagen, die grosse Linie würde fehlen. Dafür verantwortlich gemacht wird der neue Fraktionschef Steffi Luethi-Brüderlin.
Als die Abgeordneten Daniel Goepfert und Sarah Wyss an einen Reporter der «Basellandschaftlichen Zeitung» gelangten, platzte der Druckkessel ein erstes Mal. Sie sahen die Zeit reif, Luethi ins Abseits zu befördern. «Er muss sich überlegen, ob er am richtigen Ort ist», sagte Goepfert und legte nach: «Das ist ein Riesenproblem, ich würde gar von einer Katastrophe sprechen.»
Fraktionszwang verletzt
Luethi hatte sich den Zorn Goepferts zugezogen, als er in einem Geschäft zur Zonenplanrevision gegen die Fraktionsmehrheit gestimmt hatte. Weil er das den Kollegen nicht angekündigt hatte, verletzte er den Fraktionszwang, den sich die SP auferlegt hat, um im Parlament als Einheit möglichst schlagkräftig zu sein.
Heute sagt Luethi dazu: «Die Sache ist ausgeräumt, wir haben das diskutiert. Ich stehe zu meinem Fehler.» Goepferts Vorgehen kann er allerdings wenig abgewinnen: «Es ist sehr wichtig, dass solche Meinungsverschiedenheiten intern ausgetragen werden und nicht öffentlich.»
Tagelange Schockstarre
Doch bis zum nächsten folgenreichen Ausreisser verstrich nicht viel Zeit. Nach der Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative der SVP verharrte die Partei tagelang in Schockstarre. Bis der altgediente frühere Bundesparlamentarier Rudolf Rechsteiner auf eigene Faust eine Standesinitiative ankündigte, um eine zweite Volksabstimmung zu erzwingen.
Zuvor hatte Rechsteiner in der Fraktion für seine Idee geworben, wo ihm die Kollegen beschieden, die Finger davon zu lassen. Beirren liess sich Rechsteiner davon nicht, bis ihn noch am selben Tag die nationale Parteispitze zurückpfiff.
«Wir sind in einer Delle. Das ist normal nach Wahlen.»
Regierungsratsanwärterin Tanja Soland fasst die Lage so zusammen: «Wir sind in einer Delle. Das ist auch normal nach anstrengenden Wahlen.» Alle seien im Moment «am rumkaspern», die Partei zu sehr mit sich selber beschäftigt. «Bis im Herbst müssen wir wieder zusammenfinden», sagt Soland. Dann muss klar sein, wie die Nationalratswahlen 2015 angegangen werden. Doch die Annahme liegt nahe: Dann dürfte der Ärger in Basels grösster Partei erst richtig anfangen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 07.03.14