Konsequent uneinsichtig

Fürs Überhocken in Beizen gabs früher eine Busse. Wer im Regierungsamt überhockt wie Adrian Ballmer, erhält die volle Rente. Das wäre alles halb so schlimm, wenn seine Regierungsbilanz nicht so trist wäre.

Adrian Ballmers Rücktritt bringt Bewegung in die Regierung. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Fürs Überhocken in Beizen gabs früher eine Busse. Wer im Regierungsamt überhockt wie Adrian Ballmer, erhält die volle Rente. Das wäre alles halb so schlimm, wenn seine Regierungsbilanz nicht so trist wäre.

Alle hatten es vermutet, dass Regierungsrat Adrian Ballmer nicht bis zum Ende der Legislatur 2015 im Amt bleiben würde. Sogar seine eigenen Parteifreunde gingen davon aus – und zwar schon vor den Regierungsratswahlen im März des letzten Jahres. Aber man war in der FDP froh, dass Ballmer mit seinem Bisherigen-Bonus die beiden freisinnigen Sitze in der Regierung retten half. Das schien wichtiger als der Umstand, dass Ballmer unter diesen Umständen schon fast ein bisschen als «lame duck» – als lahme Ente – seine letzten Amtsjahre antreten würde.

Beinahe ist das Ballmersche und freisinnige Vorhaben schief gelaufen. Der Finanzdirektor landete auf dem letzten Platz und umging die demütigende Wegwahl nur knapp. Ohne Folgen blieb diese enttäuschende Bestätigung allerdings nicht. Ballmer war politisch noch stärker angeschlagen. Derart handicapiert hatte er gar keine Chance, sein Hauptprojekt – die Sanierung der Baselbieter Finanzen – in der Volksabstimmung durchzubringen. Die ehrgeizigen Sparpläne, die die Kantonskasse hätten sanieren sollen, wurden haushoch abgelehnt. Nach dem Nein des Baselbieter Volkes am 17. Juni dieses Jahres wäre Ballmers Rücktritt eigentlich konsequent gewesen.

Er hat das Volk nicht Ernst genommen

Doch er gab andere Signale von sich – etwa im Sinn von «Jetzt erst recht nicht!» Bereits begannen viele zu mutmassen, dass der Finanzdirektor aus Verärgerung über das Volks-Nein zum Sparpaket doch tatsächlich bis 2015 ausharren würde. Denn eine Eigenschaft zeichnete sich bei Ballmer immer stärker aus: Er konnte und wollte nicht einsehen, dass er am Volk und an den Parteien vorbeiregierte. Seine Reaktion beispielsweise auf das Nein zum Sparpaket war ein Beharren auf seinen Plänen und eine fundamentale Kritik an den Gegnern, respektive an der Mehrheit des Volkes. Es fehlte der Wille und die Einsicht, das Nein als Auftrag zu verstehen, neue Wege aus dem Finanzdesaster zu suchen. Er hat das Volk nicht wirklich ernst genommen.

Er bleibt sich – und das muss man ihm nun mal zugestehen – auch bei der Rücktrittsankündigung treu: Es seien ausschliesslich die Kritiker, die den Ball, respektive den Puck nicht sehen und deshalb auf den Mann, respektive auf ihn, schiessen würden, hat er verlauten lassen. Das hat etwas sehr Larmoyantes und Hilfloses. Etwas Unbewegliches – und das ist wohl auch die Tragik des Baselbieter Finanzdirektors: Er glaubte unbeirrbar an seine teils neoliberalen, teils konservativen Ideale: Dass man nur Steuern senken muss, um den Kanton voranzubringen. Dass man einfach Budgetposten streichen muss, um die Mindereinnahmen zu kompensieren. Dass der Kanton die Gemeinden nicht mit finanziellen Anreizen zu Fusionen ermuntern soll. Undsoweiter. Ballmer blieb gefangen in seinen überholten Ansichten, beharrte auf diesen, bewegte sich nicht und blockierte damit ein rechtes Stück weit auch die Arbeit der Regierung.

Nun gehts los

Sein Rücktritt dürfte nun ziemlich viel Bewegung auslösen. Zuerst einmal in der Parteienlandschaft. FDP und SVP etwa müssen sich einigen, ob sie miteinander oder gegeneinander in den Wahlkampf ziehen. Zwar deuten FDP-Exponenten an, dass sie zugunsten der SVP auf ihren zweiten Sitz verzichten – doch das letzte Wort ist da wohl noch nicht gesprochen. Die Freisinnigen sind übervertreten, die SVP hat aufgrund der Wählerstärke Anspruch auf mindestens einen Sitz. Gegeneinander – das würde heissen, dass die SP einen zweiten Sitz erobern könnte und dass das Baselbiet erstmals rot-grün dominiert würde.

Letzteres wäre zwar ein Kulturschock fürs traditionell bürgerliche Baselbiet, bedeutete aber kaum dessen Untergang. Gerade was die Sanierung von Staatsfinanzen und die Innovationsfähigkeit erstarrter Gemeinwesen betrifft, haben pragmatische Rot-Grün-Regierungen an anderen Orten Erstaunliches geleistet.

Entscheidender als die parteipolitische Zusammensetzung der künftigen Baselbieter Regierung ist aber ohnehin die personelle. Ballmer hat – und dafür gebührt ihm Dank – mit seinem Rücktritt ermöglicht, dass da etwas Dynamik hineinkommt. Dynamik, die dringend nötig ist, und Dynamik, die vielleicht auch den einen oder anderen Regierungskollegen dazu bewegt, über seine eigene Zukunft nachzudenken. Denn es genügt wohl nicht, dass nur der Finanzdirektor ersetzt wird.
    

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