Polens Theaterszene erlebt einen Skandal, weil Kulturminister Piotr Glinski pikante Sexszenen in der Aufführung von Elfriede Jelineks «Der Tod und das Mädchen» verhindern wollte.
Eine Österreicherin sorgt in Polen derzeit für Aufsehen – zumindest indirekt. Denn eine Adaptation von Elfriede Jelineks Stück «Der Tod und das Mädchen» am Polnischen Theater in Breslau hatte laut Piotr Glinski, Polens neuem Kulturminister, zu gewagte Sexszenen. «Für öffentliche Gelder wird es keine Pornografie in polnischen Theatern geben», sagte Glinski Ende der vergangenen Woche. Sein Ministerium hatte die Regionalverwaltung der Wojewodschaft Niederschlesien, in der Breslau die Hauptstadt ist, dazu aufgefordert, «die Vorbereitung der Premiere mit sofortiger Wirkung zu stoppen».
Weil die Premiere aber bereits länger angesetzt war, ist das Stück am Wochenende dennoch gezeigt worden – und wird weiter gezeigt. Denn die Sexszenen waren offenbar nicht so pikant, wie von Kritikern befürchtet. Zwei tschechische Pornodarsteller hatten demnach einen Geschlechtsakt lediglich simuliert, berichteten Zuschauer und Medien. Im Vorfeld hatte es vor dem Theater Proteste von Nationalisten und streng gläubigen Bürgern gegeben. Kulturminister Glinski zeigte sich am Montagabend zufrieden: Die Proteste hätten Wirkung gezeigt, das Stück sei frei von Pornografie gewesen.
«Ehrliche Geschichtspolitik»
Verklemmte Konservative gegen progressive Künstler also? So eindeutig, wie es liberale Medien im Land schildern, war die Dramaturgie des Skandals nicht. Denn vor der Premiere hatte das Theater angedeutet, dass der Geschlechtsakt nicht nur gespielt, sondern tatsächlich vollzogen würde. Und dass dies die Gemüter von Politikern der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) erregen würde, dürfte Theaterdirektor Krzysztof Mieszkowski einkalkuliert haben. Der 59-Jährige ist in Warschau zugleich Parlamentsabgeordneter der liberalen Oppositionspartei Nowoczesna (Moderne) und forderte denn auch den Rücktritt des Kulturministers.
Auch jenseits der kalkulierten Provokation: Seit die PiS in Warschau regiert, sind die Ängste vor politischen Eingriffen in Kultur und Medien durchaus begründet. Zwar schrieb das Kulturministerium in seiner Protestnote gegen das Breslauer Stück, dass es nicht vorhabe, «irgendwelche Formen von Zensur einzuführen». Doch Glinski ist nicht nur Minister für Kultur, sondern auch für «nationales Erbe». Und eine der fünf Prioritäten seines Ministeriums soll «ehrliche Geschichtspolitik» sein. Daher will er künftig «Künstler und Institutionen fördern, die bislang kaum Zugang zu öffentlichen Finanzmitteln hatten», sagt der Politiker.
So soll ein Museum der Polnischen Geschichte errichtet und womöglich ein grosser Hollywood-Film finanziert werden, der die Geschichte des Landes in einem besseren Licht präsentiert. Denn PiS-Politikern sind Filme wie etwa der im Jahr 2015 Oscar-prämierte Film «Ida» ein Dorn im Auge. «Es ist ein verfälschender Film», hatte Polens neuer Aussenminister Witold Waszczykowski im April gesagt. Denn er befördere im Ausland die Vorstellung, Polen seien Judenmörder gewesen.
Öffentlich-rechtliche Medien unter Druck
Neben dem Kulturbetrieb stehen auch die öffentlich-rechtlichen Medien vor Veränderungen. Bislang sind die wichtigsten öffentlich-rechtlichen TV-Sender (TVP) kein Hort politischer Neutralität, die PiS wird gegenüber anderen Parteien in Nachrichtensendungen häufig verzerrt negativ dargestellt. Führungspersonal und ein Teil der Journalisten, die als PiS-kritisch gelten, dürften nun entlassen werden. «Ihre Tage sind gezählt», sagt der Medienwissenschaftler Wieslaw Godzic. Bereits in dieser Woche hat Glinski mit dem Umbau begonnen, PiS-nahes Personal soll bis Ende des Jahres in den TVP-Vorstand eintreten.
Ob das Kulturministerium auch am Personal oder den Zuschüssen für das Breslauer Theater rütteln wird, ist offen. Die Karten für das pikante Stück sind indes wegen des Medienhypes bereits bis Ende des Jahres ausverkauft.